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Tagebuch Rynnertau
2005-01-30 23:13
Gedenken an einen Freund
Ich weiß es noch sehr genau, wie ich mich fühlte als meine erste Liebe starb. Und es war noch nicht einmal nötig, sondern schlicht aus "Platzmangel".
Damals war ich ein 12jähriger Junge, der sich bislang mit Fragen seiner Sexualität kaum groß beschäftigen musste... Mädchen, Mädchen und nochmal Mädchen.
Meine erste Freundin war sehr nett und ich hoffte das Sie mich auch weiterhin so lieben würde, wie ich Sie... leider kam mir da Ihr Gefühl in die Quere und das beendete dann unsere Freundschaft.
Warum auch nicht? Ich hätte es wohl auch so gemacht, an Ihrer Stelle.

So kam es dann, dass ich sehr traurig auf meinem Zimmer saß und meinem besten Freund, meinem Hund, von meinem Schmerz erzählte.
Ich hatte nie bemerkt wie einfühlsam er sein konnte, weil er uns sonst nur "Ärger" machte.
Tagelang war ich nicht richtig ansprechbar und verkroch mich tagsüber in mein Zimmer, zusammen mit Ihm, um zu reden.
Mag ja sein dass darin psychologisch irgendeine Relevanz hineingeheimnist werden kann, wie ich irgendwann zoosexuell wurde... in diesem Augenblick war Er aber nur mein Freund und Gesprächspartner.
Ich hatte nie das Gefühl er würde mich nicht verstehen oder ich bräuchte mir etwas einbilden, was nicht existent gewesen wäre.
In erster Linie war es nämlich Er der mir seine Nähe anbot, womit ich dann etwa eine Woche lang immer Nachmittags nach der Schule eng an Ihn gedrückt über meine Gedanken sprach.

Meine Eltern waren immer für mich da, ich hatte nie Sorgen oder war allein, aber Er war mein Gesprächspartner und er hörte mir ebenso zu, wie es meine Mutter getan hätte.
Viele sehen nun darin eine Einbildung, ich weiß jedoch was ich empfunden und gespührt habe... mehr kann und muss ich nicht sagen.

Am Ende dieser Trauerwoche gab ich Ihm zum Dank einen kleinen Kuss seitlich auf die Nase. Er erwiederte diesen mit einem Nasenstubser gegen meine Lippen... wie ich heute weiß ist das nichts besonderes unter Hunden, eher ein Symbol "Ich mag Dich; Du magst mich"... das war der Punkt an dem ich Ihn liebte.
Nicht körperlich oder was sich sonst Jemand in seiner verruchten Phantasie vorstellen mag... das lag mir zu diesem Zeitpunkt ferner denn je (zudem ich gar nicht wusste, dass es sowas ÜBERHAUPT geben kann).

Er war fortan mein Leben und ich sprach mit Ihm, wir begrüßten uns zärtlich und ich spührte bei jedem Kontakt seine Gefühle... so rein und ohne Hintergedanken, bedacht auf das Wohl des anderen.
Soetwas wollte ich auch sein: Eine Person die Ihre Gefühle teilt und sich WENN, dann gänzlich und richtig, um jemanden sorgt.

So vergingen zwei Jahre.
Mit der Zeit wurden wir sehr enge Freunde und ich erkannte an einem bloßen Blick seine Empfindungen und Wünsche.
Meine Eltern waren begeistert wie sehr er sich gewandelt hatte und wie "folgsam" er bei mir doch war... aber aggressiv war er zu allen Fremden, besonders wenn sie zu mir wollten.
Er verteidigte mich so sehr, dass es mir selbst schon unangenehm war.
Manchmal, wenn Er neben mir im Bett einschlief, dachte ich schon darüber nach ob dieses Verhalten von mir nicht etwas "unnatürlich" sei.
Es gab Zeiten da dachte ich darüber nach, ob es möglich wäre ihn zu lieben wie meine Freundin... aber zu dieser Erkenntnis kam ich eine Woche vor seinem Tod.

Ich habe mit einigen Menschen gesprochen, die ebenso lieben wie ich.
Meine Geschichte war etwas besonderes, aber nicht allzu selten das sie keiner kennt.
Viele Zoos scheinen durchaus auch homosexuelle Freundschaften zu pflegen... die Liebe ist heterosexuell, die Freundschaft bevorzugt homosexuell.
Vielleicht liegt es am menschlichen, oder doch am hundlichen Partner... ich weiß es nicht. Aber es ist in jedem Fall eine wirkliche Freundschaft.

Mein geliebter Freund starb am 15.02.1999, in einer Praxis eines Tierarztes... auf Geheiß meiner Eltern.
Angeblich weil er ein unheilbares Leiden hatte... wie ich später heraus fand, jedoch aus purer Platznot, da wir umzogen.

Ich war einen Tag unendlich wütend und zog mit leichtem Marschgepäch (damals nur ein BW Schlafsack und ein Rucksack) heimlich von dannen.
Als ich am folgenden Morgen nicht mehr im Haus war und ich nicht zur Schule erscheinen konnte, brachte man die Polizei ins Spiel.
Insgesamt war ich 3 Wochen auf Achse, davon eine Woche in einem alten Bahnhofshaus, das stillgelegt worden war.
Aufgegriffen wurde ich lediglich, weil ich die Torheit besaß zu meiner werten Schwester zu "flüchten".
Welche mich natürlich brühwarm verpfiff.

Aus dieser Situation ergab sich eine weitere Feindschaft... meine Schwester.
Sie fand auf meine Trauer nur eine Antwort: Du bist ja pervers.
Wie sie Hunderte fremde Menschen mir täglich entgegenwerfen, ohne Wissen oder überhaupt dem Drang die Hintergründe zu erforschen.
Das von meiner eigenen Schwester, die ich im Ernstfall aus Nordkorea oder der Hölle geholfen hätte... ich kann meinen Haß kaum bändigen.

