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Tagebuch MI
2006-08-26 22:05
Der weite Umweg (7)
Wenn Menschen sagen, sie hätten noch einen weiten Weg vor sich, dann gefällt mir das. Es klingt zumindest ehrlich (auch wenn es falsch ist). Wenn Menschen sagen, daß sie sicher wissen, daß sie diesen Weg nicht schaffen werden, dann gefällt mir das nicht. Es klingt nicht ehrlich.

Beides stimmt nicht. Niemand hat einen weiten Weg vor sich, nicht einmal einen Weg. Genau genommen hat man überhaupt nichts vor sich, es sei denn, man baut es sich dahin und sagt dann: "Schau, das habe ich alles vor mir". Je nachdem, wieviel das ist, kann man sehr leicht daran verzweifeln.

Das mit dem weiten Weg muß man anders verstehen: es geht nicht darum einen weiten Weg abzuschreiten und an dessen Ziel zu gelangen. Dieser weite Weg ist in Wahrheit einfach nur eine selbstgebaute Falle. Natürlich fühlt man sich unendlich weit von dem entfernt, was man denkt, eigentlich zu sein, eigentlich sein zu können und auch sein zu müssen. Aber um dies zu sein, muß man eigentlich gar nichts anderes tun, als genau dies: es zu sein. (Man kann es nicht werden, man kann es nur sein). Das kann ganz einfach und ohne jeden Umweg geschehen. Es gibt wirklich überhaupt keinen Grund, einen langen, schweren Weg dafür in Kauf zu nehmen.

Der weite Weg, das ist immer nur der weite Umweg. Vielleicht ist dieser Umweg ja nötig, um zu sehen, daß eigentlich gar kein Weg nötig ist, zu sein, was man ist. Auch die Vorstellung, daß es nahezu unmöglich ist, zu sein, was man wirklich ist, kann so ein Umweg sein. Den kann man beliebig lange gehen und gibt sich dadurch selber recht.

(Ich verstehe das jetzt besser mit dem "recht haben" und dem "Recht haben", was ja mehr ein "Recht zugesprochen bekommen" sein soll. Und daß da ein Unterschied ist und es sinnvoll ist, dies mit Groß- und Kleinschreibung zu unterscheiden. "Recht bekommen" ist noch lange nicht "recht haben")

Ich möchte nicht, daß sich jemand persönlich angesprochen fühlt, ich mache keine "subversiven" Seiten. Ich mache nur Beobachtungen und folge dem Drang, sie zu notieren. Was ich sage und schreibe, ist eine ganz einfache Tatsache. Niemand muß einen weiten Weg gehen und es gibt auch keinen Weg, der nicht zu schaffen wäre. Es gibt gar keinen Weg. Entweder jemand ist, was er ist, dann ist er es und der Weg ist dann: es auch zu bleiben. Oder er ist es nicht und behauptet, da wäre vorher noch ein Weg zu gehen, bevor er es ist. Das behauptet er aber nur, damit er es erst mal nicht sein muß.

Der eigentliche Weg fängt da an, wo jemand feststellt, daß er ist, was er ist. Davor gibt es keinen Weg. Nur Umwege.

Michael

Kommentare

18:45 28.08.2006
Hallo Michael.
nein, nein, hier ist 'Feuer frei' das Motto, Kaffeekränzchen gibts genug.
Stört mich ganz und gar nicht. Im Gegenteil Sehr gut, sehr gut. Ich halte mich immer für so 'extremistisch', was diese Dinge angeht. Nach Lesen deines Kommentares ist das verflogen (und richtig gestellt). Und wenn ich was dazulernen kann, dann umso besser.
Grüße, Michael
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unbekannt
18:18 28.08.2006
Ich finde folgende, ganz einfache Frage interessant:

Wenn doch den meisten Menschen klar ist, wie ein für sie "richtiges" Leben auszusehen hat, sei es in spiritueller Hinsicht, oder was eigene Laster betrifft oder auch Zwischenmenschliches, wenn sie das also genau wissen, warum leben sie dann so wie immer, und _ändern nichts_?

