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Tagebuch nachtsicht
2005-06-03 01:15
Fickticks!
Es ist immer das gleiche. Ich wache irgendwo auf und weiss es: Nicht geschafft. So wie ich aussehe, wars knapp. Überall Kotze, ein bisschen schwarzgetrocknetes Blut, alles stinkt nach Urin. Vor mir an der Klotür, steht so Scheisse wie überall. "Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum", "T liebt sonstwen" und der ganze Dreck. Selbst im Gästebuch vom Buchenwald- KZs hab ich vor ein paar Jahren sowas schon gelesen, da wurde mir so schlecht, dass ich mich am liebsten in einen Verbrennungsofen gelegt hätte, aber wir mussten los, die Züge warten ja nicht. Garnicht lange her, da fand ich mich auch wieder, am Ende einer Nacht, zwei leere Flaschen des brennensten Wodkas auf den Fliesen, mein von Bakterien zerfressener, widerwärtiger Körper dazwischen, und da dachte ich, nein, sowas machst du nicht noch mal, fast entsetzt, ich bin wie ein Aufgestandener herumgerannt, nachdem ich mich ja selbst ans Kreuz nageln wollte. Würde ich jetzt einfach liegen bleiben, dann kämen irgendwann Leute, vielleicht so eine kakerlakike Eineuro-Wischfrau, und würde die ganze Szene vielleicht für einen Unfall halten, und dann hätte sie die 112 angerufen, oder vorher bei der Feldbusch nach der Nummer fragen müssen. Ich hätte mich nicht um Erklärungen bemüht, im Krankenhaus. Pumpt meinen Magen aus, oder schafft mich in die Ausnüchterungszelle, in der neulich mal jemand gestorben ist, ein Schwarzer. Hatte ein Feuerzeug dabei, das wurde ihm nicht abgenommen, also: aufgerissene Matratze, auf der man dann angekettet ist, anzünden und alles leuchtet. Auch die Zigarette von dem Wichser, der draussen raucht, statt vorschriftsgemäß die Zelle per Videokamera zu überwachen. Er hat einen Nigger mit dem Tod begnadigt, und dann wurde er im Gefängnis gefickt, bis ihm das Hetero-Sperma aus den Augen kam. Ich glaube, die meisten von den Typen im Knast, die alles ficken, sind garnicht schwul. Ein Vegetarier wird nicht verhungern, wenn man ihn tagelang einsperrt in einem Raum mit einem (bis dahin) lebenden Schwein. Er wird es fressen, während das Vieh quiekt, und übrig bleiben nur ein Haufen Menschenscheisse und ein paar Knochen.

Gehirnfasching hiess das früher, wenn sich alles dreht. Nach dreißig Runden auf nem Karusell ist einem das aber auch verdammt egal und deshalb stört mich das kaum, weil ich mich sozusagen nicht gerade in einer Ausnahmesituation befinde, hier auf dem Boden, in der verschissensten Bahnhofstoilette die man sich vorstellen kann. Fehlt nur noch Musik von Wagner, die hat Hitler so gern gehabt, wegen de Dramatik. Statt dessen Stille, nur der Ich-Erzähler in meinem Kopf, dessen Vertrag ich nicht kündigen kann. Zweimal mit dem Hinterschädel gegen die Keramik-Schüssel. Dreimal. Viermal. Hilft nicht, tut aber gut, eine Portion selbstmitleidiger Zerstörungsversuche. Ich stinke zwar, ewig kann ich trotzdem nicht hier bleiben, das Leben geht weiter, ich krieche notgedrungen mit wie ein Insekt, das einen minutenlang nervt, und das man dann nicht einfach totschlägt, sondern dem man viel lieber nen Flügel herausreisst. Mengele-like. Und dann krüppelt das Ding, und irgendwann eben nicht mehr, und dann lässt man es liegen. Ich hasse ja die Leute, die ritzen. Weil das so unernst ist, fast so erbärmlich wie meine Art, mit den Geschehnissen umzugehen, oder sie zu umgehen. Man bräuchte eben Mut, und ich kann nicht schnell genug trinken. Es geht nicht. Schnell schnell runter damit, und wenn man dann denkt, ja, los, jetzt gehts ab(wärts), dann checkt man nichts mehr und fällt um und einem garnicht mehr ein, dass man getrunken hat um etwas zu erledigen Das eigene Leben nämlich.