Darauf folgte eine ekelerregende Zeit.
In der Schule wollten alle die Beweggründe meiner Flucht wissen, worauf ich dummerweise vom Elternproblem anfing.
Das machte die Runde zu den Lehrern und dann war der Mist am dampfen... meine Trauer hielt ganze 16 Monate ungemindert an.
Ich sprach fast nie, aß allein in meinem Raum, schaute mir seltsame Filme im Fernsehen an.
Bei dem Kindefilm "Black Beauty" musste ich derart weinen, dass meine Mutter bestürzt ins Zimmer kam.
Darauf musste ich zu einem Psychologen...

In einem Anfall von Solidarität erzählte ich ihm von meiner Neigung und meiner Liebe zu diesem zärtlichen gefühlvollen Lebewesen, das nichts weiter wollte als mich zu trösten.
Seine Antworten zeugten lediglich von der Kernaussage: "Das war nur ein Hund! Du bist verückt".
Anscheinend schien er meinen Eltern dann davon zu berichten. Denn eines Tages fragten mich beide sehr oft nach Bekanntschaften zu Mädchen und ob ich nicht mal eines "mitbringen" möge.
Wie eine Melone vom Supermarkt...

Heute habe ich einen Schrein gebaut, auf dem sein Bild steht... eines der einzigen Andenken an Ihn.
Ich denke jeden Tag mindestens einmal an Ihn, schon allein wenn ich meine Freundin und baldige Frau anschaue und Ihr zuhöre wenn Sie sich fröhlich mit Ihren Hobbys beschäftigt.
Ich wollte im ein Grab errichten, bis aber erst letztes Jahr zu einem symbolischen Grab gekommen.
Seine echten Gebeine wurden vernichtet... wie die jedes Haustiers, bei dem auf Aushändigung verzichtet wird.
Ich beerdigte seine lieblings Decke und eine Pfeife, auf die er gerne hörte.

Manchmal stehe ich vor Seinem Grab und die alten Tränen kommen mir in die Augen, als wäre er gerade erst gestorben.
Ich stelle mir sein Gesicht vor, die schönen Momente die wir erlebten und was er mir für schwere seelische Lasten abgenomen hat.
Er hat mir gezeigt das es nicht der Mensch allein ist, der lieben kann und zärtliche Gemeinschaft sucht... ich bin Ihm so dankbar dafür.
Manche würden für seinen Frieden beten.
Ich spreche zu Ihm und hoffe das meine Erinnerung das Einzige ist, was von Ihm noch übrig ist. Er hat seinen Frieden zu früh bekommen, aber er hat ihn sich, mit aller Ehre, vollauf verdient.

Ich wünschte mir eine Minute vor seinem Tod noch bei Ihm gewesen zu sein, Ihn zu verabschieden, wenn ich Ihn schon nicht retten konnte.
Welche Angst muss er empfunden haben, als er in einen fremden Raum geschleift wurde. Angvoll auf einen Behandlungstisch gehoben und dargeboten wurde, als Opferding.
Was muss dieses sensible Lebewesen für Angst gespührt haben, hat er am Ende gewusst was Ihm drohte?
Er erkannte jede Stimmung durch seine Sinne... er muss es gewusst haben.
Ob er sich gewehrt hat, als die Spritze zur Betäubung kam?
Hingerichtet zum Preis der Faulheit, ermordet um nicht im Weg zu stehen... warum war ich nur noch so jung, ich würde niemals eine solche Sinnlosigkeit auf mich nehemen.

Ich habe bis heute viele weitere Freunde getroffen, bin auch mit Pferden ins Gespräch und Freundschaft gekommen.
Alle haben mir bekundet, dass sie im Prinzip meine Gedanken und Gefühle kennen... aber nicht nachvollziehen könne, warum ich nach so langer Zeit noch an Ihn denken muss.
Es sind eben Ihre Welten, die sich anders darstellen als unsere... aber Anteilnahme ist etwas mit dem beide Seiten etwas anzufangen wissen.
Nur versteht mich ein Pferd seltsamerweise besser, was meine Liebe anbelangt; hingegen derer, die sich mir als Menschen zeigen.

Alle die von sich behaupten tierlieb zu sein, sollten erst anfangen in dem "Ding" Tier, eine Person, gleichwertig und würdevoll dem Menschen zu sehen... ehe sie anfangen vegetarisch oder mit Tierschutz aktiv zu werden.
Beides bringt dem Tier seine Würde nicht. Weder bringt es sie zurück, noch schafft es sie.
Meine Trauer ist mir beweis genug, der Würde dieses Freundes.
Jeden Tag an dem ich über seinen Tod trauere, ist seine Würde als Individuum gewahrt und hergestellt.

Wer wird mir vorhalten wollen jetzt in Erinnerung um Ihn und sein Ende zu weinen?
Mir wurde mein seeligster Freund genommen, all seine Eigenarten und Vorlieben die ich im Schlaf aufzählen kann, sind nicht mehr.

Ich kann im Moment nicht mehr schreiben... mir sind all die Gedanken wieder in den Sinn gekommen, die ich erfolgreich verdrängt glaubte.
Wenn ich jetzt weiterbohre, dann krieg ich mich nicht mehr ein.
Meine Gemahlin schaut auch schon ganz verwirrt, warum ich nahe den Tränen bin.

Ich werde vielleicht hiermit einen Schlußstrich unter die Ereignisse malen können... wenn ich es lange genug versuche.

N8

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trauer 

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