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Tagebuch Neith
2010-01-27 17:43
Allgemein

Tagebuch,

eigentlich bist du ein Witz, nicht zu vergleichen mit meinem echten Tagebuch. Die sind am Ende ihrer Zeit mit mir zerfleddert, zerschrieben, zermalen und doch von eigenartiger Schönheit; eines strahlen sie aus: sie wurden gebraucht, und wie.

Ich bin einsam auf eine ganz neue Art; so kannte ich das bisher nie. Ich fühle mich mit neuen Dingen konfrontiert, und habe keinen Schutzmechanismus mehr. Meine Prinzipien sind dahin. Das Kind, das ich damals war, sieht mich nur noch seltsam an, es sagt aber nichts. Und so stehe ich da; ich bin in diese Stadt studieren gekommen, um die Gemeinde des Herrn zu bauen, stattdessen rede ich mit Kommilitonen über Homosexualität und über Drogen. Das alles verwirrt mich, es macht mir Angst. Und in mir wie eine Konstante: meine alte Heimatstadt, die Geschwister dort, all die Menschen, die ich seit langem kenne, die mir vertraut sind. Und dann ... meine Großeltern, die wegziehen und die mich hier zurücklassen, meine Familie, die nach und nach zerfällt. Der Gedanke: wie gut es die anderen haben. Immer wieder dieser Gedanke. Habe ich nicht gedacht, ich hätte das längst hinter mir? Ich habe gedacht, es ist gut wie es ist: ich kann einen ganzen Monat lang easy sein, mit nur ein oder zwei Tagen Melancholie. Ach, und jetzt so ein Redebedürfnis: Es muss raus, raus aus mir, reden. Ich brauche Menschen, um es zu verstehen. Ich muss Schuldzuweisungen machen, um sie dann wieder auf mich zu richten.

Aber das Schlimme ist: Niemand redet mit mir. Ich habe einigen Leuten Emails geschickt: Nichts. Ich wollte mich aufheitern: Ich habe C. geschrieben, wir könnten doch unseren Geburtstag zusammenfeiern. Seit drei Tagen keine Meldung. Er wird mich komplett übergehen, scheint mir, wird nichtmal eine Antwortemail schreiben. Das finde ich so traurig. Haben mich die Leute aus der Heimat total vergessen? Bin ich so furchtbar für sie? Was  ist so schlimm daran, wenn ich sowas frage?

Ich will reden. In mir tut alles wieder weh. Ich will reden darüber, dass ich keine Familie habe, dass ich mich verlassen fühle, dass ich keine Heimat habe. Ich bin gerade eine Hülle. Ich stehe gerade mit dem Herrn vor einem Punkt, der idiotisch ist: Ich weiß, dass ich keine richtige Familie haben werde, nie. Ich weiß: Es gibt keinen Vater mehr, keinen anderen. Es wird keine männliche Person geben, die sich meiner annehmen wird. Und jetzt lebe ich in einer Frauenwelt in der Gemeinde; und es ist schrecklich.

 

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2010-01-27 17:43