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Tagebuch Necki
2006-04-16 12:08
Die Vermessung der Welt
Kehlmann, Daniel
Die Vermessung der Welt

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts machen sich zwei junge Deutsche an die Vermessung der Welt. Der eine, Alexander von Humboldt, kämpft sich durch Urwald und Steppe, befährt den Orinoko, kostet Gifte, zählt Kopfläuse, kriecht in Erdlöcher, besteigt Vulkane und begegnet Seeungeheuern und Menschenfressern. Der andere, der Mathematiker und Astronom Carl Friedrich Gauß, der sein Leben nicht ohne Frauen verbringen kann und doch in der Hochzeitsnacht aus dem Bett springt, um eine Formel zu notieren - er beweist auch im heimischen Göttingen, dass der Raum sich krümmt. Alt, berühmt und ein wenig sonderbar geworden, treffen sich die beiden 1828 in Berlin.

Ein paar Auszüge aus dem Buch:

...Das behindert nur, sagte Humboldt. Man heiratet, wenn man nichts Wesentliches im Leben vorhabe.
Werner starrte ihn an.
So werde behauptet, sagte Humbuldt schnell. Natürlich zu unrecht!
Ein unverheirateter Mann, sagte Werner, sei noch nie ein guter Neptunist gewesen.
Humboldt durchlief das Kurrikulum der Akadmie in einem Vierteljahr. Morgens war er sechs Stunden unter der Erde, nachmittags hörte er Vorlesungen, am Abend und die Hälfte der Nacht lernte er für den nächsten Tag. Freunde hatte er keine, und als sein Bruder ihn zu seiner Hochzeit einlud - er habe eine Frau gefunden, wie sie ihm gezieme, eine, die nicht ihresgleichen habe auf der Welt -, antwortete er höflich, dass er nicht kommen könnne, ihm fehle Zeit. Er kroch durch die niedrigsten Schächte, bis er sich an seine Platzangst gewöhnt hatte wie an einen nicht nachlassenden, allmählich jedoch erträglichen Schmerz. Er stellte Temperaturmessungen an: Je tiefer man hinabstieg, desto wärmer wurde es, und das widersprach allen Lehren Abraham Werners. Ihm fiel auf, dass es noch in der tiefsten Höhlendunkelheit Vegetationen gab. Das Leben schien nirgendwo aufzuhören, überall fand sich noch eine Form von Moos und Wucherung, irgendeine Art verkrümmter Gewächse. Sie waren ihm unheimlich, und darum zerlegte und untersuchte er sie, ordnete sie nach Klassen und schrieb eine Abhandlung darüber. Jahre später, als er ähnliche Pflanzen in der Höhle der Toten sah, war er vorbereitet...

...Er nahm einen Schluck Tee, verzog angewidert das Gesicht und stellte die Tasse so weit von sich, wie er konnte. Man denke, man bestimme sein Dasein selbst. Man erschaffe und entdecke, erwerbe Güter, finde Menschen, die man mehr liebe als sein Leben, zeuge Kinder, vielleicht kluge, vielleicht auch idiotische, sehe den Manschen, den man liebe, sterben, werde alt und dumm, erkranke und gehe unter die Erde. Man meine, man habe alles selbst entschieden...

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