Willkommen auf Tagtt!
Saturday, 20. April 2024
Tagebücher » rispe » News, Bilder, Videos - Online
Tagebuch rispe
2009-04-11 09:06
Erinnerungen
So, heute geht es ins Krankenhaus. Wenn ich Glück habe, dann leiten sie mich noch nicht ein, sondern lassen mir noch kurz Ruhe. Da ich ja so weit über Termin bin müssen sie aber die Gesundheit des Babys sicherstellen. Und da ja Wochenende inkl. Ostern ist, muss ich eben ins Krankenhaus. Natürlich ist es schade, dass es scheinbar nur durch die Einleitung losgeht, aber andererseits (man soll ja immer das Positive sehen) werde ich so alles vorher selbst organisieren können. Ich fahr selbst mit dem Auto rein, werde meine Kleine selbst zu meinen Freunden bringen, werde nach dem Krankenhausaufenthalt selbst heimfahren können. Somit hab ich mal wieder alles selbst in der Hand. Und wenn alles läuft wie, bei meiner Tochter, die ja auch eingeleitet wurde, dann wird es ein relativ normaler Geburtsverlauf. Scheint ein Osterkind zu werden der Zwerg. Und hat dann satte 2 Wochen vor meiner Großen Geburtstag.

Komisch ist das alles. Denk viel an Papa, aber irgendwie ist das alles auch noch nicht greifbar. Eigenartig ist es wie bei Mama, dass man nicht genau weiß ob er schon verbrannt ist, dass man die Leiche so einfach auf die Reise geschickt hat und gar nicht genau weiß, wo sie sich momentan befindet. Ich wünschte mir so sehr, dass er den Kleinen wenigstens noch einmal hätte sehen können. Aber das lag nicht in meiner Hand.

Als ich klein war, hat mich mein Papa immer überall mithingeschleift. Er war ja so stolz auf seine Tochter. Ich war bei allen möglichen Bauersfamilien der Gegend vertreten und wenn er am Wochenende vom Bau kam, dann hat er mir immer ein neues paar Fische für mein Aquarium mitgebracht. Er war sicher keine Person, die man als unauffällig oder gar angepaßt bezeichnen könnte. Vielmehr fiel er durch sein lautes Organ und seine Geschichten auf, die er immer zu erzählen hatte. Er wußte, wer mit wem verwandt ist bezogen auf das ganze Frankenland oder zumindest die gesamte Fränkische Schweiz. Entweder man liebte ihn oder haßte ihn, dazwischen war eigentlich nichts möglich. Als er 11 war, schmiss ihn seine Mutter raus (warum auch immer) und er kam bei seinem Onkel unter. Für ihn war dieser Mann ein guter Mensch, im Ort bei den Kindern beliebt und als Metzger und Großbauer bot er ihm ein recht gutes Heim. Wir als Kinder durften gar nicht viel dazu sagen, denn schließlich kannten wir den Großonkel kaum. Auch wenn wir uns seiner SS-Vergangenheit schämten und mehr davon wissen wollten. Wie konnte es sein, dass ein Mann der als einziger im gesamten Gebiet koscher schlachtete sich hinreißen ließ und plötzlich der SS betrat??? Viele Fragen konnten wir nie klären.

Mein Vater war in jungen Jahren ein Halodri und deswegen hatte er nicht nur 4 eheliche Kinder, sondern es gibt noch eine uneheliche Schwester und einen Bruder. Ich kenne sie nicht und hab auch kein Bedürfnis sie kennenzulernen.

Es gab in den letzten Jahren Abende, an denen wir bis spät in die Nacht zusammensaßen ein Bier nach dem nächsten kippten und echt Spass hatten. Ich will das nicht vergessen, will nicht an die anstrengende Zeit des letzten Jahres denken. Es war ja viel mehr, was unsere Vater-Tochter-Beziehung ausmachte.

Als wir bei meinem Vater am Todestag in der Wohnung waren, hing da eine Urkunde auf der die erfolgreiche Teilnahme an einem Motorsägenkurs bestätigt wurde. Mein Bruder und ich mußten lachen. Wie oft kam es vor, dass Papa Unfälle hatte. Einmal waren wir im Wald um Holz zu machen. Mein Bruder und ich fechteten mit Stecken. Papa schimpfte mit uns und währenddessen sägte er sich gemächlich ins Bein. Ich starrte geschockt aufs blutende Bein und er registrierte es nicht einmal. Daraufhin legten wir Kinder zusammen und spendierten ihm den Kurs. Ein anderes Mal sägte er sich beim Ausbau des oberen Stockwerks die Fingerkuppe ab. Ich saß im Wohnzimmer, mein Papa flitzte an mir vorbei, trug etwas - es war die Fingerkuppe - in der Hand und wollte zum Nachbarn rennen, ein Arzt. Meine Mama eilte mit ihrem Putzlappen hinterher, stets nur darauf bedacht, dass keine Blutflecken auf dem Teppich kommen würden.

Für meine Tochter machte Papa alles. Er baute ihr ein wunderschönes Spielhaus aus Holz mit Tür und Fensterläden, mit Bank und Tisch. Er zimmerte ihr eine Wippe und repparierte ihr jedes Spielzeug, dass wir vermutlich einfach weggeworfen hätten. Sie war einige Jahre fast jedes Wochenende bei ihnen und hatte bei ihren Großeltern ein schönes zweites Zuhause. Dort gab es Hühner und Tauben und Gänse. Es hatte was bäuerliches, das Aufwachsen dort.

Ich kann gar nicht recht glauben, dass das jetzt wirklich alles vorüber ist. Dass es nie mehr so sein wird.

Vieles war sicher auch schlecht und gar nicht schön. Mein Vater war ein jähzorniger Mensch, der auch vor Schlägen nicht zurückschreckte, aber ehrlichgesagt will ich diesen Part einfach ausklammern.

Es ist besser sich an die schönen Zeiten zu erinnern. Und die gab es in unserer großen Famile ohne Zweifel.
[Bild nicht gefunden]

Tags

Kommentare

08:18 12.04.2009
Ich hoffe, dass du deinen Sohn schon in den Armen hälst!!

Alles Gute und auch weiterhin soviel Stärke!!!
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

23:33 11.04.2009
oh, ein osterkind...wie schön...ich wünsch dir alles alles gute!
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

Kommentieren


Nur für registrierte User.

rispe Offline

Mitglied seit: 12.11.2005
46 Jahre, DE
Wirklich beenden?
Ja | Nein

2009-04-11 09:06