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Tagebuch rispe
2008-10-18 20:57
Trauern heißt Einsamkeit
Ein ereignisreicher Tag liegt hinter mir/ uns und es gab so viele Momente, die mir sehr unter die Haut gingen. Zuerst mußte ich Richtung alter Heimat fahren. Es galt mein Wochenendgrundstück winterfest zu machen und vor allem Papa zu besuchen. Das erste was ich allerdings mache, wenn ich in die alte Heimat fahre ist der Gang zum Friedhof. Mama ging schon zu Lebzeiten vor und hat es nicht verdient hinten an gestellt zu werden. Was ich da erlebte, zerriss mir fast das Herz:

Die Sonne schien auf die Gräber und der Friedhof schien menschenleer zu sein. Das war mein erster Eindruck. Ich ging in die Hocke am Grab meiner Mutter um die Platte zu berühren, denn über die Wange kann ich ihr ja nicht mehr streicheln. Da sah ich diesen alten Mann. Er saß auf einem Absatz neben einem Grab auf einem dicken Sitzkissen. Die Gefühle in mir explodierten. Dieses Bild gab so viel Traurigkeit wider. Wie er so da saß (vermutlich am Grabe seiner Frau), ihr nah sein wollte und seine ganze Zeit mitgebracht hatte. Das Sitzkissen ließ erahnen, dass er lange da hocken wollte. Es war so ein Sinnbild von Trauer und vor allem von Einsamkeit. Ich konnte die Tränen nicht zurückhalten, so leid tat mir dieses Bild. Dieses teilweise grausame Leben, dass den einen zurückläßt. Hätte ich gewußt was ich zu ihm sagen kann, dann wäre ich zu ihm, aber diesen stillen Moment durfte ich auch nicht entweihen. Es war sein Moment mit ihr.

Der Nachmittag war ruhig und schön. Völlig der Natur überlassen waren wir auf unserem Wochenendgrundstück mit meinem Papa. Meine Kleine Besuchte Freundinnen im nahegelegenen Ort. Die Zeit schien still zu stehen und der Herbst malte das Leben mit seiner Vergänglichkeit in allen Farben.

Am Abend jetzt war die "Sammel"-Messe in der Kirche. Liebevoll durchdacht war sie diesmal, anders als ich es an der Beerdigung erlebt habe, aber es ging ja auch vom Klinikum aus und war mit einem anderen Pfarrer besetzt. Wir alle sollten unsere Gefühle auf ein Stück Papier niederschreiben, die Worte, die wir gern den Verstorbenen sagen würden. Das war sehr schwer und meine Kleine und ich weinten dabei sehr. Es tat aber auch unwahrscheinlich gut, denn die Worte haben sich seit damals sehr geändert. Milder sind sie und es schwingt auch mehr Akzeptanz mit dem Fortgehen mit. Letztlich sollte man die kleien Zettel in eine Art Mauer stecken, es waren vielmehr aufgestellte Backsteine. An Ostern werden dann die Trauerzettel ins Osterfeuer geworfen und der Rauch symbolisiert unsere Gefühle, die den Verstorbenen zugeflüstert werden. Schön gedacht.

So saßen wir in der Reihe, mein Bruder (der mir Nahstehende) mit Frau und Baby, dass in der Babytrage schlief, meine Kleine und ich mit Baby-Bauch. So ist das Leben, dachte ich mir. Neues wird geboren und das Alte geht... Hartes Leben, aber Mama hätte dieser Kinderreichtum gefallen.

Das Heftige war, dass mein ältester Bruder und der zweitälteste nicht mal erschienen sind. Ich hätte das ganz ehrlich nicht erwartet, obwohl sich der älteste ja schon an der Beerdigung unmöglich benahm. Aber es war doch seine Mama die ihn liebte. Die uns Kindern immer so liebevoll gegenüber trat. Wieder einmal kam mir der Spruch des zweitälteren Bruders in den Sinn. Wenn jemand stirbt, dann ist der Tote wie gemähtes Gras. Es verrottet und da bleibt nichts von ihm und lebt nicht weiter.
Heißt das, dass man auch keine Erinnerungen mehr hat??? Dazu diente doch dieser Gottesdienst. Meiner Mutter zu Ehren, ein Treffen zu haben, dass wir gemeinsam an die Liebe die sie uns gab denken und ihr dafür danken...

Letztlich ist es egal, die Enttäuschung darüber ist relativ, ich denke nur nicht für meinen Vater.

Jetzt sitz ich da und bin ganz ruhig, traurig, aber auch sehr glücklich, denn ich hatte meine Mama und darauf bin ich echt stolz. So ein lieber Mensch hat mich geboren und ich durfte lang an ihrer Seite gehen.

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2008-10-18 20:57