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Tagebuch MI
2005-04-22 21:15
Ich-Sterben
Es gibt Gedanken, um die ich mich gerne drücke, sie auszusprechen, weil ich denke, wenn ich sie sage, dann muß man mich mindestens für merkwürdig halten. Ich möchte außerdem nicht hervorrufen, daß man denken könnte, ich hinge nicht am Leben, oder hätte keine Freunde oder keine Freude oder wäre nicht glücklich, nicht zufrieden und würde ganz allgemein ein großes Persönlichkeitsproblem haben.

Einer dieser Gedanken ist der Folgende: praktisch immer, wenn vom Tod die Rede ist, z. B. in den Werken zu Nahtoderlebnissen, in den Kommentaren von Trauernden zum Tode eines Verwandten oder in den Kommentaren von Sterbenden selbst, sagen die Menschen, sie seien davon überzeugt, daß sie nach ihrem Tod die Vorangegangenen bald wiedersehen werden. Ihre alte Familie würde sie in den Arm nehmen und empfangen (manche haben sie sogar bereits gesichtet, ich glaube das übrigens, also, nicht daß da eine Familie wäre, sondern daß der/diejenige sie sieht), Vater und Mutter, oder alte Freunde usw. Und sie würden sich auf dieses Wiedersehen freuen, sie wären endlich und für immer zu Hause.

Und jedesmal wenn ich so etwas lese, kommt mir sofort der Gedanke: um Gottes Willen!

Ich muß da vielleicht näher drauf eingehen. Wenn ich sterbe, um ehrlich zu sein, ich möchte dann wirklich meine Ruhe haben. Nichts kann ich mir schlimmeres vorstellen, als daß da eine Art "Empfangskomittee" auf mich wartet (so wie am Flughafen).

Das soll gar nicht gegen die Menschen sprechen, die ich kennengelernt habe, mit denen ich aufgewachsen bin, denen ich auf irgendeine Weise verbunden bin, die mir Freund oder Freundin geworden sind, oder auch nur flüchtig aber vielleicht sympatisch bekannt geworden sind. Es ist nur so, es gibt wirklich so wenige Menschen, in deren Gegenwart ich nicht in irgendeiner Weise dazu neige oder mich verleiten lasse, von dem, was ich als Wahrheit empfinde, abzuweichen.

Ja, vielleicht ist das der Punkt. Ruhe haben zu wollen, heißt im Grunde nichts anderes, als in Wahrheit sein zu wollen. Und das fällt mir in Gegenwart von Menschen immer wieder schwer, und seien sie mir auch noch so nahestehend. Und das will ich einfach nicht mehr. Ich verstelle mich hier in diesem Leben schon mehr als genug.

Klar will ich das nicht, dieses Verstellen, aber das geht alles so schnell und es ist ja so verführerisch, sich lieber auf die eine oder andere kleine Abweichung einzulassen, statt Gefahr zu laufen, durch Wahrheitsagen (das, was ich in diesem Moment als wahr empfinde, ausdrücken) Prügel zu kassieren oder Ausgrenzung, Häme, Unverständnis, Ratschläge, das Ende von Beziehungen. Man kann darauf achten, immer wieder von Neuem. Aber es kommt mir doch auch uferlos vor. Und mit dem Sterben verbinde ich die leise Hoffnung, daß damit dann wenigstens (oder endlich) Schluß ist.

Interessant, daß aber genau dies gar nicht körperliches Sterben bedeutet, sondern Ich-Sterben.

MI


[Bild nicht gefunden]


Kommentare

23:05 10.05.2005

Lieber Claudius,
ich kenne diese Sichtweise, sie ist in gewisser Weise materialistisch. Also, der Körper ist unsterblich, weil seine Bausteine nicht sterben können, sondern sich nur neu anordnen. Und das, was sich da "Ich" nennt, das wäre aber nach dem Ableben für immer tot.

Einen Haken hat die Sache: denn dieses "Ich" oder diese Instanz, die da ist und die sich all dieser Dinge bewußt ist, die ist jetzt ja auch da. Mit anderen Worten stellt sie eine Energieform dar, sonst könnte sie nicht sein. Was wird daraus? Energie kann nicht vernichtet werden, das wissen wir, sie wird nur umgewandelt. Was wird aus der Bewußtseinsenergie nach dem körperlichen Tod?

Meine Antwort darauf ist: sie bleibt. Das einzige, was sterben kann, sind (falsche) Identifizierungen. Und das geschieht ganz unabhängig vom körperlichen Tod.

Grüße,
MI
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unbekannt
18:25 10.05.2005
Die Materie ist "unsterblich", also auch die Baustoffe eines Menschen nach dem Tode! Aber die "Seele""? ich denke, dann ist Schluß! Siehe mein TB-Eintrag "Was bleibt?" vom 20.03.2005! LG

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2005-04-22 21:15