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Tagebuch MI
2005-05-10 11:00
Hund und Herrchen
Eine Sache ist mir in der letzten Zeit klar, klarer geworden: es ist diese Angst, anzukommen. Es ist da eine pure Angst einfach nur zu akzeptieren, daß man gar nicht anzukommen braucht, sondern daß man bereits angekommen IST. Genauergesagt war man nie fort, man war schon immer da. Fort war immer nur irgendetwas anderes, das ich nie war.

Es ist wirklich so. Das "Ich" mag es nicht, wenn es dahin zurückkommt, wo es sich auflöst, und das geschieht nun einmal an dem Punkt des Angekommenseins, der Punkt, wo ich schon immer war, wo schon immer ich war.

Es gibt ein schönes Gleichnis von A. Kostolany über die Wirtschaft und die Börse: die Wirtschaft ist der Herrchen, die Börse ist der Hund. Die Börse läuft entweder vor dem Herrchen, oder hinter dem Herrchen, aber niemals BEI oder MIT dem Herrchen. Es mag das einfach nicht.

Dieses Hündchen lebt einfach viel lieber in der Vergangenheit oder in der Zukunft. Es sagt sich: die wirtschaftliche Entwicklung der letzten fünf Jahre war so schlecht, das wird in den nächsten fünf Jahren so bleiben. Es wird immer trostloser und trottet nur noch hinter dem Männchen her.

Gleichzeitg stürmt es aber damit vorneweg, da es die vermeintliche Entwicklung in den Kursen vorwegnimmt. So kracht die Börse zusammen, ohne daß es der Wirtschaft dabei umbedingt so schlecht gehen muß, wie es die Kurse sagen.

Umgekehrt gilt das gleiche und mündet in eine Börseneuphorie.

Mit dem "Ich" ist es auch so. Es hüpft immer hin und her, befaßt sich wahnsinnig gerne mit Dingen, die vergangen sind und Dingen, die noch gar nicht geschehen sind, während das Hier-und-Jetzt-Herrchen nur den Kopf darüber schüttelt.

Das Ich-Hündchen findet auch immer wieder genügend Gründe, warum es sich nicht zum Herrchen begibt: es muß suchen, es muß verstehen, es muß Duftmarken setzen, Häufchen machen, andere Hündchen ankläffen oder ihnen sehnsüchtig hinterhergucken. Es ist traurig und hängt hinterher, es ist glücklich und läuft voraus. Es ist bockig, es will beachtet werden, es schert sich einen Pfifferling um sein Herrchen und läuft mit erhobener Nase an ihm vorbei.

Es zerrt an der Leine, sagt seinem Herrchen: "Hierhin, hierhin! Hier ist es ganz toll!" Oder es sagt: "Nein, nicht dorthin, da ist es gar nicht schön". Es meint, es wäre der Anführer, es würde bestimmen, wo es lang geht. Obwohl es sich eigentlich bei seinem Herrchen am wohlsten fühlt. Aber das würde es niemals zugeben.

Ich weiß nicht, warum soll ich dieses "Ich" verurteilen? Es ist nichts schlechtes daran. Ein bißchen aufpassen muß ich wohl, daß ich mich nicht immer wieder auf seine Verstrickungen ein- und aus dem Hierjetzt wegzerren lasse.

MI


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2005-05-10 11:00