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Tagebuch MI
2006-02-13 15:51
Über Ärger und den Umgang mit ihm (II)

Nun ist es passiert. Ich habe vorhin meinen Ärger über die Entwicklung nicht mehr länger zurückhalten können. Interessant ist, daß sich so etwas ja erst in einem gewissen Toleranzbereich bewegt. Einige Dinge laufen nicht so, wie ich das eigentlich gerne hätte, wie ich es für richtig halte. Aber da gibt es ja diesen Graubereich.

Darin ist alles enthalten, was von Selbstzweifeln abgedeckt ist:
Vielleicht liege ich da ja falsch und nicht die anderen? Vielleicht ist es tatsächlich so wichtig und ich sehe das nur nicht? Vielleicht bin ich zu bequem und die anderen arbeiten ganz normal, und nicht: ich bin normal und die anderen arbeiten wie blöde und können nichts ablehnen, und ich muß dann alles mitmachen.

Mit diesen Fragen läßt sich aus mir eine Menge herausquetschen. Ich lasse dann die Dinge laufen, weil ich nicht zu viel Energie in strategische Diskussionen einbringen will. Das geht nämlich letztlich nur wieder auf Kosten der Sache. Ich habe auch Angst, mich zu weit aus dem Fenster zu lehnen, auf dem falschen Dampfer zu sein, meinen Neurosen zu erliegen.

Das Problem: erst sind es nur Bedenken. Es ist ein Gefühl, daß etwas in die falsche Richtung läuft. Das muß erst einmal nichts heißen. Es kann sich alles als richtig herausstellen, und dann ist es gut, wenn man sich den Dingen nicht in den Weg gestellt hat. Doch diese Bedenken verwandeln sich langsam aber sicher in ein Gefühl des Unwohlseins, man kann die Entwicklung nicht mehr nachvollziehen und mittragen. Schließlich läuft nichts mehr so, wie man denkt, daß es das tun solle, und man - ich wähne mich in einem falschen Film.

(Genau genommen ist es vielleicht gar kein falscher Film, sondern es ist einfach nur ein Film.)

-

Aus dieser Position heraus zu argumentieren ist schwierig, und es kann dabei viel Porzellan zerbrochen werden. Jedes Wort wird möglicherweise auf die Goldwaage gelegt. Das zentrale Problem in diesem Moment ist, seinen Gegenübern eine Argumentation in wenigen Sätzen darzulegen, die für einen längst völlig selbstverständlich ist. Und wenn ich dann noch den Eindruck bekomme, daß ich nicht verstanden werde, dann muß ich mich schon arg zusammennehmen.

Wie so oft stellt sich in solchen Situationen auch heraus, daß den anderen zwar schon aufgefallen ist, daß man selbst nicht mehr so richtig bei der Sache war und abgedriftet ist. Aber es war auch nie so weit, daß es nötig gewesen wäre, dies zur Sprache zu bringen.

Was mir das immer wieder schwer fällt, notfalls auch gegen eine Mehrheit (wir sind zwar nur drei Personen als "Kernteam", jedoch wenn zwei eine andere Position beziehen, als ich sie habe, ist es eben doch eine doppelte "Gegnerschaft", und es sind zwei Frauen) Stellung zu beziehen!

Ich habe gesagt, daß nun schon seit Anfang des Jahres diese "Lange Nacht" unsere regelmäßigen Montagsrunden beherrschen würde und es bei mir mittlerweile so wäre, daß ich das Wort "Lange Nacht" bald nicht mehr hören könnte. Ich war nicht emotionslos. Schön wäre das nicht, wenn ich mich nun so "auskotzen" würde, kam es mir entgegen.

Ich machte dann noch den Vorschlag, daß wir vielleicht die Position des Gesprächsführers rotieren sollten. Vielleicht ist das sogar die Ursache für die Entwicklung. Da K. aus dem Bereich der Geschäftsführung und Öffentlichkeitsarbeit kommt, fällt ihr Augenmerk natürlich viel mehr auf die Öffentlichkeitswirksamkeit, als auf die eigentlichen Projekttage mit Schulklassen.

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Ich weiß, daß K. keine ist, die das Ruder an sich reißt. Sie macht einfach nur ihre Arbeit. Das ist ja das Schöne an der Gruppe, daß da kein Leiter ist. Da sitzt gleich und gleich am Tisch. Dennoch gibt es natürlich Facetten, und die hängen jeweils mit der Herkunft der einzelnen Personen zusammen. Und dadurch, daß K. nun schon seit einiger Zeit die Gespräche leitet, bekommen natürlich auch die Themen eine entsprechende Färbung.

Für mich war es in diesem Moment gut, daß ich mir nicht den Vorwurf anhören mußte, ich selbst würde mich nicht um die Gesprächsführung bemühen. Denn gerade heute wollte ich ja meinen Vortrag vorstellen und hatte das auch angekündigt. Als aber dann die Antwort kam (s. letzter Eintrag), da war das für mich gestorben. Ich werde einen liebevoll ausgearbeiteten Vortrag nicht zwischen Tür und Angel vorstellen. Da muß ich sagen, haben meine Gesprächspartner nicht verstanden, wie ich das gemeint hatte: als Gelegenheit für sie, sich den Vortrag anzusehen.

Ich habe dann aber noch aus meinem Arbeitsalltag erzählt und daß ich an sehr vielen Stellen engagiert bin. Und daß es wegen der vertraglichen Situation auch nicht einfach wäre, irgendwo "Nein" zu sagen. Ich dies aber tun müsse, weil mir die Dinge sonst über den Kopf wachsen.

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Nächste Woche werde ich die Runde eröffnen, das ist das Ergebnis. Und darin liegt auch wohl immer die Scheu vor der Artikulation von Ärger: das Resultat davon ist nämlich zumeist mehr Verantwortung.

Michael

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