Warum hört man nicht einfach mit dem Rauchen auf?
Warum fängt man nicht einfach mit Sport an? Isst weniger? Ist bewusst?

Die Antwort der Zeit ist: Weil es nur Schritt für Schritt geht, nicht etwa einfach so. Warum geht es nur Schritt für Schritt? Weil es sogenannte "Widerstände" gibt, die zu überwinden sind, und dem Ziel erst den eigentlichen Wert geben.

Das ist dann der Weg: Widerstände auf dem Weg zum Ziel, die nach und nach überwunden werden. Raus kommt dann Selbstquälerei (eigentlich Selbstverleugnung), was ja bei uns einen besonders hohen Wert besitzt.

Ich würde diese ganze Sache gern politisch korrekter beschreiben, vielleicht in komplexe Begriffe packen, um es verträglicher zu verabreichen. Allerdings ist es anders einfacher und treffender:

Worum es hier geht, ist doch das eigene Handeln, und der Affentanz, der aufgeführt wird, um die Tatsache zu verschleiern, wie ohnmächtig man dem Leben gegenübersteht.
Normal bin ich nicht so ein Fan von Zitaten, aber hier kann ich es einfach nicht besser formulieren. Schopenhauer hat mal gemeint, dass "der Mensch zwar tun kann was er will, aber nicht wollen was er will." Ist damit nicht schon alles gesagt?

Die Wünsche, die "Ziele", sind das überhaupt meine eigenen? Es geht darum tiefer zu sehen, nicht bloß die Handlungen für die man sich "entscheidet", sondern das, was die Handlungen begründet: Unser eigenes Wollen.

Du hast keine Macht über das Wollen, aber mehr noch: Eine solche Macht, kann es gar nicht geben. Es würde Leben in jeder Form unmöglich machen. Man kann sich nicht "entscheiden" z.B. mit dem Rauchen aufzuhören. Entweder das Wollen ist groß genug, oder es ist es nicht oder man will es einfach überhaupt nicht. Je nachdem wird man aufhören oder nicht. "Wollen" ist hier natürlich nur eine begriffliche Umschreibung für Phänomen der menschlichen Wirklichkeit.

Diese ganzen aussagen "ich könnte doch..." sind völliger hypothetischer Schwachsinn. "Ich habe einen freien Willen, weil ich könnte ja jetzt ganz einfach alles hinschmeißen und in Chile ein neues Leben anfangen." Das sind dann die Lügen, die das Kartenhaus zusammenhalten. Es ist völlig unerheblich, weil man es doch nicht tun wird. Man wird das tun, was aus dem Ganzen für mich folgt.

Warum leben wir nicht alle ein "besseres" Leben? Wir können es nicht, und wir werden es nicht tun.

Es geht darum, den jetztigen Moment anzusehen: Steht mir nicht in jedem Augenblick eine Fülle unendlicher Handlungen offen? Ich könnte jetzt irgendwo hinfahren, etwas lesen, etwas rechnen, etwas bauen, etwas essen, schlafen, arbeiten... Ich sitze aber hier und schreibe, meiner nächsten Handlung wird sicher nicht, eine "Wahl" aus allen Möglichkeiten vorangehen (das würde ziemliche lange dauern) sondern... tja, sondern was? Darum geht es, wie läuft denn das Leben ab? Ein Tag?

Mir erscheint der Gedanke einen freien Willen mittlerweile dermaßen lächerlich (nein, ich bin kein "Determinist"), dass ich mich kaum noch ernsthaft damit auseinandersetzen kann. Und um den freien Willen geht es ja hier, um das Handeln, um die Ziele, für die man sich "entscheidet", um die Steine, die man heroisch aus dem Weg räumt.

Entscheidet "Euch" doch einfach morgen nicht zu arbeiten! Macht worauf Ihr "Lust" habt! Schon muss der Verstand rationalisieren.

Wo fängt denn das "eigene" Handeln an? Müsste ich nicht jedem einzelnen Finger sagen, wie er sich zu bewegen hat? Jedem Organ? Oder geht es um das Denken, um "mein Denken"? Wählt man dann aus allen möglichen Gedanken einen aus, den man dann denkt? Wenn nicht, wenn also der Gedanke einfach so kommt, wo ist dann die Wahl? Denn das sind ja alles Gedanken!

