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Tuesday, 23. April 2024
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Tagebuch Schatten
 1919-06-01 hh:mm
In fieberhafter Spannung und U...
In fieberhafter Spannung und Unruhe verleben wir diese Tage! Die Entgegnung der Deutschen auf die furchtbaren frz. Friedensbedingungen wurde übergeben und nun harrt das deutsche Volk auf den Entschluß unserer Henker! Sogar frz. Zeitungen nennen die Friedensbedingungen übertrieben und erkennen an, daß dieselben das deutsche Volk auf Jahrhunderte vernichten müssen. Ueber dem Rhein soll eine mächtige Erregung die Volksmassen ergriffen haben; wir hören von der rechten Rheinseite nur durch die Berichte einiger Reisenden, denn alle rechtsrheinischen Zeitungen dürfen seit 4 Tagen nicht mehr befördert werden. Seit gestern ist auch hier eine Postsperre verhängt, sodaß die Zeitungen nicht mehr fortbefördert werden, sondern auf der Post bis zur Beendigung der Sperre lagern! Diese Maßnahmen sind von den Franzosen angeordnet, damit wir Saarbewohner nicht hören sollen, was draußen vorgeht! So sitzen wir hier, abgeschnitten von aller Welt in schrecklichster Ungewißheit unseres Schicksales harrend! Willigt das Reich in die furchtbaren Friedensbedingungen, so sind wir an Frankreich ausgeliefert, nehmen wir die Bedingungen nicht an, so gehen die Franzosen über den Rhein vor und wir sind allen frz. Schikanen an erster Stelle ausgesetzt. Zudem wühlt der Spartakismus immer noch in der hiesigen Bevölkerung, sodaß man fast nicht unbehelligt über die Straße gehen kann! Die Zensur der Ztg. ist scharf und unvorsichtige Artikel gegen die Arbeiter etc. bringen uns in manche schwierige Situation, sodaß ich kaum mehr in die Stadt gehe.
Die Franzosen wollen ein neues Saargeld hier einführen, Saargulden genannt, überhaupt ist M. schon halb französisch. Kinder lernen vom 7 Jahre ab die frz. Sprache, alle Geschäftsleute nehmen frz. Stunden – bis zum 15. d. M. soll die Entscheidung fallen, ob die Alliierten unsere Gegenvorschläge annehmen – es ist eine qualvolle Zeit! Was wir jetzt erleben, ist ja viel schlimmer zu tragen, als die Kriegszeit, trotz aller Fliegerüberfälle etc.. Mein stiller Wunsch, diese unselige Rheinprovinz verlassen zu dürfen, scheint mir nicht erfüllt zu werden, da wir mit dem Verkauf des Geschäfts immer noch zögern, um Rudolf´s Entschluß abzuwarten. Immer noch drohen auch hier Ausweisungen über den Rhein, wie sie die frz. Behörden in der Umgegend ausüben. Auch hier soll eine Liste der „inde´sirablen“ bestehen, also muß man jeden Tag auf Alles gefaßt sein. ---

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