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Tagebuch MI
2006-08-21 21:53
Nicht genug (5)
Im Moment ist dieses "Innen-Außen"-Thema für mich sehr aktuell. Man möge sich bitte nicht täuschen, daß ich mich in irgendwelchen gesellschaftskritischen Einträgen ergehe und damit meine, "meinen Beitrag" (wofür auch immer) geleistet zu haben, mir den Frust von der Seele geschrieben zu haben oder einfach dadurch meine Hände in Unschuld waschen zu wollen.

Zunächst einmal "gönne" ich mir das, ich genehmige es mir, frei drauflos zuschreiben, was mir alles angesichts diverser gesellschaftlicher Verwerfungen und dunkler Vorahnungen auf das Kommende einfällt. Die Sache ist nun allerdings die: damit ist meine Schuldigkeit nicht getan. Es ist das reine Niederschreiben von Beobachtungen, von Mutmaßungen und Schlußfolgerungen. Ich will mich einfach nicht einreihen (lassen) in die Kolonnen derjenigen, die das vorgesetzte Futter einfach schlucken. Genau das sind nämlich diejenigen, die den Kaiser nicht nackt sehen können und wollen. Außerdem kann ich dieses Futter nicht verdauen, mir wird nur schlecht davon.

Es gibt für "die Welt" kein "funktionierendes System", wird es niemals geben (außer man deutet "funktionieren" so, daß man sagt: So wie es ist, so funktioniert es eben auch). Es gibt nur eine einfache Lösung, die lautet: "Ich pflücke von den Bäumen nur soviel Obst, wie ich brauche, den Rest lasse ich hängen". Für so eine Lösung braucht es aber wohl eine komplett neue Menschheit. Da daher eine Lösungsfindung völlig sinnlos ist und es kein System gibt, das nicht doch auf die ein oder andere Art mißbraucht werden kann, stellt sich lediglich die Frage, wie ich mit all dem umzugehen gedenke.

In diesem Zusammenhang stieß ich heute auf exakt diese Stelle in Gerd-Lothars Buch "Der Vorgang der Selbsterkenntnis" (ich stoße immer wieder auf solche Parallelen). Sie lautet: "Scharfe Beobachtungen sind oft nicht der eigentliche Aufschluß, sondern es kommt darauf an, wie damit umgegangen wird."

Ja, wie gehe ich nun damit um? Ich muß zugeben, ab und zu muß ich mich einfach auskotzen (Zuschreiber ja offenbar auch, wie ich gerade feststelle). Ich habe hier auch schon einige Einträge geschrieben, die ich dann nicht öffentlich gemacht habe. Man muß das aber auch mal aushalten können, wenn das passiert, wenn dieses Gift, das einem zwangsläufig immer wieder von neuem eingeflößt wird, nicht mehr länger im Körper gehalten werden kann und raus muß. Dann liegt es da und das Lesen solcher Schriften kann möglicherweise sehr unverdaulich sein (wenn man es denn durchhält). -

Ich lese weiter in GLs Buch und finde: "Der entscheidende Punkt ist, daß es gar nichts ausmachen kann und darf, ob um mich herum Menschen so einen Unsinn glauben und damit versauern. Es kann und darf auch gar nichts ausmachen, wie sie sich ganz generell fühlen , ob sie glücklich sind etc. Schaue ich darauf, dann habe ich schon verloren (und mich selbst verraten)."

Möglicherweise begehe ich jedesmal diesen Fehler oder falle darauf herein, wenn ich mich ergehe und es mir hochkommt. Ein Vogel-Strauß-Leben möchte ich aber auch nicht mehr führen. Es geht also darum, sich des alltäglichen Wahnsinns wohl bewußt zu sein, sich davon aber nicht anstecken zu lassen, sondern selbst klaren Kopf zu bewahren und nicht aus den Augen zu verlieren, worum es hier eigentlich geht.

Und tatsächlich, wer es schafft, in solchen Zeiten nicht auch wahnsinnig zu werden, der hat schon erheblich etwas geleistet, auch wenn das zunächst nur der erste Schritt ist.