Mühsam aufgerappelt, keineswegs aufgepeppelt stehe ich da, Griff nach der Türklinke, einmal daneben, dann geht sie auf und ich raus aus der Kabine. Klingt nach Schiff, stinkt nach Schiffe. Muss von aussen so aussehen als würde ich auf beiden Beinen humpeln, wie dieses biologische Abfallprodukt, klarer Fall: grüner Punkt, nach draussen geht, und es ist doch schon irgendwie morgentlich. Diese Klarheit, die noch nicht veratmet wurde von den vielen gut programmierten Maschinen. Ich wäre auch gern eine, hat nicht funktioniert bei, Fehler, ich hätte alles dafür getan, nicht nachzudenken zu müssen, oder es richtig zu können, so, dass die Schlussfolgerung kein bloßes NEIN ist. Punk minus alles. Ohne Gemeinschaftsgefühl, ohne Meinung, keine Demonstration, ausser der, dass es auch Menschen gibt, die Hass wirklich verdient haben. Also, vor mir Bahngleise. Ich werfe mich vor einen Zug, aber er kommt nicht.

Wenn ichs nicht aufgesetzt fände zu heulen, dann könnte man mich vielleicht jetzt sehen, wie ich geschlagen, aber noch nicht tot, so wie die Fliege ohne Flügel, alles versuche, was ich kann, und das ist verdammt nochmal bestimmt nicht viel. Und dass ich in so nem Zustand sogar noch an das Wort "Konjunktiv" denke, dass ich vielleicht mehr "gekonnt hätte", das ist wirklich unrühmlich. "Meine" Frau kommt mir ins Bewusstsein, Jasmin. Hätte alles getan, um sie glücklicher zu machen. Ging nicht. Sie war die einzige, die ich jemals. Aber naja, sie hat immer noch an jemand anderen gedacht. Und sowas sieht man halt. Aber drauf geschissen, auf Langweilerstories beim Kaffeetrinken ohne Ralf Morgenstern ("Blond am Freitag"), dafür mit dem Verderben. Fuck, ich rede mich immer weiter rein in die Gewöhnlichkeit. Weg damit. Etwas besonderes muss man wenigstens sein, egal ob besonders widerlich oder was anderes. Anthony Robbins, der erfolgreichste Personal Coach, dem Agassi die Zurückeroberung der Weltspitze und Michel Crichton das Buch "Jurassic Park" zu verdanken hat, der hat mal gesagt, dass der Wunsch, etwas Besonderes, jemand von Bedeutung zu sein, eines der sechs menschlichen Grundbedürfnisse ist, neben Liebe, Wachstum, Sicherheit, Abwechslung und gesellschaftlichem Beitrag. Bei allen Punkten habe ich versagt. Ein Vater, der sein Kind ins Heim gibt. Ein Mensch, der sein einziges Versprechen bricht. Ein Unmensch, überflüssige Ressourcenvernichtung.

Viele gebildete Menschen neigen zur Fremdanekdotenerzählung, zum Zitieren, weil sie eingesehen haben: einige haben Dinge besser gemacht, als man es jemals könnten. Ich neige nur dazu, weil ich selbst nichts erlebe. Blick in den Spiegel der nullten Dimension. Wenn jemand diesen Scheiss, den ich denke, hören könnte, ich würde mich schämen für alles pseudointellektuelle, und dafür, dass ich das Wort pseudo tatsächlich benutzt habe, und intellektuell im Zusammenhang mit mir. Meine Augen sind nass. Keine Tränen, nur Wasser. Zwei Euro in der Tasche gefunden, ein Automat mit Erdnüssen und zum Glück auch Bierdosen. Rein, drücken, rausnehmen, schlucken.

Das Grausamste ist wohl, weder Mut zum Ertragen zu haben, noch den zum logischen Nichtertragenmüssen. Schwebend unwirksames Dasein, quälend wirksam. Die Bierdose sorgfältig im Mülleimer entsorgen. Weg gehen, den Weg gehen durch die Stadt. Mehrere Aktentaschen, befestigt an Krallen, mehrere Köpfe, befestigt an gierigen Hälsen, laufen mit gewissenhafter Entfernung an mir vorbei. Ihre Bahnschienen sind unsichtbar. Vielleicht um fünf oder um sechs. Sogar noch ein paar Nutten auf der Straße, sie kennen mich, oder ich sie wenigstens. Jaqueline fickt am besten, sie schaut nicht an die Uhr, im Hotelzimmer, sie bewegt sich nicht wie Pinochio und sie schluckt. Kein Geld mehr dabei, wir sehen uns später Jaqueline, grüß deine Kinder und deinen Mann, vielleicht kommt ein Neger vorbei mit einem Riesenschwanz.

