Quasie in fieberhafter Aufregu...
Quasie in fieberhafter Aufregung lebend, wurden wir erschreckt durch die am 3. d.M. eintreffende Nachricht, daß in Wiesbaden und Mainz eine „Rheinische Republik“ ausgerufen worden sei! Ohne daß vorher etwas verlautete, wurden plötzlich Plakate angeschlagen, welche die Bevölkerung von der Gründung der rheinischen Republik benachrichtigten. In Wiesbaden wurden diese Plakate sofort vom Publikum wieder abgerissen, sodaß nur Wenige die Proklamation lasen. Als Führer der neuen Republik fungiert ein gänzlich unbekannter Dr. Dorten, welcher „Minister“ ernannte und sich im Gebäude der Staatsregierung in Wiesbaden einrichten wollte. Er wurde jedoch samt seinen Ministern auf die Straße geworfen, die Bevölkerung geriet in Wut und prügelte die Minister tüchtig. Trotzalledem veröffentlichten die Kölner Zeitungen „Erlasse“ der “ neuen rheinischen Regierung“ – es ist eine schreckliche Zeit, voll Unsicherheit – Alles ist möglich, das Scheußlichste, Dümmste und Schrecklichste kann ungestraft geschehen!

Wie hier das Volk die Pfingsttage verraste, ist kaum zu sagen! In Sammt und Seide, das Geld mit vollen Händen ausstreuen strömten diese Menschen in die Tanzlokale – und das Vaterland verblutet während dieser Zeit unter den Händen seiner grausamen Feinde! Die Regierung erklärt, sie könne unmöglich die Friedensbedingungen annehmen – Clemenceau, der „Tiger“ , hat Befehl gegeben, im Falle einer Weigerung unsererseits sofort über den Rhein vorzugehen! Was steht uns dann bevor, die wir uns jetzt schon in den Händen der Feinde befinden?? Mehr als alle Leiden der Zeit, drückt die Ungewissheit unserer Lage, das Hangen und Bangen, auf Herz und Gemüt! Die Sorge um unsere Zukunft, um Rudolf´s Berufswahl, der beständige Kampf mit dem scheußlichen Personal, die Furcht vor Verarmung. Alles dies liegt wie ein Alp auf mir! Wie glücklich sind die Toten!