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Tagebuch MI
2006-05-08 15:52
Stimme
Der Frühling aktiviert bei mir enorm meine Empfindsamkeit. Ganz allgemein, aber insbesondere auch hinsichtlich weiblicher Kontakte. Es ist wie eine Aktivierung - im positiven Sinne.

Soeben habe ich das Telefonat mit einer Grafikerin beendet, mit der zusammen ich an der Neuauflage einer Instrumentierungsbroschüre für mein Institut arbeite. Wir kennen uns nun schon länger aus diversen Projekten, und es genügt allein schon ihre Stimme, um mich aus dem verschlafenen Vormittag auf eine Ebene von verstärktem Aktionismus zu bringen.

Damit meine ich nicht blinden Aktionismus, sondern überhaupt einfach Tatendrang. Plötzlich krempele ich die Ärmel auf und lege los. Das mag auch daran liegen, daß es kein direkter Arbeitskontakt ist, sie keine Kollegin ist, sondern daß sie jemand Außenstehendes ist, der mich aus der Institutsletargie herausreißt, vermutlich ohne daß sie das weiß.

Dabei ist es eigentlich niemand, der mich sexuell sehr reizt. Ab und zu sind wir uns direkt begegnet, da ist es nie so bei mir, daß es mich da nun durchfahren würde. Sie ist mager und sieht für mich so aus, als müßte sie eigentlich anders aussehen (was bedeuten würde: noch besser).

Der Reiz beschränkt sich mehr oder allein auf diesen eher virtuellen Kontakt. Sie hat zum Beispiel eine sehr erotische Stimme. Während sie bestimmte Dinge durchdenkt, über die wir gerade sprechen, zum Beispiel irgendeine gestalterische Note oder einen Termin, knattert ihre Stimme schon einmal. Und das sind Momente, in denen ich mich in ihrer Stimme verlieren könnte.

Tatsächlich merke ich an mir etwas Angst, ich könnte während des Gespräches verloren gehen und irgendwie abwesend wirken. Wenn das Gespräch schließlich beendet ist, atme ich erst einmal durch.

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Es hat keinen Sinn, sich gegen dieses Gefühlsdurcheinander wehren zu wollen. Es ist einfach da und wird ganz einfach durch ihre Stimme aktiviert. Ein bißchen dumm komme ich mir vor, weil ich mich durch ihre Stimme wie ein Fisch am Angelhaken fühle. Ich glaube, sie könnte mich problemlos überall hinführen, wo sie es wollte, ich würde ihrer Stimme blind folgen.

Ich frage mich manchmal, wie es ihr wohl ergeht, ob sie so etwas auch kennt oder vielleicht sogar mit meiner Stimme erlebt. Sie steht aber andererseits unter einem ganz anderen Druck, als es bei mir der Fall ist. Ich bin in gewisser Weise ihr Arbeitgeber, und nach allem, was ich aus den Telefonaten herausnehmen kann, hat sie zwar immer was zu tun, es ist aber auch nicht so, als wenn sie sich ihre Auftraggeber aussuchen könnte.

Sie ist eine hervorragende Grafikerin mit Berufsehre, was ich sehr schätze. Es geht ihr nicht allein darum, ein Projekt abzuwickeln, sondern sie bringt sich richtig ein und will es auch für ihre eigenen Maßstäbe gut machen und möglichst noch besser. Dafür steht dieses Wort "Berufsehre" wohl am besten. Solche Menschen als Partner sind unschätzbar. Ich respektiere sie auch wegen ihrer Selbstständigkeit und komme mir selbst mit meinem regelmäßigen monatlichen Einkommen immer etwas verwöhnt und gehätschelt vor.

So verbindet mich mit ihr diese besondere Partnerschaft, die auf einer Mischung von Wertschätzung, erotischer Stimulation (da steckt ja sogar "Stimme" drin) und bislang sehr ansprechender Umsetzung von Projekten beruht.

In dieser Mischung befindet sich der Kontakt im Gleichgewicht und hat auch nicht den Drang, sich stärker in die ein oder andere Richtung zu bewegen. Es ist alles an seinem Platz. Selbst meine eigene Ungewißheit, daß ich mir das alles nur einbilde bzw. meine ewig uralte Angst, daß das soeben beschriebene komplett einseitig ist.

Michael

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