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Thursday, 28. March 2024
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Tagebuch Romreise
 1904-11-18 hh:mm
In den Raffael'schen Loggien

Freitag, 18. Nov. giengen wir in die Raffael'schen Loggien, es war mir ein wirklich genußreicher Vormittag. Ganz besonders gut gefallen mir die beiden Scenen: Auffindung des Moses und dann Rahel und Jakob am Brunnen. Reizend sind auch die Stuccaturen und sonstigen Dekorationen Malereien in den Loggien. Die Künstler ließen dabei ganz ihre Phantasie walten u. malten was ihnen gerade in den Sinn kam. So sieht man zwischen den von Undine gemalten Fruchtgirlanden kleine Scenen aus dem bürgerlichen Leben z.b. einen Maurer bei der Arbeit, Raffael selbst in seinem Studio bei der Arbeit, von einem großen Kreis von Schülern umgeben, dazwischen reizende Engelsputten, Vögel und Blumenornamente u.s.w.

Ich schreibe absichtlich viel von diesen eigentlich nebensächlichen Dingen über die so wunderschönen Scenen aus dem alten Testament, durch die die Loggien ihre Berühmtheit erlangt haben, kommt in so vielen Büchern, daß ich es mir schenken kann.

Am Nachmittag kamen wir zur "Privataudienz" beim Papst. Man geht in schwarzem Kleid und Schleier hin, Ida zog eine schwarzseidene Blouse von Anna dazu an, die ihr merkwürdiger Weise ganz gut paßte. Wir wurden in einen sehr schönen, ganz mit Teppichen belegten Saal geführt, wo wir, zusammen mit noch etwa 15 andern Leuten, meist Frauen, einige Zeit warten mußten. Im Nebenzimmer waren eine große Anzahl Geistliche und Mönche, die ebenfalls warteten. Das Ganze war sehr feierlich, manchen Gesichtern sah man an, welche Angst sie ausstanden, ähnlich wie ein Wartezimmer des Zahnarzts.

Der Papst kam, in Begleitung eines Monsignores herein, man bildete einen Kreis u. beim Eintritt des Papstes kniete alles nieder. Der Papst gab jedem die Hand zum Kusse. Ich kam mir, als wir da niederknieten sehr merkwürdig vor, doch fühlte ich mich wirklich ganz feierlich u. gerührt dabei zu Mute. Pius X. ist sehr sehr sympathisch aussehend, fein sind seine Gesichtszüge nicht, doch wie gesagt, riesig sympathisch.

Nachdem die Sache vorbei war, giengen wir noch in eine Messe in die Peterskirche. Die Beleuchtung an diesem Nachmittag war wunderbar, dazu der Pomp eines Hochamts, wundervolle Musik - ich war das erste mal von der Peterskirche begeistert und begriff alles, was über sie gesagt und gesprochen wurde. Die Messe wurde übrigens unter Beisein des Cardinal Rampolla gehalten. Es interessierte uns natürlich sehr, Rampolla zu sehen. Er ist eine famose imposante Erscheinung, in der schönen Kardinalstracht.

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