Michael

Kommentare

22:16 22.08.2006
*weia* - ich she schon die gefahr, dass ich dein diary zutexte...
sag mir, wenns dir reicht.......also:
ich stimme dir natürlich sehr zu.
etwas anderes ist es mit den zitierten stellen
- die finden zwar meine prinzipielle zustimmung - aber das mag sich
im einzelfall trotzdem anders verhalten...
wenn es einem nämlich gelingt, sich aufgrund erwähnten
missverhältnisses innen- / aussenwelt in eine situation zu manövrieren,
dass die widersprüche völlig erdrückend werden...
- und in der momentanen arbeitssituation ( ganz zufällig... )
auch der rat, sich dann gefälligst eine entsprechendere aussenwelt
zu suchen, nicht mehr so recht fruchten kann...
@tyche - ja, hast recht. aber einesteils ein im moment nicht
erreichbares ideal für viele - auch für mich, andererseits:
mit angeln oder blumenzüchten ist auch der verzicht verbunden,
eigene voerstellungen nach aussen zu tragen...
@michaelk.: halte ich auch für überbewertet - aber, um den alten
spruch zu zitieren: auch das private ist politisch...
deswegen kann ich durchaus mit mir selbst im reinen sein
- aber mit der welt um mich herum keineswegs.
und, andererseits: gerade dieser widerspruch ist ja auch eine
nicht zu vernachlässigende energiequelle...
und, @stephan:
tja....um es persönlich zu sagen:
habe schon etwas von dem weg hinter mich gebracht...
aber eigentlich so viel, um zu wissen, dass ich den vor mir
mit sicherheit nicht schaffen werde - auch das kann passieren.
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unbekannt
09:56 22.08.2006
Mit "mit sich im Reinen sein" meinte ich, sich selbst zu kennen, sich so zu akzeptieren, wie man ist, ohne arauf zu achten, was andere von einem denken könnten und ich meinte auch damit, sich seinen Ängsten und seinen innersten Probleme (damit meine ich keine materiellen Probleme oder ähnliches) und Konfliken zu stellen, sie zu überwinden und zu lösen.
Ich habe erst kürzlich festgestellt, dass ich noch einen ganz langen weg vor mir habe.
LG Stephan


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unbekannt
02:28 22.08.2006
Auch wenns wie aus nem Glückskeks klingt:

Zwischen "im Reinen sein mit mir selbst" und "im Reinen sein mit der Welt" besteht nicht der geringste Unterschied.

Im Übrigen halte ich das Mit-sich-im-Reinen-Sein für überbewertet.

liebe Grüße

MK


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00:16 22.08.2006
Ich stimme zu: Nicht wahnsinnig zu werden ist wohl eine Leistung oder auch das Glück eine entsprechende (geistige) Konstitution zu besitzen oder auch das Glück sich Gedanken über die Syteme "leisten" zu können.
Allerdings weiss ich nicht genau, was es bedeuten könnte, mit sich im Reinen zu sein. Ich könnt mir denken, dass es bedeutet Widersprüche zu spüren, die auch von aussen, also aus der Gesellschaft heraus das eigene Selbst "verunreinigen" und somit den Anstoss geben könnten zu den Gedanken, die du dir machst. Insofern ist es gar nicht so schlecht mit sich nicht im Reinen zu sein. Denn, wer mit sich im Reinen ist, hinterfragt nicht mehr, sondern züchtet nur noch Blumen oder angelt Fische, wenn er nicht gerade im Job funktioniert.
Liebe Grüße Tyche
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unbekannt
22:17 21.08.2006
Ein schöner Text und es ist immer gut sich mal alles richtig von der Seele zu schreiben. Mein Kommentar war im übrigen nicht gegen deinen Beitrag oder dich selbst gerichtet. Er ist einfach als Reaktion von meinen Fingern, über die Tastatur in dein Tagebuch geraten.

Natürlich sollte man nicht die Augen vor dem verschließen, was außerhalb geschieht. Aber zu bedenken ist, dass jeder Mensch eine andere Sichtweise der Dinge hat. Um Frau Birkenbiel (oder wie wird die geschreiben?) frei zu Zitieren: Jeder lebt auf seiner eigenen Insel und erst wenn sich die Inseln zweier Überschneiden, hat man eine Gemeinsamkeit.
Ich bin auch der Meinung, dass jeder zunächst sich selbst am nächsten ist, sprich, erst wenn man mit sich im Reinen ist, kann man sich wirklich mit den Problemen von außen beschäften und sich um sie richtig kümmern.
Das birgt dann nun wirklich wieder ein Problem. Wer ist wirklich mit sich im Reinen? Die wenigsten wage ich zu behaubten, und so kommt es auch zu der Gleichgültigkeit in unserem Land. Traurig aber wahr.
LG Stephan


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