Manche Tage...
....sind so richtiger Schrott.
Vorspulen bitte....

Ich werde zwar langsam wieder gesund, zumindest sind meine Augen nicht mehr ganz so verklebt, wenn ich morgens aufwache, aber was so geschieht ist einfach großer großer Mist.

Klar fühlt man sich nach drei Tagen Einzelhaft zu Hause nicht grade wie der Held.
Aber diese kleinen fiesen Extras obendrauf...die könnt man mir doch bitte ersparen.

Es klingelt.
Ich gehe ans Fenster um zu sehen, wer da ist, als ich schon sehe wie sich das Hoftor öffnet und die vorderen Räder von Omas Rollator in den Hof gefahren kommen.
Wie fast jeden Tag.

Nichts dagegen zu sagen...ist ja im Grunde toll, wenn die Omi zu Besuch kommt.
Wäre da nicht immer das gleiche Spiel.
Sie möchte Kaffee.
Während ich die Kaffeemaschine einrichte, läuft sie kommentarlos aus der Küche.
Ich höre ihre Schritte im Wohnzimmer.
Die Schranktür quietscht kurz. Gläser klirren. Verschlüsse von diversen Schnapsflaschen werden aufgedreht.
Die Schranktür klappt zu.

Und das Schlimmste ist, dass sie glaubt ich würde es nicht merken.

Sie kommt dann wieder in die Küche, lässt sich ne Kaffeetasse reichen, sieht mir in die Augen und lächelt mich an.
Dann setzt sie sich und erzählt ganz normal mit mir.

Wie oft wollte ich was sagen....wie oft wollte ich ihr nachlaufen....aber ich kann nicht.
Das tut so unglaublich weh.

Ich will das nicht sehen.
Ich will nicht sehen wie meine Oma heimlich trinkt.
Es ekelt mich so an.
Es ekelt jeden an, aber keiner traut sich was zu sagen.

Das Schlimmste ist...sie traut sich das nur, wenn mein Bruder oder ich da sind. Wenn meine Eltern da sind, traut sie sich nicht an den Schrank.
Aber meine Eltern ergreifen grundsätzlich die Flucht, wenn Oma kommt.

Jetzt hock ich da heute zu Hause...immernoch ziemlich fertig und krank.
Und Oma kommt...
Papa kommt vom arbeiten. Kurz wird ein bisschen in der Küche geplaudert. Dann gehen Mama und Papa in den Garten und werkeln alibimäßig irgendwo rum, ich hocke mich halt zu Oma in die Küche.
Was bleibt mir denn übrig. Man kann ja Besuch nicht einfach alleine hocken lassen.
Und darauf verlassen sich meine Eltern wohl auch ganz blind.
Sayu ist ja da, die kann sich ja um die Oma kümmern. Is klar.
Dass mir das zu schaffen macht, interessiert keinen.

Auf einmal kommt Mama aus dem Bad. Sie hat Lippenstift benutzt.
"Gehst du wohin?" frag ich sie.
"Ja, Papa und ich gehen spazieren."

Fein. Echt schön.
Ist ja auch wirklich ganz die feine Art einfach spazieren zu gehen, wenn jemand da ist.
Vor allem wenn es Oma ist.
Vor allem, wenn sie mich dann mit ihr alleine lassen müssen.

"Ihr hättet mich wenigstens mal fragen können...." sage ich.
Da tobt Papa schon fast.
"Das ganze Jahr willst du nicht mitkommen! Und jetzt auf einmal...!"

Seine übertriebene Reaktion zeigt mir schon, dass ihm ganz klar ist, dass das grade nicht so toll ist.
Aber Papa konnte sich solchen Problemen noch nie stellen.

Wenn die Kacke am dampfen ist, flüchtet er immer.
War schon damals so, als ich diesen...Freund...hatte....

Naja.

Sie gehen.
Und ich muss kurz um Fassung ringen.
In der Zwischenzeit macht Oma sich wieder in Richtung Schrank auf.
Die üblichen Geräusche...und ein paar Augenblicke später steht sie wieder in der Küche als sei nichts gewesen.

"Sag mal...meinst du ich merke das nicht? Dass du jedes Mal an den Schrank gehst und trinkst?" bringe ich fertig zu sagen.
Aber ich kann sie dabei nicht ansehen.

"Aber ich hab doch gar nichts getrunken." sagt sie nach einer kurzen Pause.

Und dann merke ich, dass ich das jetzt wieder nicht durchhalten kann.
Ich will so gerne mit ihr reden, sie anschreien...was auch immer.
Ich kann einfach nicht.
Ich fange an zu heulen.

Und Oma geht einfach.
Sie sieht mich weinen....und geht.
Kein einziges Wort äußert sie zu der Sache mehr.

Morgen wird sie so tun als sei nichts gewesen.
So wie alle.