Willkommen auf Tagtt!
Friday, 26. April 2024
Tagebücher » Schatten » News, Bilder, Videos - Online
Tagebuch Schatten
 1919-01-05 hh:mm
Ohne Hoffnung sind wir in das Jahr 1919 eingetreten!

Ohne Hoffnung sind wir in das Jahr 1919 eingetreten! Gott helfe, daß es besser werde, als wir erwarten! Nach 5 Jahren des schrecklichen Krieges müssen wir jetzt noch schlimmere Zeiten durchleben! Mit Jammer im Herzen sieht der ruhige Beobachter, wie dieser Krieg das deutsche Volk gewandelt hat! Wo ist der früher weltbekannte deutsche Charakter geblieben? Keine Treue, keine Wahrheit, keine Ehrlichkeit ist mehr zu finden, keine Autorität wird anerkannt! Die Jugend befindet sich in einem Zustand der Verrohung, wie man ihn früher nicht ahnte! Kein Recht gibt es mehr, kein Gesetz! Die Volksmassen sind voll Haß, Neid und Mißgunst, niemand will arbeiten und dabei in Hülle und Fülle leben! Die Löhne und Teuerungszulagen steigen täglich, die Arbeiter leben nur vom Besten und die Prinzipale opfern ihre Ersparnisse aus besserer Zeit, um diese Menschen zu befriedigen! Dabei herrscht eine allgemeine Unehrlichkeit, die unerhört ist; Diebstahl ist keine Sünde und keine Schande mehr. Jeder stiehlt – ein ehrlicher Mensch ist jetzt eine Ausnahme, wie es früher ein Dieb gewesen! Es gibt keine Dienstmädchen mehr, nur Bedienerinnen und Bürodamen! Die Mädchen hungern lieber zu Hause, als einen Dienst anzunehmen! Da hier, durch das zurückgekehrte Militär, viele Arbeitslose waren, schaffte der Bürgermeister Arbeitsgelegenheit, indem er Wegebauarbeiten anordnete und durch öffentl. Aufruf Arbeiter suchte. Es meldete sich – niemand! Dagegen stehen von morgens bis abends Burschen und Männer, die Hände in den Hosentaschen, vor dem Rathaus, führen aufrührerische Reden, verhetzen die Arbeitenden und verbreiten ihre sozialdemokratischen Ideen! ---
Die sog. „Polizei“, 2 Mann sind machtlos, Militär haben wir nicht mehr!

So ist man allgemein der Ansicht, daß die Anwesenheit der Franzosen ein Glück für die Bürger und Arbeitgeber ist, denn das Volk befindet sich in einem solchen Taumel der Ziellosigkeit und Überhebung, daß Leben und Eigentum nicht sicher wären, ohne den Schutz, den uns die Feinde gewähren! Wie weit ist das deutsche Volk gesunken, daß die Besseren Schutz suchen müssen bei den Feinden gegen ihre eigenen Volksgenossen!! Ist solch ein Volk des Sieges wert?? Vielfach erzählen aus dem Felde Heimkehrende, daß das hochfahrende, grobe, nichtachtende Benehmen der Offiziere viele Schuld daran trage, daß die bolschewistischen Hetzerein auf so fruchtbaren Boden fielen! Die Zustände an der Front seien oft schrecklich gewesen; die Mannschaften hatten knappe Nahrung und mußten sehen, wie die Vorgesetzten schlemmerten! Namentlich das unlautere Benehmen der „Offizier-Stellvertreter“ habe viel böses Blut gemacht. Bestechung und Wucher waren allgemein üblich; aus den Kantinen kauften diese die Nahrungsmittel, die für die Soldaten bestimmt waren und sandten sie nach Hause – und der Soldat mußte zusehen und schweigen!!! Was man während der Kriegsjahre zuweilen gehört, das ist jetzt allerorts öffentlich bekannt: Große schwerwiegende Fehler sind jahrelang begangen worden – nun hat die Revolution alle Schranken niedergerissen und die Unschuldigen müssen mit den Schuldigen leiden!

Tags

Kommentare

Noch keine Kommentare!
Kommentieren


Nur für registrierte User.

Schatten Offline

Mitglied seit: 11.08.2010
DE mehr...
Wirklich beenden?
Ja | Nein

1919-01-05 hh:mm