Ich denke an ein Ziel, ich denke an die Qual, es erreichen zu müssen, ich denke an den Weg usw. Über all diese Gedanken hat man keine Macht! Das sind gar nicht "meine". Dinge werden nur als das "Meinige" benannt, mehr nicht, und das nichtmal von mir.

Und ja: Es muss so radikal sein, es gibt da keinen "Zwischenweg", oder besser gesagt, die meisten Mensch gehen eben gerade auf diesem "Zwischenweg", zwischen ihrem "Schicksal" und ihrer "Freiheit", beides unerkennbare Zerrbilder einer gänzlich anderen Wirklichkeit.

Ich gehe zum Eisstand, die Füße bewegen sich einfach so (wie auch sonst), ich rede mit dem Verkäufer einfach so (keine Wahl aus tausend Begrüßungsfloskeln) ich wähle die Eissorten, je nach dem, was ich will. Es gibt hier keine Wahl.

Ich schreibe hier, und wähle nicht aus millionen Wörtern, sie kommen einfach so, ich muss nichts dazu tun. Ich denke über eine geeignete Formulierung nach, das Denken geschieht und Gedanken erscheinen, Begriffe und Worte. Was dann passt, wird genommen, aber nicht von mir, es ergibt sich einfach.

Ich sitze bei einer Prüfung und tue nichts. Ich schreibe nicht, ich denke nicht nach, ich beantworte keine Fragen. All das geschieht völlig von selbst, niemand bewegt die Hand, niemand öffnet den Mund.

Dies hier ist die große Illusion unserer Zeit: Dass alles mit "Absicht" getan würde, dass es immer einen Schuldigen gäbe, dass der Mensch (meist mit Punkt 18 Jahren) seinen vollständigen freien Willen erhielte, um zu tun... was er wollte?

liebe Grüße,

MK


PS: Das ist keine direkte Antwort an moritours Post, mir ist das jetzt einfach so aus den Fingern gekommen, ich hoffe auch Dich stört es nicht, Michael.


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17:02 28.08.2006
"dass"....achja....
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17:02 28.08.2006
ojo - darüber könnten wir uns jetzt stundenlang unterhalten,
würde mir auch spass machen !
also, meine meinung: richtig & wichtig ist, sich von dem "weg"
nicht entmutigen zu lassen. ich hab auch schon oft bei anderen als
comment geschrieben, dass man sich nicht von einer
"ziel" - vorstellung abhängig machen, sondern erstmal bis zur nächsten kreuzung denken solle.
andererseits: wenn beppo sich nicht bewusst macht, dass er die ganze
strasse fegen sollte - stellt er nach der ersten platte den besen beiseite.
hm...- ich hab schon den eindruck, dass wir nicht weit auseinander sind.
aber: wenn ich nicht wüsste, dass ich am nächsten ersten gehalt
dafür kriegte - ich würde kein "ich" finden, das morgen früh zur
arbeit aufstehen würde...
- das daran einiges nicht stimmen mag, bestreite ich definitiv nicht...
zumal ich auch noch raucher bin....
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15:54 28.08.2006
Habe ich "am Ende" geschrieben? Tse.
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15:43 28.08.2006
Hallo moritours,

tut mir leid, daß Du dich angesprochen fühlst Äh, Quark. Es kam ja von dir ein Beitrag, und ich kann es nicht ändern: es gibt Dinge, die sehe ich wie ein Adler aus 1000m Höhe die die Maus sieht. Ich sehe so einen Satz, daß da jemand denkt, er könne diesen Weg nicht schaffen ('Dieser Weg wird kein leichter sein', ist doch so ein bekanntes Lied).

Und ich muß dann gewisse Sachen loswerden, sonst freß ich immer alles runter, was mir nicht gut tut. Ich bin schon mal froh, wenn mir das keiner übel nimmt, Du tust es nicht.

