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Tagebuch Sayu
2007-12-19 16:38
Nun ist es schon ein Jahr....
. . . seit du einfach nicht mehr da bist.
Seit du tot bist.

Als ich gestern ins Bett ging, lag ich noch lange wach. In meinem Bauch krampfte sich alles zusammen, sobald ich an heute , den 19. Dezember, dachte. Den Tag an dem du gestorben bist Opa.
Heute vor genau einem Jahr.

Es macht mir Angst. Ich fürchtete mich vor diesem Tag. Diesem unglücklichen Tag.
Hier, so weit weg von meiner Familie, habe ich Angst, dass wieder ein Unglück über uns hereinbricht. Dieser Tag ist mit Unglück aufgeladen...ich meine es tief in mir zu fühlen.
Aber ich bin wahrscheinlich abergläubisch. Und einfach traurig.

Ich erinnere mich noch so gut an heute vor genau einem Jahr. Es war kurz vor meinem Abitur...und noch kürzer vor Weihnachten.
Am Abend zuvor war mein Onkel zu uns nach Hause gekommen mit der schlechtesten aller Nachrichten. Die Ärzte gaben dir keine Woche mehr zu leben.
Es war als hätte mir jemand in den Magen geboxt. Kaum hatte mein Onkel ausgesprochen, rollten mir schon die ersten Tränen über die Wangen.
Es konnte doch nicht sein ! Wieso?
Damit hatte ich nicht gerechnet. Keiner hatte damit gerechnet.
Ich fürchtete mich vor diesem schrecklichen letzten Besuch im Krankenhaus. Wenn man genau weiß, man sieht jemanden niemals...niemals wieder.

In dieser Nacht schlief meine Mutter bei mir im Bett. Ich hatte ohnehin mit meinen Panikattacken zu kämpfen und schlief schlecht. Und gerade in dieser Nacht konnte ich nicht alleine sein.
Obwohl ich doch so groß bin. Obwohl ich erwachsen bin, Opa ! Ist das nicht lächerlich? Ich wollte einfach nicht alleine im Dunkeln sein und daran denken müssen, wie du stirbst. Ich wusste , wenn ich aufwachte, würde ich dich zum letzten Mal sehen.

Doch ich hatte mich geirrt.
Ich sah dich nicht mehr.

Mein Wecker klingelte um sechs. Ich war apathisch. Meine Augen im Spiegel waren leer, wie aus Glas.
Ich hatte eine Klausur zu schreiben und wusste einfach nicht wie ich das nur anstellen sollte. Mein Kopf war wie leergefegt.
Als ich mich angezogen hatte - ich weiß noch, ich trug meinen pinken Glückspulli, der immer so kratzt - kam meine Mutter ins Zimmer und stellte sich hinter mich.
Ich sah ihr Gesicht im Spiegel. Und da wusste ich schon Bescheid.
"Dein Opa ist heute Nacht gestorben,"
Kaum hatte sie zu Ende gesprochen, nahm sie mich schon in den Arm.
Ich konnte es nicht glauben. Lange lange nicht.

Danach lief alles ab wie im Traum. Die Klausur.....das Abitur....Weihnachten.....alles war weit weit weg.

Wir fuhren zu meiner Oma. Vor der Tür hatten sich schon Freunde meines Opas versammelt. An ihren betroffenen Gesichtern sah ich, dass es also stimmte.
Du musstest wirklich tot sein.

Das Haus kam mir so groß und leer vor. Und beinahe glaubte ich, wenn ich ins Wohnzimmer komme, würde ich dich wie immer im Sessel sitzen sehen....die Füße ungeniert auf dem Wohnzimmertisch....und am Kreuzworträtsel lösen. Wie immer.
Aber du warst nicht da.

Stattdessen saß meine Oma ganz aufgelöst auf dem Sofa. Sie wirkte viel kleiner als sonst. Sie sah verloren aus in diesem Haus.
Es brach mir fast das Herz.

An diesem Tag habe ich geweint bis keine Tränen mehr in mir waren.

