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Tagebuch Rynnertau
2005-04-27 23:47
Vom wollen und können

Es gibt Tage, so wie der heutige es war, da prüft mich mein innerer Schweinehund arg(... Tschuldige Liebling, ich mein’ nicht Dich).

Heute beim täglichen Joggen, einmal Schützenhaus – Kiesgrube und zurück, kamen mir, bei strömendem prasselndem Regen, die tollsten Gedanken.

Nein, nein. Keine lohnenden und wohltunenden Eingebungen, oder geldbringende Geistesblitze... unsinnige Gefühlsduseleien und noch sinnlosere Gedanken über „Wollen und dürfen“.

Ich bin sicher das jeder diese Gefühle kennt, wenn man etwas tut... möglichst öffentlich... und dabei Gefühle verspürt, die einen nicht nur hemmen, sondern rasend machen können – bis man schließlich aufgibt und es bleiben lässt.

„Darf ich das?“ – „Macht MAN das SO?“ – „Mache ich das auch RICHTIG?“ etc.

Ein ständiger Konflikt, eingeimpft schon in frühester Jugend, im Kindergarten oder noch früher, wenn man sein Butterbrot nicht auf dem Boden, sondern am Tisch essen SOLL.
Wenn man statt Kakao einen Fruchtsaft trinken SOLL, weil das ja so gesund ist... nicht was man WILL... was man SOLL, immer.

Bei allem was wir tun, egal ob banales oder komplexes Tun, schwebt dieses Damoklesschwert über unserem Kopf und droht herabzufallen... was der Schaden sein soll?
Peinlichkeit, Lächerlichkeit, Gesetzeskonflikte, Hohn und Spott... all die Dinge, die uns auch in frühester Jugend eingeimpft und erfolgreich als Strafe angewandt werden.

„Kuck mal... der Fette da! HaHaHa“ ... wa-rum? Was ist an Dicken lustig, was ist daran FÜR MICH schlecht, dass ich dagegen kämpfen müsste, indem ich andere erniedrige?
Wenn ich jemanden auslache, erniedrige ich ihn, wenn ich jemanden erniedrige, kämpfe ich gegen ihn, Kampf ist Krieg, Krieg begründet sich durch eine Gegenwehr... nur, mit was attackiert mich der „Feind“ denn nur?

Wer sich dick wohl fühlt, soll es bleiben.
Ob er daran stirbt oder nicht, dass kann mir egal sein.
Wenn er dünn werden will, soll er es tun.
Schafft er es nicht... was geht mich das an?

Genauso andersherum... denn was ich von mir erwarte, erwarte ich auch von meinem Umfeld, oder ich betrachte es als Aggression mir gegenüber.

WENN ich laufe, autofahre, einkaufe, meine Frau küsse, schlafe, mich einkleide... dann geht das keinen etwas an. Die Bestätigung von anderen oder deren Kritik BRINGT mir nichts.

Diese Erkenntnis muss reifen und muss trainiert, stetig und immer eingeübt werden.
Denn ebenso emsig und stet bläuen sie uns diejenigen immer wieder ein, die unser Leben eigentlich leben.... das sind = ALLE. Jeder und einfach alle.
Nur wir selbst nicht, ganz allein und mächtig.

Als ich anfing zu Laufen, noch zu meiner Bundlerszeit vor 2 Jahren, habe ich mich an „alle“ Anweisungen der unzähligen Ratgeber, Forscher und Sportler gehalten, die man nur finden kann... Internet macht’s ja möglich.

Grundlegend bin ich nach drei Richtlinien gelaufen:
1. es muss „schön“ (also athletisch, machtvoll, kraftvoll etc.) aussehen;
2. ich darf keine Schwächen zeigen, sondern muss hart wie Eisen sein;
3. Ich muss schnell sein, schneller als ich kann, damit es auch ja was bringt;

Ich haßte das Laufen, ich haßte die Welt, ich haßte den Bund, ich haßte letztlich mich, weil ich unfähig war diesen Anforderungen zu genügen.

Als ich meine AGA hinter mir hatte und ich in den Regulären Dienst eingeteilt wurde (vorerst als Funker), teilte ich mich bei einem Sportwettbewerb ein, der alle Vierteljahr innerhalb der Kasernen im näheren Umfeld abgehalten wurde.

Ich machte da mit und haßte es, haßte das Laufen, haßte alles und jeden, einschließlich mich.

So kam es denn, da kam eine Übung mit schwerverletzten Kameraden in schwerem Gelände (Steilhang), noch dazu unter feindlichem Beschuss. Es musste also schnell gehen.
Wie im Übungsplan vorgesehen wurde der Zugführer erschossen und wir mussten mehr oder weniger selbstständig, jeder für sich, die Verwundeten schnappen und zum Sammel- und SAR Punkt schleppen.
Dabei... weil ich in diesem Augenblick an NICHTS störendes dachte... dabei, konnte ich rennen und mich verausgaben bis zur Erschöpfung... 20min gestreckter Galopp mit nem schweren Typen auf dem Rücken.

In den folgenden 8 Monaten lief ich so frei und unbedacht, wie ich es noch nie gekonnt habe... die Leute waren mir egal, was sie dachten erstrecht wenn ich keuchend und fluchend an ihnen vorbeistürmte. Mein Ziel war mir egal, Hauptsache war mir, ich kam vorwärts... wenn ich die Runde nicht zuende lief, war es mir auch recht.
Ich ging fürderhin wenn ich gehen wollte und lief, wenn ich laufen wollte.

Heute, mit meinem Schatz zusammen, habe ich festgestellt, dass ich von IHR mehr lernen kann, als Sie je von mir.
Ich kann Ihr nur beibringen, wie sie sich für den Menschen am angenehmsten und lohnendsten verhält (z. B. damit Sie nicht vor ein Auto läuft).
Wenn ich aber SIE nachahme und studiere, erlange ich bei so vielem neue und bessere Erkenntnisse.
Zum Beispiel, wie läuft Sie? Wann läuft Sie... warum läuft Sie überhaupt?

Es geschieht also an Tagen wie heute, an denen es schüttet und ein eisiger Wind pfeift, mein Schatz sich über beides ärgert wenn Sie in Ruhe schnüffeln möchte, dass ich mich wieder kurzzeitig in die Zeit zurückversetzt fühle, als ich mich noch nicht um mich kümmerte.

Das war das heutige Schlüsselerlebnis und mehr spruchreifes ist heute auch nicht geschehen.

Vielleicht, wenn das einer gelesen hat und jener auch joggt, walkt... oder deutsch gesprochen „dauerläuft“, vielleicht hilft ihm der Gedankengang, wenn er ähnliche Probleme hat.

Das wollte ich schon immer mal loswerden.

Rynnertau

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Kommentare

03:20 01.05.2005
Wollen wir hoffen das alle die richtige Art und Weise zum Anpassen finden
Ich helf doch gern beim Nachdenken *g*

R
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unbekannt
19:05 28.04.2005
:)
Sag mal Rynnertau, liegt das Anpassen (zumindest im geringen Maße) nicht in der Natur aller Wesen? Du hast mich auf den Gedanken gebracht.


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