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Tagebuch MI
2006-03-17 17:46
Selbstanalyse

Ich habe gerade nach dem (zum Teil wiederholten) Durchlesen der http://www.schamanenschule.de/ meinen gestrigen Text noch einmal gelesen und fand ihn an manchen Stellen außerordentlich spannend. Ich habe ihn merkwürdigerweise gar nicht gelesen, als hätte ich ihn geschrieben, sondern als hätte ihn jemand geschrieben, der offenbar nach irgendetwas sucht, nicht so recht weiß, was das ist, aber schon weiß, DASS da etwas ist - der aber nicht ich bin.

Ich bin eng verwandt mit dem Schreiber, aber ich bin das nicht. Ich blicke wie ein Vater auf den armen Kerl, der so geplagt aus seinem Leben berichtet (man siehe auch die Linkliste, er will es wirklich wissen, was in dieser Welt vor sich geht, und warum). Und ich verstehe ihn, mir kommt das "bekannt" vor. Und auch wenn es merkwürdig anmuten mag, werde ich jetzt über "mich" als "ihn" sprechen, und "mich" damit selbst analysieren. Ich habe gerade den richtigen Abstand dazu, der bekanntermaßen nie sehr lange anhält.

Die konkret in diesem Text angeführten Dinge wie dieser "Wiedergutmachungskomplex", dieses ewige Vater-Sohn-Drama, oder auch das mit der Mutter, mit der Mietwohnung, das alles kommt mir gerade vor wie willkürlich herangezogene Objekte, die nur eine bestimmte Argumentation untermauern sollen, einen Verdacht, ein unbestimmtes Gefühl. Die Personen, die da genannt werden - falls es sie so überhaupt gibt - zeigen dem Schreiber nur auf, daß an seinem Leben etwas verkehrt ist. Mehr aber nicht. Seine ganze Umwelt zeigt ihm das.

Und zwar ist es aber kein verkehrtes Leben aus Sicht seiner Umwelt, sondern aus Sicht seines Potentials. Was der Mann macht, ist sich auf Feldern aufzureiben, auf denen es für ihn absolut nichts zu gewinnen gibt, er ist dafür nicht geschaffen, er wird dort nie seinen Zweck und seine Erfüllung finden. Selbst, wenn er alles erreichen sollte, was sein Ego ihm als Bedingung für sein Glück vorhält, wird ihn das nur mit Hohlheit und Leere zurücklassen.

Dadurch bringt er sich in eine mit erheblichen Nachteilen verbundenen Position - und wie er es letztlich doch richtig (wenn auch objektivistisch ausgedrückt) erkannt hat: er betrügt sich dabei selbst. Denn er kämpft auf Feldern, auf denen er keine Waffen und keine erstrebenswerten Ziele hat, und kümmert sich nicht um solche, auf denen er selbst zu Hause ist und ebendiese Überlegenheit anderen gegenüber besitzt, die diese in der Scheinwelt ihm gegenüber haben.

Mir hat besonders diese Passage gefallen: "Sondern es geht nur darum, irgendetwas Unwiederbringliches zurückzuholen und irgendetwas Nichterlebtes nachträglich als Erwachsener doch noch zu erleben. So, als wäre ich nicht heile, als wäre da noch etwas, das es zu erleben und zu erledigen gilt." Nach dieser Passage bricht der Text im Grunde ein, jedoch hat der Schreiber den Kern der Sache genannt, nämlich daß da noch etwas ist.

Was ist das? Dieses sein Leben, das ist nur ein Teil dessen, was sein eigentliches Leben ausmacht. Dieses eigentliche Leben ist aber weder das seiner Wunschvorstellungen noch die aus dem angeführten Wiedergutmachungskomplex geborene Vorstellung. Sondern es ist die ganz bewußte und konsequent durchzuführende Auseinandersetzung mit der dunklen Seite des Menschen, das heißt: seiner dunklen Seite (wobei "dunkel" hier auch nur wieder gesellschaftlich bedingt negative Assoziationen hervorruft).

Die Gesellschaft und die herrschenden Moralvorstellungen, wie man zu sein - und mittlerweile sogar: zu denken - hat, und wie man nicht zu sein und zu denken hat, halten ihn aber davon ab. Es flammt zwar immer mal wieder auf. Wenn sich aber nicht gleich in diesem Moment eine Gelegenheit bietet, wie diese Flamme auch wirklich weiterbrennen kann, wird sie von seiner Umgebung rasch wieder erstickt. Und dann sitzt er wieder da und kann nur darüber schreiben, daß "dies nicht sein Leben ist", ohne zu wissen, was es denn ist.

Er hat Recht. Dies ist nicht sein Leben, es ist aber auch nicht nicht sein Leben. Es ist es nur eben zur Hälfte, es ist nur die halbe Wahrheit, es ist nur eine Seite der Medaille. Und er spürt, ja weiß um die andere Hälfte, die zu leben ihn erst ganz machen kann. Wenn er diese Gänze bewußt lebt (statt andauernd unter der Nicht-Gänze zu leiden), dann wird alles wegfallen, von dem er heute noch denkt, es wäre falsch oder würde nicht zu seinem Leben gehören - und wird sich vermutlich sogar als "genau richtig" herausstellen.

Michael

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