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Tagebuch MI
2006-01-17 22:16
Bewahren
Es gibt diese Momente, in denen mir klar wird, wie wertvoll und unwiederbringlich die Zeit mit kleinen Kindern ist. Mein ältester Sohn wird bald 9 Jahre alt. Und er ist immer noch ein Kind. Er ist immer noch völlig zutraulich, offen, unbeschwert. Vorhin habe ich mit ihm in seinem Bett noch gekuschelt. Eigentlich tun wir das schon länger nicht mehr. Schließlich drängen sich da gerne seine beiden jüngeren Geschwister in Sachen "Kuscheln" in den Vordergrund. Er ist alt genug, daß er auch ohne Kuscheln einschlafen kann.

Heute waren aber die beiden jüngeren schon tief am Schlafen, meine Partnerin ist noch beim Elternabend, und so haben J. und ich viel Zeit an diesem Abend gemeinsam verbracht. Das hat schon etwas ganz besonderes. Und gehört sicher zu den Dingen, die mir im Nachhinein als die schönsten Momente meines Lebens in Erinnerung bleiben werden.

Wie schnell ist diese Zeit vorbei? Wie schnell ist so ein Kind kein Kind mehr, sondern ein Jugendlicher, ein junger Erwachsener, der schon bald eigene Wege gehen wird, eigene Pläne hat, vielleicht ganz andere, als sich die Eltern das gedacht haben? Wie wichtig ist es, wenn man dann immer noch einen "Draht" zueinander hat. Wenn man auf eine gewisse Weise immer noch miteinander kann: Sohn und Vater. Jetzt ist er noch da und ringt um die Zeit mit mir. Aber irgendwann ist das vorbei. Dann werde ich wohl um diese Zeit mit ihm ringen. Und dann möchte ich nicht zurückdenken müssen an viele verpasste Gelegenheiten, als mir diese Zeit noch auf dem Silbertablett serviert wurde. Nein, dann möchte ich wissen, daß ich all diese Gelegenheiten, Zeit miteinander zu verbringen, genutzt habe.

Wenn eine Vater-Sohn-Beziehung sich über die Jahre retten kann - auch über die Jahre starker beruflicher Forderungen, die mich dazu verleiten könnten, zu wenig Zeit für meine Kinder zu haben - wenn man sich in dieser Zeit nicht auseinanderlebt, sondern immer Zeit hat, dem anderen zuzuhören, auf ihn einzugehen, wenn das Vertrauliche bleibt, das Ehrliche, dann ist das schon etwas Besonderes. Obwohl es eigentlich selbstverständlich sein sollte.

Ich vergesse das zu schnell, denke mir, er wird älter und selbstständiger. Er kommt immer mehr auch ohne mich klar. Ich werde immer weniger gebraucht. Aber das stimmt gar nicht. Immer noch bekommt er strahlende Augen, wenn ich mir die Zeit nehme, mit ihm ein kompliziertes Lego-Modell zu bauen und die Steine dazu aus einem großen Haufen herauszusuchen. Oder wenn wir gemeinsam etwas unternehmen, einen Ausflug machen, oder - wie heute - wenn wir kuscheln.

Vielleicht habe ich einfach nur zur sehr auf andere gehört, die mir gesagt haben, daß die Kinder heute immer früher selbstständig werden (müssen), und wenn sie in der Schule sind, auch das Körperliche nicht mehr bräuchten und auch nicht wollten. Bei uns ist das jedenfalls nicht so. Und obwohl er morgens eigentlich problemlos alleine zur Schule laufen könnte, merke ich doch, wieviel es ihm (und doch auch mir!) bedeutet, wenn ich ihn begleite und wir gemeinsam den Tag beginnen: er zur Schule, ich zur Arbeit. Und ein Abschiedskuss vor der Schule ist ihm auch immer noch überhaupt nicht peinlich.

So etwas gilt es zu bewahren. Nicht zu konservieren, nicht krampfhaft daran festzuhalten. Nur bewahren.

Michael

Kommentare


unbekannt
11:18 23.01.2006
Lieber Michael,

danke für diesen schönen Eintrag!
Es tut gut zu wissen, dass es solch zärtliche Väter gibt. Mein Vater hat mit mir selten vor dem Einschlafen gekuschelt, zumindest kann ich mich nicht mehr daran erinnern. Ein Begrüßungs- und Abschiedsküsschen gab es noch bis etwa zum 10. Lebensjahr.

Bewahren? Das wird sich zeigen.
Schließlich soll Dein Sohn ja einmal sein eigenes Leben leben. Eine gewisse Abnabelung muss da einfach sein.
Eine Bekannte schrieb mir mal: "Eltern haben ihren Job gut gemacht, wenn sie am Ende überflüssig werden."
Ein Gedanke von mir: "Wie gut Eltern sind, zeigt sich, wenn es ans Loslassen geht." Da haben meine zu sehr geklammert.

Viel Glück auch dabei!

Gruß
Ralf


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16:36 19.01.2006
Hallo Anastazia, ich habe früher eigentlich nicht viel gekuschelt, ich habe auch nicht oft bei meinen Eltern im Bett gelegen, das war eher komisch. Von daher muß ich mich da immer noch dran gewöhnen, daß das eigentlich ganz normal ist, wenn Kinder, und auch große Kinder, kuscheln (wollen). Ein highlight ist es, wenn ich mit meiner kleinen Tochter bade oder dusche In den USA würde ich mich da wohl gleich der Kindesmißhandlung verdächtig machen... Grüße, MI
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06:24 18.01.2006
Kuscheln ist nicht altersabhänig. Meine Große ist schon 21 und wird ab und zu auch noch gerne von Mama geknuddelt. Und auch der kleinste mit 15. Ich kann mich gut an meine eigene Kindheit erinnern als mein kleiner Bruder geknuddelt wurde und zu mir hieß es: Du bist doch schon groß und brauchst das nicht mehr. Klar sind die Kinder früh selbstständig, aber emotionale Zuwendung brauchen sie trotz allem.
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2006-01-17 22:16