Meine ruhigen Schreibvormittage bei Fabian zu Hause scheinen ernstlich in Gefahr zu sein. Seine verschrobene Oma möchte sich glaube ich mit mir anfreunden.

Die Gute besitzt eine leidenschaftliche Abneigung gegen ihr Hörgerät, was Konversation extremst erschwert.

Nun also.

Es ist 11 Uhr am Vormittag. Ich döse noch gemächlich in Fabians Bett, bevor ich wie immer aufstehen, mich ins Badezimmer zurückziehen, mir einen Kaffee machen und mich an die Hausarbeit setzen will bis Fabian nach Hause kommt.

Doch heute nicht.

Um kurz nach elf klopft es an die Tür. Normalerweise klopft es nicht. Fabian und seine Mama sind arbeiten, sein Dad sieht oben fern oder arbeitet im Garten und nur ab und zu hört man den Stock der Oma durch den Flur stöckeln.

Aber heute klopft es. Und ich weiß nicht, was ich tun soll. Noch bevor ich es weiß, öffnet sich die Tür. Und die Oma lugt ins Zimmer, wo sie mich, zerzaust, verschlafen und in Fabians T-Shirt in seinem Bett sitzen sieht.

"Saaayuuuu? Willst du wasss mit mir esssssn?" Sie nuschelt und zieht manche Worte in die Länge und ich verstehe sie oft schlecht.

Ist ja alles lieb gemeint, aber die alte Dame kocht ganz furchtbar. Der "Duft" aus der Küche, der sich bereits im Zimmer breit macht, riecht entsetzlich nach Zwiebeln und gebratenem Fett. Und ich hasse Zwiebeln wie die Pest.

Höflich antworte ich: "Nein danke, ich habe noch keinen Hunger..." Und natürlich versteht mich die Omi nicht.

"Komm dann jetzt..." sagt sie einfach und lässt die Tür offen stehen. Mein verzweifeltes Gesicht hätte ich gerne gesehen.

Was blieb mir also übrig. Ich zog mich an und schlurfte in die Küche. Es gab chinesische Fertignudeln. Keine Ahnung wie man ein Fertiggericht so zerstören kann. Eine extra Überdosis Öl und extra Zwiebeln, die noch gar nicht richtig durch sind, also so wie Zwiebeln grundsätzlich immer am schlimmsten sind: ziemlich roh.

Ich will mir ein winziges Anstandshäppchen auf den Teller laden, da packt mich die Oma am Oberarm "Nichhht so schüccchhhtern...", nimmt mir den Löffel aus der Hand und läd mir noch nen feinen Haufen auf.

Tapfer schaufle ich mir Gabel für Gabel in den Mund und versuche die rohen Zwiebeln auszusparen. Und ich bemühe  mich nicht hinzusehen wie der Omi das Essen wieder aus dem Mund fällt.

Und es tut mir auch gleichzeitig unglaublich leid, dass ich mich so ekle. Immerhin hat die Omi es ja nur gut gemeint. Irgendwie.

Obwohl die ganze Aktion eigentlich einfach nur ein Ärgernis für ihre Tochter sein soll.

"Weißt du...die Ingrid (Fabians Mom) will eigentlich nicht, dass ich mittags koche, weil sie abends was machen will..." flüstert sie mir verschwörerisch zu und lacht über ihre eigene Gewieftheit.

Dabei hat das guten Grund, wenn die ganze Familie erst nach Feierabend zusammen ist.

Fabians Mom wird sich wieder ärgern, weil die Oma wieder ein Fertiggericht verdorben hat...

Hm.

Ich habe ein paar Happen gegessen, gelogen es würde lecker schmecken und meinen Teller abgeräumt.

Das hab ich nun davon, dass ich immer so nett zur Omi sein will. Eigentlich ist sie ziemlich schwierig. Verweigert absichtlich ihr Hörgerät...und tut grundsätzlich immer genau das, wovon man sie gebeten hat es nicht zu tun. Macht sich grundsätzlich immer das zu essen, was für irgendjemand anderen bestimmt war und wovon sie Kenntnis hatte.

Die ganze Familie ist schon ziemlich lange ziemlich genervt davon. Und mir tut es meistens doch irgendwie leid, dass sie so barsch zu der Oma sind.

Aber jetzt werde ich vielleicht jeden ruhigen Schreibvormittag bei Fabian von der Oma zum Essen genötigt. Und ein voller Magen studiert halt mal nicht gern. Und wenn der Magen voller Zwiebeln und sowas ist, erst recht nicht. Dann gehts dem Magen nämlich nicht gut und das Gehirn wird nur darüber nachdenken wie es dem Magen geht...

Aber wenn ich Fabian darum bitte irgendwie zu erwirken, dass die Oma das lässt, dann wird die Oma bestimmt auf ganz barsche Weise erfahren, dass ich ihr Essen nicht mag und meine Ruhe will.

Vielleicht verstecke ich mich das nächste Mal in Fabians Schrank...