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Tagebuch MI
2005-12-06 09:34
Irrtum
Nach zwei Auslandsreisen innert drei Wochen, dabei die letzte mit zwei großen Zeitverschiebungen, die mich ordentlich aus der Bahn geworfen haben, fühle ich mich immer noch ein bißchen wie in einem falschen Film.

Das, was zuvor für mich ganz alltäglich war, stößt auf einmal auf totales Unverständnis. Ein Beispiel waren die Geschenke für meinen Sohn heute morgen, von denen ich dachte, es seien viel zu viel und ich es mir herausnahm, vor seinen Augen was davon wegzunehmen, eh er es auspacken konnte.

Meine Partnerin erzürnte das, sie sagte auch, das sei völlig normal so und sie wisse gar nicht, was mit mir los sei. Ich versuchte mich zu erinnern. Ja, sie hatte recht, es war wirklich völlig normal, und ich selbst habe zu dieser Normalität beigetragen. Ich habe mich dann zurückgezogen, weil ich gemerkt habe, daß ich mit der Situation offenbar überhaupt nicht umgehen konnte.

Ich muß mich also erst mal wieder eingewöhnen. Auch bei der Arbeit überfallen mich die Dinge, die vor den letzten turbulenten drei Wochen eigentlich noch ganz normal waren, die mir jetzt aber ganz fremd vorkommen, die ich nicht verstehen kann. Gestern beispielsweise wurde mir ein Termin in dieser Woche bekannt gemacht, an dem die "Lange Nacht der Wissenschaften" des kommenden Jahres vorbereitend besprochen werden sollte.

Damit konnte ich überhaupt nichts anfangen. Wieso soll ich mich denn jetzt - kurz vor Weihnachten und ein halbes Jahr vor irgendeinem Ereignis im nächsten Jahr - wegen dieses Ereignisses mit anderen Leuten zusammensetzen? Die letzte "Lange Nacht" ist doch noch gar nicht so lange her, und jetzt schon wieder die nächste planen?

Ich nahm das als Zeichen der unrettbaren Hysterie der Moderne, daß solche "publikumswirksamen" Ereignisse offenbar mittlerweile eine Vorlaufzeit von einem halben Jahr brauchen. Natürlich ließe sich darüber diskutieren, ob das nicht etwas übertrieben ist. Aber man wundert sich ein ums andere mal über die trifftigen Begründungen, die es für solche Dinge gibt.

Gründe gibt es immer, und zwar genügend davon und erstaunlich wofür nicht alles. Es gibt wohl kaum eine Entwicklung in diesen Tagen (und seit wievielen Jahren wohl schon), die eigentlich gänzlich dem gesunden Menschenverstand und auch den Gefühlen von Anstand, Moral und Sitte zuwiederläuft, für die nicht gleichzeitig rational durchaus nachvollziehbare Begründungen herangeführt werden können (Politik und speziell die amerikanische ist da wohl ein Paradebeispiel, aber dennoch nur eines von unzählig vielen).

Das ist das Gefährliche an der Ratio. Ich bin ja - wenn ich es recht besehe - mit der Überzeugung groß geworden, daß die Ratio unabhängig und unbestechlich ist. Daß Entscheidungen daher am besten rational getroffen werden, nach möglichst umfassender Informationszusammenstellung und Meinungsanhörung und möglichst unbeeinflußt von Gefühlen, von Intuitionen und Instinkten.

Gefühle schließlich können täuschen und sind manipulierbar und außerdem schwammig. Intuition klingt ein bißchen wie eine faule Ausrede, wenn einer zu müßig ist, sich mit langen Argumentationsketten auseinanderzusetzen. Und Instinkt ist doch eigentlich animalisch und des Menschen unwürdig, sollte daher nur im allergrößten Notfall eingesetzt werden.

Das alls war und ist wohl ein großer Irrtum.

Michael

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