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Thursday, 25. April 2024
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Tagebuch Schatten
 1918-05-18 hh:mm
Kriegspfingsten

Wir feiern diese Kriegspfingsten in gedrückter Stimmung. Das Furchtbare dieses Krieges lastet auf uns, im Westen stehen unsere Brüder in hartem Kampfe! Bis jetzt haben unsere tapferen Truppen siegreich die Engländer, Amerikaner, Franzosen und Portugiesen zurückgeschlagen, doch noch ist kein entscheidender Sieg errungen, sodaß sich eine Hoffnung auf Beendigung dieser Kämpfe eröffnete. Augenblicklich finden besonders am Kemmel vor Ypern furchtbare Kämpfe statt, ebenso vor Amiens, wo unser l. Junge bei Moreuil liegt. Die tapferen 69er haben wieder schwere Kämpfe mitgemacht, Rudolfs sämtliche Freunde, die mit ihm nach Düberitz dereinst auszogen, 23 an der Zahl, sind alle gefallen. Er allein ist, Gott sei Dank, verschont geblieben, aber die unendliche Sorge um ihn lastet schwer auf uns alten Eltern! Wann wird endlich einmal dieses entsetzliche Völkermorden enden? Man spricht bereits von einem fünften Kriegswinter! Durch den Frieden mit Rumänien ist die Ost-Front als erledigt zu betrachten und wir haben den Rücken frei. In Finnland kämpfen deutsche Truppen, um die Ordnung dort wiederherstellen zu helfen. In der Ukraine sind immer noch Unruhen. Mit Raunen  wartet Alles sehnlichst darauf, daß Oesterreich endlich gegen Italien vorgehe, aber seitdem die deutschen Truppen zum größten Teil aus Italien an die Westfront gezogen wurden, haben die Oesterreicher nichts mehr getan und erreicht. Man hatte allgemein erwartet, daß uns im Westen oesterr. Truppen zu Hilfe kämen, aber nichts derartiges geschah. Auch keine Bulgaren oder Türken kommen uns zu Hilfe! Der deutsche Michel muß seine Kämpfe allein durchfechten, doch wenn die Anderen in Not sind, wird er sofort zu Hilfe gerufen!! Man wartet nun täglich auf eine neue große Schlacht, die Entscheidungsschlacht, im Westen! Und dieses „Warten“  ist so schrecklich! Tausende von Opfern werden wieder durch Englands Kriegswut zu Grunde gehen! Frankreich und Italien hätten längst Frieden geschlossen, wenn nicht England und Amerika mit Hetzereien und Drohungen diese Völker zurückhielten! Wie werden diese irregeleiteten Nationen später ihre englischen „Freunde“  verfluchen, wenn ihnen endlich die Erkenntnis aufgeht, daß sie für Englands Eroberungssucht geopfert wurden!! –

 

Wir, hier in der Heimat, durchleben jetzt „knappe“ Zeiten. Das Brod wurde wieder verkleinert, es fehlt vor allem an Fleisch! Schweine- oder Kalbfleisch ist überhaupt nicht zu haben. Rindfleisch ist sehr knapp. Wir 2 Personen, (ich habe eben kein Mädchen) erhalten ¾ Pfund Rindfl. für die Woche.:  Wenn ich nicht durch Vermittlung von Bekannten zuweilen noch etwas erhielte, wüßte ich nicht, was ich kochen sollte. Letzte Woche hatte ich kein Brod mehr und wußte nicht, was anfangen  Pfingsten  vor der Türe- und  ohne Brod! Zum Glück hatte ich von einem früheren Dienstmädchen aus Losheim Korn erhalten, welches ich selbst röste als Kaffee-Ersatz. Von diesem gab ich nun zum Müller, erhielt dafür Mehl und für das Mehl gab mir der Bäcker nun Brod. Nun waren wir wieder mit dem Nötigsten versorgt!! Wer hätte das früher gedacht, daß wir noch einmal ums tägliche Brod bangen müßten! Alles ist gegen früher vom Grund aus geändert! Die armen Leute, welche Bekannte auf dem Lande haben, besitzen Butter und Eier, Fleisch und Fett - während wohlhabende Familien, die nur auf ihre Lebensmittelkarten kaufen können, einfach darben, da sie für Alles Geld der Welt nichts erhalten. Man bezahlt für 1 Pfund Butter M. 10, der Kriegswucher wird täglich schlimmer! Die Kriegerfrauen sind faul und wollen nichts arbeiten, „der Staat muß uns erhalten, unsere Männer sind im Krieg! Heißt es! Dabei leben diese Leute viel besser, als je in Friedenszeiten, kaufen das Teuerste, laufen in die Vereine um Unterstützung und verschmausen dann das Geld. Es sind schlimme Aussichten für die Zukunft, denn wenn dieses Volk nicht mehr so leben kann und wieder arbeiten muß, um zu leben – was wird das dann eine Unzufriedenheit werden unter diesen Menschen! Die allgemeine Knappheit erinnert an den Winter 1916 – 1917. Die neuen Gemüse sind noch nicht da, die alten sind verbraucht. Wenn man sich nur einmal wieder ganz, dick satt essen könnte, wie früher! Nun soll unser l. Junge bald in Urlaub kommen, wie schwer wird es mir werden, ihn einigermaßen anständig zu ernähren!! 

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Kommentare

03:19 15.08.2010
noch so viel hoffnung und fehleinschätzung
bis zum 11.11. dauert's noch - und keiner denkt beim karnevalanfang daran zurück
Good luck!
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