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Tagebuch MI
2006-09-11 19:42
Das Nichtstun
Am Wochenende war ich mit meinen Söhnen Zelten. Von Freitag auf Samstag zunächst nur mit dem älteren, auf den Sonntag kam auch noch der jüngere dazu (zuvor hat sein Schulfreund bei uns daheim übernachtet). Wir waren auf einem Campingplatz hinter Potsdam am Templiner See.

J. wollte am Samstag morgen nach der ersten Zeltnacht praktisch gar nichts machen, während ich schon Pläne entwarf, was man alles unternehmen könnte. Aber eigentlich wollte ich selber auch gar nicht so viel machen. Ich bin es nur gewohnt, daß die Kinder etwas machen wollen, daher mache ich immer gleich Pläne.

Außerdem beansprucht mich meine Arbeit auch immer, so daß ich manchmal wirklich große Schwierigkeiten habe, nichts zu tun. Das erstaunliche an so einer Campingplatz-Anlage ist ja sowieso, daß dort im Grunde nicht viel geschieht. Die Leute sind halt in ihren Wohnwägen oder Zelten, und sie Frühstücken, Mittag- und Abendessen. Und ansonsten tun sie nicht viel. Abends flimmerte es aus einigen Wohnwägen.

Wenn mir auch das ein oder andere etwas komisch vorkam (speziell das abendliche Geflimmer), merkte ich doch eine ganz spezielle Schätzung der Lage. Hier war ich also auf einem Gelände, auf dem praktisch nichts geschieht. Hier konnte ich echt noch was lernen, nämlich: nichts tun.

So taten wir also nichts, faulenzten, unternahmen nichts, sondern saßen einfach nur in der Spätsommersonne am See und sahen den Enten zu. Ab und zu kamen Boote vorbei: sehr früh morgens die Kanufahrer (wohl Profi-Sportler oder ambitionierte Hobby-Kanuten, es war Samstag, 8:00 Uhr morgens), später kamen auch kleine und größere Yachten vorbei sowie die Touristenboote aus Caputh.

Jedes dieser Boote verursachte Wasserwellen, die sich von der Mitte des Sees bis ans Ufer arbeiteten. Dort "brachen" sie (es waren eher kleine Wellen, aber was macht das schon für einen Unterschied) und brachten ein ums andere mal die Entenschar in Aufregung.

Ich hatte auch einen Gasbrenner dabei. Als wir Hunger bekamen, machten wir uns Pfannkuchen, den Teig hatte ich vorher zu Hause noch angerührt. Die Zeit plätscherte so dahin, ich merkte, wie schön das alles gerade war. Am Nachmittag besuchten uns meine Partnerin mit unserer Tochter L. und brachte auch unseren jüngeren Sohn T. mit, der an diesem Tag ebenfalls bei J. und mir übernachtete. Die Kinder planschten im See, meine Tochter hatte sehr viel Spaß mit den Enten, schießlich brachte ich E. und L. wieder zurück zum Bahnhof, von wo sie nach Hause fuhren.

Als Abendessen machten meine Söhne und ich uns eine Portion Nudeln mit Tomatensoße auf dem Gaskocher vorm Zelt. Wir haben ziemlich lange Abendgegessen, denn in den Topf, den ich dabei hatte, paßte nur eine halbe Tüte. Danach waren wir noch immer hungrig, also haben wir noch eine Portion gekocht. Als Soße nahmen wir eine Spaghetti-Tütensoße aus dem Campingladen.

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Leider holte uns an diesem vermeintlich ruhigen Flecken am Templiner See der Zivilisationslärm ein. Zum einen waren da die beiden Motorradfahrer schräg hinter dem Busch, der unserer Zeltplatz von ihrem trennte. Sie haben zwar nie wirklich laut Musik angemacht. Es war "nur" so eine Motorrad-Radio, das vor sich hinblecherte. Ich habe mich aber irgendwann doch nicht mehr zurückhalten können, speziell, als es dunkel wurde und wir schlafen gehen wollten.

