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Tagebuch MI
2006-04-20 21:16
Die eigentliche Antwort
Mein Leben rauscht dahin wie im D-Zug. Ich hätte so gerne mehr Zeit auch für besinnliche Stunden, aber ich habe sie nicht. Auch jetzt im Urlaub ist Aktionismus angesagt, weil es mit drei kleinen Kindern schwierig wird, wenn man einfach mal nichts tut. Aktivität tut auch gut und macht Spaß, wie zuletzt berichtet. Oder gestern waren wir im Filmpark Babelsberg und hatten dort ein sehr schöne lustige Zeit zusammen, die ich sehr genossen habe.

Ich denke mir dann, daß dies nun einmal eine bestimmte Lebensphase ist und das "nun einmal so ist" mit kleinen Kindern. Andererseits kommt mir dann auch wieder der Gedanke, daß ich ja in gewisser Weise auf die Halbzeit meines Lebens zusteuere, und ich habe das Gefühl, in Sachen Sinn, Selbstbeobachtung, Lebensenergie, freier Fluß, spontanes So-Sein usw. auf der Stelle herumzutrampeln. Als hätte ich - keine Zeit dafür.

Ab und zu bieten sich mir Gelegenheiten, einmal aus dem Alltagsmuster auszubrechen. Oft bin ich aber so sehr in meinen Vorstellungen und Gedankengebäuden, von lauter Müssens und Sollens und Nicht-dürfens gefangen, daß die "richtige" Reaktion immer zu spät kommt. Die erste ist immer noch ganz klar eine mir fremde. Ich merke das auch im gleichen Augenblick, aber für eine Umkehr ist es dann schon zu spät und ich resigniere.

Ich kann das nun nur so allgemein niederschreiben, weil ich die detailliertere Betrachtung der einzelnen Situationen einfach nicht schaffe. Es kommen nur immer wieder diese Bestätigungen vor, die mir sagen, daß ich überhaupt nicht aus all den Zwangsjacken herauskomme, die sich im Laufe der Zeit um mich herumgelegt haben, und ich das sicher auch zugelassen habe.

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Ein Beispiel von heute nachmittag: mir fiel ein, daß heute Abend das UEFA-Pokal-Halbfinalhinspiel zwischen den Fußballvereinen FC Schalke 04 und FC Sevilla stattfinden wird. Nun regiert mein Sohn J. auf diese Dinge euphorisch, und ich habe ihm versprochen, ihm Bescheid zu sagen, wenn das Spiel läuft, er möchte es unbedingt sehen. Ich selbst sehe mir das auch gerne mal an.

Ich weiß aber auch, daß meine Partnerin auf Fußball allergisch reagiert. Das ist soweit in Ordnung. Es ist dann nur wichtig, solche Dinge frühzeitig zu klären und nicht erst dann, wenn die Kinder im Bett sind (außer der Große), Ruhe eingekehrt ist und wir es uns noch gemütlich machen könnten, und dann heißt es "Fußball". Im Notfall muß ich dann gegen den Fußball entscheiden, weil ich es vorziehe, abends noch mit E. zusammen zu sein, statt E. zu vergraulen und mit J. Fußball zu gucken.

Das zur Vorgeschichte, um die es eigentlich gar nicht geht. Ich bin also heute nachmittag zu E. gegangen und habe angedeutet, daß ich ihr nun etwas beibringen muß oder möchte, daß ihr vielleicht nicht so schmecken könnte. Auf das Schlimmste bereits gefasst, reagierte sie fast schon erleichtert, als ich "nur" darauf hinwies, daß heute Abend ein Fußballspiel stattfinden würde und J. das gerne gucken möchte.

Sie war also froh, nicht von mir hören zu müssen, daß ich heute Abend mit einer etwaigen neuen Bekannten (oder gar "neuen Liebe") etwas unternehmen würde. Ich lachte daraufhin etwas, aber es war eigentlich kein schönes Lachen. Das "Schlimme" ist ja, daß ich in diesem Moment an dieser hypothetischen Situation überhaupt nichts Schlimmes sehen konnte. Tatsächlich fragte ich mich, was daran denn schlimm sein könnte, wenn es tatsächlich so wäre. Was wäre schlimm daran?

(Dies ist nur ein Beispiel, und auch nur eines auf einem beliebigen Gebiet. Es ist nur das frischeste und es wohl auch das sensibelste Feld.)

Mit diesen Fragen und Gedanken fühle ich mich reichlich allein. Nun lese ich wohl aber gerade das Buch "Prometheus", was da Abhilfe schafft. Ich danke für den Hinweis darauf. Übrigens: wer sich ansonsten noch für Bücher interessiert, die zwanghafte und frühzeitige Kanalisierung der männlichen Lebensenergie beschreiben, dem seien noch die Bücher des Autorenteams Dieter Schnack und Rainer Neutzling ans Herz gelegt: "Die Prinzenrolle" und was mir damals noch besser gefallen hat und was die jüngere Publikation der beiden ist: "Kleine Helden in Not".

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Es gibt ja Gedanken, mit denen man jahrelang schwanger läuft und weiß es manchmal gar nicht. Bis man irgendwann, irgendwie genau auf diese Gedanken stößt, weil jemand anderes sie auch hatte und sie formuliert oder ausgesprochen hat. Und so las ich heute, als ich mit meinen Kindern auf dem Spielplatz war, im "Prometheus" eine Stelle, bei der ich erst einmal innehalten mußte:

„Wozu die ganze Mühe mit dem Kinderbekommen, dem Aufpäppeln und Überwachen, dann die Schulaufgaben, der Beruf und das Exerzieren beim Militär, wenn der Glücksfall darin besteht, daß einer heiratet, wieder Kinder bekommt, aufpäppelt, in die Schule schickt, dafür sorgt, daß die Knaben ihr Futter finden lernen und die Töchter wieder einen Mann? Wozu das alles?"

Natürlich tauchen solche Fragen immer mal wieder auf. Nur wenn man sie dann so konzentriert aufs Brot bekommt, ist es doch ein Gefühl, als würde einem der Teppich unterm Hintern weggezogen werden.

Andererseits: kürzlich bekam ich einen Kommentar, der mich u.a. dazu anregte, mir darüber Gedanken zu machen, welche Menschen mir denn eigentlich am Herzen liegen. Spontan fielen mir da gar keine ein, nicht einmal ich selbst fiel mir ein. Irgendwann kam aber dann zumindest die Sicherheit durch, daß es auf jeden Fall meine Kinder tun.

Ich fürchte allerdings, als Antwort auf die Frage „Wozu das alles?“ ist das zu wenig, denn die Antwort kann ja nicht Hauptbestandteil der Frage sein. Es scheint mir immerhin etwas zu sein. Jedoch die eigentliche Antwort lauert immer nur in meinem eigenen Leben und Erleben. In all diesen vielen Momenten, in denen meine eigentliche natürliche Reaktion immer wieder von der konditionierten rechtzeitig noch "abgefangen" wird. Die Antwort ist, wie sehr ich daran interessiert bin, das wieder in die richtige Reihenfolge zu bringen.

Michael

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