Wie konntest du einfach so gehen? So schnell ! Ich konnte dir nicht mal auf Wiedersehen sagen.
Du würdest mir nie zum Bestandenen Abi gratulieren. Du würdest mich nicht in dem traumhaft schönen Kleid sehen, das ich mir für den Ball ausgesucht hatte. Du würdest mir nicht raten können, was ich studieren soll. Du würdest mir nicht viel Glück wünschen vor den Prüfungen.
Du würdest nicht Weihnachten mit uns feiern.

Dabei....hatte ich nie geglaubt, dass du mal sterben würdest. Du warst doch immer da !
Ich höre doch immernoch deine Stimme, immer wenn du mir die Tür geöffnet hast. Du hast gelächelt und deine Augen wurden dabei ganz schmal. Und du sagtest " Hallo mein Star ! "
Niemand außer dir hat mich "Star" genannt.
Die anderen fanden meine Schauspielträume kindisch und taten ihr bestes mir alles auszureden.
Für dich war ich immer ein Star.
Ich danke dir so sehr dafür.

Am Morgen meiner ersten Abiturprüfung war ich aufgelöst. Ich hatte nicht geschlafen und war verzweifelt.
Aus einem Gefühl heraus öffenete ich morgens mein Fenster uns sah in den dunklen Himmel. In Gedanken bat ich dich um Hilfe. Um Glück. Um ein Zeichen, dass du da bist. NIcht völlig verschwunden.
Und dann....kaum dass ich den Gedanken zu Ende gedacht hatte...war da eine Sternschnuppe. Kaum länger als einen Herzschlag war sie zu sehen. Vielleicht habe ich sie mir auch eingebildet.
Aber in mir drin habe ich gefühlt, dass du da bist. Und etwas anderes war mir gar nicht wichtig.

Und siehe da....ich habe das Abi doch ganz gut hinter mich gebracht, Opa. Es ist alles gutgegangen. Und komischerweise ist das Leben weitergegangen. Ich weiß nicht ob du weißt, wie es mir im Augenblick geht.
Ob du weißt, dass ich studiere. Wahrscheinlich werde ich keine Schauspielerin. Aber wer weiß...
Mittlerweile glaube ich an Wunder, Opa. Und an mich selbst.
Ich bereue nichts. Und ich glaube ich bin auf dem richtigen Weg.
Aber du fehlst mir so.
Du fehlst mir ganz entsetzlich.
Uns allen.

Ich war heute im Dom und habe eine Kerze für dich angezündet und dabei ganz fest an dich gedacht.
Ich habe geweint. Und mir war es egal.
Ich hab mich plötzlich so alleine gefühlt. Ich allein in diesem dunklen, steinernen Dom. Heute hätte ich jemanden gebraucht, der mir durchs Haar streicht , mich in den Arm nimmt und mir sagt , dass alles gut wird.
Aber ich werde es keiner meiner Freundinnen sagen. Du kennst mich ja. Ich habe so meine Probleme damit, Schwäche zu zeigen.
Heute werde ich alleine im Bett schlafen. Mama wird mir heute nicht über meine Trauer hinweghelfen. Und ich werde sie auch nicht anrufen.
Ich glaube, ich muss da diesesmal einfach alleine durch.

Es fällt mir noch schwer meinen Weg selbst zu wählen und ihn zu gehen. Ich schaue sehr oft zurück und weine über die Vergangenheit.
Bitte hilf mir stark zu sein und zuversichtlich nach vorne zu blicken. Du bist jetzt ein Engel , Opa.
Bitte sei ein Schutzengel für mich. Für uns alle. Für Omi, die dich immernoch so abgöttisch liebt.
Sie ist stark, Opa. Aber das weißt du ja. Deswegen hast du sie geheiratet. Sie gibt nicht auf und macht weiter. Für uns, ihre Familie.
Und ich will auch nicht aufgeben.
Ich will sehen, dass ich für dich einem Star würdig bleibe.
Ich will stark sein.

Ich hab dich lieb, Opa.
Frohe Weihnachten...

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Kommentare

08:46 20.12.2007
hmmm, und obwohl ich deinen opa nicht kannte, stehen mir grad tränen in den augen...
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
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