Wassertropfen sind ja auch harmlos. Man darf sie nur nicht stundenlang auf den Kopf getropft bekommen. Denn dann machen sie einen irgendwann wahnsinnig. Wie zu erwarten wurde meine Bitte um noch leisere Musik (am liebsten hätte ich gesagt: "Könnt ihr diese Blechmusik bitte ganz ausmachen?") mit wenig Freude aufgenommen und etwas hämisch quittiert.

Ist mir schon klar: die Musik IST bereits leise. Zu blöd, daß es halt im Freien ist, und ich nebenan bin und letztlich doch jedes Lied mithören muß, ob ich will oder nicht. Und 80er-Jahre-Pop ist einfach nicht mehr so mein Ding, wenn es auch weit Unangenehmeres gibt.

Meine Kinder hat dies alles nicht gestört, ich habe versucht, mir ein Beispiel daran zu nehmen, im Grunde haben sie recht, so ist das Leben am einfachsten, man stört sich erst gar nicht. Ich bekam ja auch die Retourkutsche, daß die Musik auch ganz leise sein könne und ausgemacht werden könne, wenn ich denn am nächsten Morgen mit meinen Kindern auch nicht (mehr) laut bin.

Dabei waren wir gar nicht laut, wir waren nur wach und haben uns Kakao gemacht. So um sieben Uhr, da haben die beiden Motorradfreaks natürlich noch geschlummert, bzw. wollten es. Schade, immer wieder diese Inkompatibilitäten durch den anderen Schlafrhythmus als Familie.

Und dann war da noch das spätabendliche Freiluftkonzert irgendwo in ein paar Kilometern Entfernung, das mich die Motorradfahrer schnell vergessen ließ. Im Gegensatz dazu waren die wirklich absolut harmlos. Die Bässe dröhnten, man hörte alles von Westernhagen bis Meat Loaf, das Übliche eben. Bis spät in die Nacht. Und das alles am schönen, ruhigen Templiner See. Ohrenstopfen nutzen auch nicht viel, gegen dröhnende Bässe sind die machtlos.

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Meine Kinder hat auch das nicht gestört, sie sind friedlich eingeschlafen. Was kann ich nicht alles noch von ihnen lernen. Trotzdem ist es ärgerlich, wenn man die Stadt verläßt, in die Ruhe der Natur möchte, und dann dröhnt es da auch noch. Wo es in meiner Stadtwohnung ja sogar absolut still ist des nachts, da ich im Hinterhaus wohne, und da nur ein schöner, großer Innenhof mit viel Baumwuchs ist. Da höre ich höchstens Vögel (und ab und an unseren durchgeknallten Nachbarn).

Zwei schlecht geschlafene Nächte standen also am Schluß zu Buche. Ganz warm war es auch nicht mehr, außerhalb der Stadt, im Wald am See kühlte es ganz gut ab. Mein Schlafsack hielt mich zwar schön warm, den Schlafentzug muß ich nun aber trotzdem mit einer Erkältung bezahlen.

Was bleibt hängen? Das Nichts-tun. Was ich nicht mit Nicht-tun verwechseln will. In dem Sinne: das Faulenzen, einfach mal nichts tun, die Zeit verstreichen zu lassen, nichts planen, nichts Zukünftiges entwerfen, sondern einfach nur da sein und tun oder nicht tun, was unmittelbar ansteht oder nicht ansteht. Das war eigentlich das Schönste.

Und eine kleine Enttäuschung: ich bin doch nicht zu widerstandsfähig, wie ich dachte. Ein Wochenende Zelten, und schon erkältet. Andererseits: es geht gerade in meinem Umfeld herum, vielleicht wäre es also auch so zu mir gekommen. Und ich war jetzt eine sehr lange Zeit gesund. Ich kann mich eigentlich nicht beklagen und nun auch in Ruhe krank sein.

Michael

Kommentare


unbekannt
07:02 15.09.2006
GLG von einem Camping-Fan!

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