Ich möchte da auch nur zu einer Sache was sagen. Und zwar dieses Beispiel mit dem Musikinstrument. Wenn ich nun das Gefühl habe, daß in mir ein großes Talent schlummert, das mich 'am Ende des Weges' zu einem virtuosen Musikerleben führen könnte, wenn ich ihm nur folgen würde, dann bedeutet das für mich nicht, daß ich 'eigentlich' ein toller Musiker wäre, wenn ich nur Musik machen würde, ein Instrument lernen würde. Daß ich nur ich sein kann, wenn es voll zum Tragen kommt und nach Außen auch ersichtlich ist.

Sondern ich bin dann genau in dem Augenblick ich (also eigentlich nicht ich, sondern ich sag mal: Ausdruck einer unpersönlichen Kraft), wie ich die erste Seite des Notenblatts aufschlage und den ersten Ton spiele. Dann bin ich es. Deswegen sage ich, braucht es keinen Weg, sondern es ist ganz einfach: nur den ersten Ton spielen.

(Man frage mal einen Musik-Virtuosen, ob der/die vielleicht das Gefühl hat, irgendwo angekommen zu sein)

Und wenn ich das Instrument nicht habe: dann bin ich 'es', wenn ich mir das Instrument im Laden besorge. Wenn das Geld dafür nicht da ist, bin ich 'es' vom ersten Augenblick an, wo ich beginne, es zusammenzusparen oder dafür zu arbeiten oder ich dafür auf etwas anderes verzichte. Ich kann es jederzeit sein, wenn ich nur will bzw. es zulasse.

Man könnte sagen: das ist der ganze Clou an der Sache.

(Mit dem Rauchen-aufhören ist es übrigens das gleiche, ich will mich jetzt nicht mit @Stephan anlegen, ich war ja auch mal Raucher Ich sage das trotzdem ganz klar: Rauchen ist ein klassischer 'Umweg')

Deswegen sage ich, ist kein Weg nötig, sondern einfach nur der erste Schritt und der nächste und der nächste (so wie Beppo auch immer nur eine Platte nach der anderen fegt und nie die ganze Straße dabei anguckt). Kann man natürlich auch sagen: Hey, das ist also doch ein Weg!

Die Kunst ist dann, diesen Weg zu vergessen. Es ist egal, was am Ende dabei herumkommt. Es ist echt egal. Bzw. solange es einem nicht egal ist, stimmt noch was nicht.

Grüße,
Michael
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14:54 28.08.2006
hallo michael - fühle mich aber jetzt angesprochen.
- ist ja meine entscheidung....*ggg* - und ist schon ok.
es wäre blöde, wenn man über bestimmte dinge nichts mehr
schreiben dürfte, nur weils jemand vorher mal erwähnt hat.
mit dem weg bin ich anderer ansicht.
nehmen wir "es einfach sein" - das nämlich, was man gerade ist:
das sind eichhörnchen, qualle und käfer ja auch...
da ist aber noch der graue, subdurale schwabbel, der mich dazu
befähigt, mir eine andere vorstellung zu machen.
und die kann ich durchaus richtiger finden, als das, was ich im
moment tue. daraus, wie weit ich davon entfernt bin, errechnet
sich der weg. und wenn ich die strecke übersehe, die ich in
einem gewissen zeitraum in dieser richtung zurückgelegt habe,
errechnet sich der zeitfaktor....- sowie die möglichkeit.
blödes beispiel ( nicht, weil ich denke, dass du dessen bedürftest...)
- allein aus dem wunsch, geige spielen zu können, resultiert ja
noch nicht die fähigkeit dazu. ich könnte mir aber errechnen, wenn
ich übe, wie lange es dauern würde zur vollendung.
- oder auch, ob ich es überhaupt schaffen könnte.
und da wäre durchaus festzustellen, dass ich es zum geigen-
wie ballettvirtuosen wohl nicht mehr schaffen könne.....*ggg*
und das kann eben auch für andere fähigkeiten / entwicklungen /
vorstellungen gelten.
aber, da stimme ich dir natürlich zu:
um eine vorstellung von der eigenen entwicklungsgeschwindigkeit
zu erhalten, muss man sich schonmal bewegen....
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2006-08-26 22:05