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Tagebuch Rynnertau
2005-02-24 00:16
Gesetz des Lebens
Er war ergraut und lauschte begierig. Obwohl er längst das Augenlicht verloren hatte, waren seine Ohren doch noch scharf, und das schwächste Geräusch drang zu der Intelligenz, die noch hinter seiner welken Stirn glimmte, aber nicht mehr auf die Dinge dieser Welt blickte.
Aha! Das war der Alpha, wie er mit schriller Stimme die Welpen ausschalt, während er sie puffte und mit der Nase stieß, weil ihr Spiel gar zu wild geworden war. Der Alpha war der Sohn einer alten Wölfin, welche seine Schwester war und jeher in den beiden nahestehenden Rudeln einherging. Diese enge Verwandtschaft band den Alpha schon als Welpen an ihn und das Rudel pflegte seine Schwäche.
Doch die Rudel mussten weiterziehen, der Winter würde schnell hereinziehen. Alle im Rudel waren zu aufgebracht und nervös, als das sie sich um den ergrauten, blinden, Wolf kümmerten, der allein, einsam und hilflos im Schnee lag.
Der weite Weg in den Westen wartete, der kurze Tag zögerte nicht und die Kälte forderte unerbittlich ihren steten Preis.
Das Leben rief die Wölfe, es rief ihre Pflichten des Lebens, nicht den Tod. Und er war dem Tode jetzt sehr nahe.
Der Gedanke daran flößte dem alten Wolf einen Augenblick lang Schrecken ein, und er streckte die schmerzenden, vereisten Pfoten aus, die zitternd über der mit Gras und Ästen gefüllten Mulde hin und her fuhren. Mit letzter Kraft seiner Muskeln und all seiner Sinne hatte er sich diese Mulde erarbeitet und verbrachte in ihr die Hälfte des Sommers.
Als er sich vergewissert hatte, das seine Mulde intakt, der Fleischvorrat an seinem Bauch noch vorhanden und es ihm keiner der nervösen Artgenossen entwenden konnte, sank er wieder nieder und lauschte weiter.
Seine Ohren drehten sich unaufhörlich, er erfasste jedes Detail und bedachte es penibel.

Der Alpha trat an seine Seite.
Er spürte die Schrittfolge auf dem gefrorenen Schnee, spürte mit seinen Tasthaaren den Luftzug seiner Bewegung und erfasste dabei seinen Geruch.
Er roch nach dem frischem Blut eines Rens und ihm lief das Wasser im Munde zusammen, als er sich das warme Blut dieses Tiers vorstellte.
Der Alpha legte etwas nieder, setzte sich und erwartete Antwort von ihm.
>Ja, mir geht es gut< deutete er.
>Sie ziehen jetzt los< - >Ja, ich weiß< - >Ich werde auch gehen< - >Das wirst du< - >Ist es gut?< - >Ja, es ist gut. Ich gehe auch fort< - >Weißt Du es?< - >Ja, es wird bald soweit sein< - >Mein Lieber, ich gehe nun< - >Ich bin müde... es ist gut

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2005-02-24 00:16