Neue Ziele
Mein trauriges Frühteenagerdasein änderte sich an meinem 14. Geburtstag grundlegend. Aus purem Zufall.
Durch das Geburtstagsgeschenk meiner Oma.

Sie hatte mir einen Musicalbesuch geschenkt. Mit dem Bus sollte es nach Bochum in Starlight Express gehen. Oma meinte sie hätte gehört, dass das etwas "ganz Tolles für so junge Mädchen" sei.

Ich heuchelte eigentlich nur aus Freundlichkeit Freude.
Naja wer weiß.
Vielleicht hätte ich mich gefreut, wäre mein Hirn nicht ganz und gar von der schrecklichen Vorstellung besessen gewesen, dass es peinlich werden würde, sollten meine "Freunde" herausfinden, dass ich mit meiner Oma wegfuhr.
Deshalb erzählte ich allen nur das Allernötigste.

Die Busfahrt nach Bochum war schrecklich lang. Drei Stunden saß ich neben meiner Oma in einem Bus voller quasselnder Frauen. Irgendein Frauenturnclub fuhr da geschlossen mit.
Ich glaube, dass ich mich ziemlich gleichgültig gegeben habe.

In der "Lobby" vom Musicalgebäude war es brechend voll. Überall wuselten Menschen herum. Oma quetschte sich durch die Menge um unsere Jacken an der Garderobe abzugeben. Und ich schaute mich derweil um.
Ein paar Figuren standen herum und alles in allem fand ich die Deko eher lächerlich.
Bis mir auf einmal ein goldener Schriftzug an einer Wand mir gegenüber auffiel. Ich weiß heute noch nicht wieso, aber der Satz hat etwas in mir bewegt.

In goldenen Buchstaben stand da:

"Nur du allein hast die Kraft tief in dir."

Und auf einmal war ich wie verzaubert. Ich weiß nicht, ich fühlte mich wie....als ob die Worte für mich allein dort hingeschrieben worden wären.
Ich weiß, dass das albern ist.
Aber ich war 14 Jahre. Gerade erst geworden. In diesem Alter sollte man doch eigentlich den ganzen Kopf voller Träume haben.
Bis dahin hatte ich keine.

Und mit einem Mal hatte ich eine ganz andere Sichtweise. Ich war gespannt.

Als die ersten Takte der Musik gespielt wurden, fühlte ich wie mir Tränen in die Augen schossen und mir die Wange herunterliefen.
Ich war total ergriffen. Es war wie in einem Traum.
So viel Fantasie und Träumerei...und Romantik...und überhaupt...Idealismus auf einem Haufen.
Dabei hatte ich mir so lange schon versucht in den Kopf zu hämmern, dass man soetwas aufgeben sollte. Dass man cool und hart sein müsse. Weil man sonst verletzt wird.
Dass es keine Wunder gibt.

Dieser Zauber ließ mich auch nach dem Musical nicht los. In meinem Kopf hörte ich die Melodie weiter und versuchte mir alles einzuprägen so gut es ging.
Alles um mich herum hatte einen ganz neuen Wert bekommen. Vor allem aber ich selber.

"Nur du allein hast die Kraft tief in dir"

So allmählich begriff ich, dass hinter diesen Worten wirklich etwas steckte. Was hatte ich mich selbst bedauert ! Wie hatte ich all die anderen fiesen Menschen verurteilt ! Wie hatte ich mein Schicksal verflucht !
Dabei ...lag es doch nur an mir.
Die anderen waren wie sie waren, weil ich es mir gefallen ließ. Mein Schicksal war wie es war, weil ich passiv war. Weil ich mich nichts traute, mich zurückzog, mich als Opfer betrachtete.
Dabei....hatte ich so viel zu geben. Ich war doch mehr als eine schweigsame Hülle, die alles klaglos über sich ergehen lässt. Ich war doch jemand !

Vor allem aber hatte ich plötzlich einen Traum. Was würde ich dafür geben auch einmal so schön, bejubelt und faszinierend im Scheinwerferlicht zu stehen !
Zu singen , zu tanzen und eine so unglaubliche Botschaft in die Welt zu schicken, wie ich sie erlebt hatte.
Wie gerne wäre ich Teil eines solchen Wunders gewesen.

Und ich nahm mir fest vor eines Tages Musicaldarstellerin zu werden. Vor allem aber hatte ich in mir die Gewissheit, dass ich es schaffen konnte. Wenn ich es nur genug wollte.

Auf einmal war die Gegenwart erträglich. Denn ich wusste, dass ich eine strahlende Zukunft haben konnte. Und ich wollte jeden Tag bereit dafür sein, dass sich mein Traum erfüllen konnte.