Meine Halswirbelsäule beugt sich nach oben (grauer Himmel), dann nach unten (tote Zigarettenleichen). Der Betrunkene neigt zu Pathos. Ich gehe weiter, und dann verschwimmt wieder alles und brennt, wie beim Tauchen im Chlorbecken. Wenn Jasmin bei mir wäre, dann wäre der Kummer woanders und ich wahrscheinlich auch. Bei ihr, und ich würde sie zudecken, und küssen,und ihr Dinge ins Ohr flüstern, die man garnicht gewohnt sein kann von so einem Wicher, und sie würde im Halbschlaf ihre Mundwinkel nach oben ziehen. Ich würde stöhnen wie ein Schwein, das vom Schlachtband abspringt, und dann würde ich neben ihr schlafen. Letztlich kann man alles auf die Gefühle schieben, sie liegen als Fundament unter der Ratio, sie sind alles. Sie sind alles was mir fehlt.

Wenn ich mir vostelle, dass alle Knochen in mir in etwa gleichzeitig brechen, und ich zusammenfalle wie das World Trade Center, dann bin ich endlich nackt am FKK vor Gott, die Gesetze für Hundebesitzer schreiben das Entfernen der Häufchen vor, und um mich kümmert sich der Wind.

[Dies ist alles nur ein Test: mit vorsätzlich deutlich über einem Promille erhofft sich der Schreiber später Klarheit über die Leistungsfähigkeit des "Verstandes" unterm Einfluss des Neuronenkrieges.]

Kommentare

00:01 20.07.2009
Einen Moment lang hab ich gedacht, du wärst wieder hier.
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23:44 19.07.2009
ich kann es jetzt.ja.ich weiß es.
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unbekannt
16:15 10.06.2005
Ich stimme Titenta zu!
Wahrscheinlich kannst Du mit klarem Kopf noch viel bessere Texte schreiben!
Aber dazu müsstest Du erst einmal Dein Inneres aufräumen, vielleicht Dein Leben in Ordnung bringen und den "Alkoholscheiss" weglassen! Dann kannst Du bei Deiner Begabung mein Fav werden, aber so leben wir zu diametral!!
Trotzdem LG


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unbekannt
07:50 10.06.2005
es hat sich nix geän dert, deine texte immer noch knallhart wie am anfang.
Mehr davon, fütter mich..


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unbekannt
18:12 08.06.2005
hab mal alle deine texte gelesen und bin der meinung, dass ich dich favoriern werd. ein mann, der mit der deutschen sprache auskommt und dann auch noch gut mit wörtern umgehen kann! is ja echt mal was neues :)

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18:02 08.06.2005
du schreibst tolle texte
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11:12 03.06.2005
Da kann ich Virgin leider nicht zustimmen. Ich finde diesen Text ausnahmslos gehaltvoll, in sich schlüssig und auf eine Art so nachvollziehbar, dass ich mich frage, wieviel von solcher Art Gedanken doch im realen Nachtsicht stecken.
Es klingt sehr nach wirklichem Erleben.
Sehr geil geschrieben, ohne Schnörkel, direkt und echt.

Aber ich denke, Du kannst auch mit klarem Kopf gute Geschichten schreiben ;)
Denn mit Worten umgehen kannst Du und damit Emotionen rüberbringen, zweifellos.
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unbekannt
10:54 03.06.2005
Den Kommentar von Jalynn verstehe ich nicht, dafür bekommt Enni meine Zustimmung. Tippfehler und Denkfehler sind vorhanden, was wohl auf die Erklärung unten zurückführbar ist. Lesenswert durchaus aber sinnlos, gehaltlos....von dem 40%tigen mal abgesehen. Ansonsten: Willkommen im Club meiner Favs...

Virgin


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16:03 01.06.2005
Ich weiß es einfach nicht..ich kanns nicht..
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unbekannt
07:49 01.06.2005
Trink mal noch nen bisschen, kleiner. ;)
Vllt. besteht die Hoffnung, das deine Texte proportional zum Promillepegel an Qualität gewinnen. :)

Wie immer äußerst düster bezeichnet, gezeichnet. Wie immer - äußerst lesenswert.


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2005-06-03 01:15