Willkommen auf Tagtt!
Thursday, 28. March 2024
Tagebücher » Schatten » News, Bilder, Videos - Online
Tagebuch Schatten
 1918-12-22 hh:mm
Dem Weihnachtsfest entgegen

Voll Wehmut und Trauer gehen wir dem Weihnachtsfest entgegen!
Der ungeheure Druck, welcher auf allen Gemütern lastet, zeigt sich in den ernsten Mienen der Bevölkerung! Kein Lächeln, keine Freude – sogar bei den Kindern glaubt man nicht die gewohnte Weihnachtsstimmung zu sehen! Wie anders war es vor einem Jahre! Man glaubte fest, daß 1917 die letzte Kriegsweihnacht sei, kein Mensch zweifelte daran, daß wir sieggekrönt das diesjährige Fest feiern würden – und wie ist es so anders gekommen!! Am meisten quält die Besseren des Volkes der Gedanke, daß es anders hätte kommen müssen, wenn unsere Führer in heilloser Verblendung nicht Fehler auf Fehler begangen und Tausende unnütz geopfert hätte. – Durch die Zeitungen geht eben eine Notiz, daß schon im Oktober 1914 der Kronprinz Ruprecht von Bayern den Durchbruch an der Marne fast errungen, den Sieg klar vor Augen und sicher in Händen hatte --- --- Da kam ein Befehl von Ludendorff die Operation einzustellen, da die Heeresgruppe des deutschen Kronprinzen dorthin kommen sollte! Voll Wut zogen sich die Bayern zurück, die Kronprinz-Armee kam – und die Marneschlacht wurde verloren! Damit also der deutsche Kronerbe als Sieger in Amiens eingehe, reißt man siegreiche Truppen zurück und opfert für einen mißlungenen Angriff tausende von Menschenleben! – Immer wieder kommen irre Fehler und Irrtümer zum Vorschein und man begreift, daß die armen Truppen zuletzt versagten! Der Wahn, Alles besiegen zu müssen, Alles zu beherrschen, ließ den Krieg von Jahr zu Jahr verlängern, bis das Volk, aufgehetzt durch bolschewistischen Treibereien, im Augenblick des unseligen Waffenstillstand-Angebotes die Revolution in Scene setzte und wir nun alle diese Wochen unter der „roten“ Regierung leben! In Berlin geht es toll her; Straßenkämpfe zwischen den einzelnen „Gruppen“  fanden öfters statt und deutsche Truppen werden zur Aufrechterhaltung der Ordnung verwandt!

Hier bei uns ist der „Arbeiter- und Soldaten-Rat“ durch den französischen Kommandanten als aufgelöst erklärt worden und Jedermann atmet auf. Überhaupt, trotz mancher Schikanen, gibt die Anwesenheit der Franzosen uns ein Gefühl der Sicherheit! Jenseits des Rheins sind große Unruhen in allen Städten, während wir vor diesen Schrecken bisher bewahrt blieben.

Besonders drückend liegt die Postsperre auf uns! Wir erhalten nur linksrheinische Zeitungen und unsere Zeitung geht auch nicht aus der Rheinprovinz heraus, - wir leben abgeschlossen, wie auf einer Insel! Seit zwei Monaten haben wir weder von Köln, noch Remscheid etwas von den Verwandten gehört. – Vorgestern erschien ein Mann von Metz, welchen Fritz gesandt hatte. Dieser teilte uns mit, daß mein Schwager zwei Wochen mit anderen Deutschen auf dem Fort Württemberg in Metz interniert war. Durch die Bemühung eines dankbaren Patienten erlangte er seine Freiheit wieder, aber kein Deutscher kann ferner in Metz leben! Der fananatische Haß der Franzosen zeigt sich jetzt ganz offen, die deutschen Geschäfte werden geplündert, die Standbilder der beiden Kaiser gestürzt und beschimpft! Kein Deutscher ist sicher vor Internierung, die nichtigsten Denunziationen genügen, um den Vorwand für Gefangennahme zu bilden. –

Das Neueste, was der fiese Kommandant „befahl“ ist: daß jede Person einen Paß mit Photographie haben muß! Es sind Tage bestimmt, an welchen, nach dem Alphabet der Namen, die Bevölkerung zum Photographen und auf das Rathaus, zum Unterschreiben des Passes kommen muß. Nun ist schon seit 3 Tagen eine wahre Völkerwanderung im Gang, die Leute sind empört über den Zeit- und Geldverlust, müssen sich aber fügen! Da kein Güterverkehr über den Rhein stattfindet, stehen wir in laufenden Nöten wegen Mangel an Zeitungspapier, möglicherweise muß die Zeitung auf buntes Papier gedruckt werden, wie dies schon viele Blätter taten!

Unser armer Junge schreibt immer noch um „Lebensmittel“ und „Esswaren“, was uns beweist, daß diese erbärmlichen Feinde die Gefangenen nicht ausreichend beköstigen! Unsere Sendungen durch das rote Kreuz kommen wohl an, aber die Hälfte des Inhalts ist gestohlen. Auch meine mühsam zusammengesparten Pakete kommen nur zur Hälfte an – es ist traurig! --- ---

Die National-Versammlung soll nun Mitte Januar stattfinden und zum ersten Male sollen auch Frauen wählen! Gott gebe, daß wir keine „rote“ Regierung bekommen, sonst ist Alles verloren! --- --- ---

Tags

Kommentare

20:24 08.09.2010
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

Kommentieren


Nur für registrierte User.

Schatten Offline

Mitglied seit: 11.08.2010
DE mehr...
Wirklich beenden?
Ja | Nein

1918-12-22 hh:mm