Willkommen auf Tagtt!
Tuesday, 16. April 2024
Tagebücher » Marcurie » News, Bilder, Videos - Online
Tagebuch Marcurie
2007-12-13 21:00
Titel?
Braucht ein Tagebuch einen Titel? Habe ich Lust mich jetzt mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein Tagebuch einen Titel braucht? ...Nein, deswegen habe ich mich schließlich nicht hier angemeldet. Ich habe mich hier angemeldet, weil ich alles, was mir momentan im Kopf rumschwirrt rausschreiben will. Ich brauch wieder Platz in meinem Kopf. Da gibt es so vieles; Erinnerungen, Gefühle, Gedanken, Zukunftsträume... Nicht, dass ich das nicht gern in meinem Kopf habe. Im Gegenteil, ich liebe es an all die schönen Momente zu denken, die ich vor allem in den letzten zwei Monaten hatte. Nur dadurch gerate ich ins Träumen. Nicht, dass ich was gegen Träume habe, aber wenn man morgens aufwacht und nach einer Nacht mit wunderschönen Träumen sich in Gedanken versunken sein Kirschmarmeladentoast schmiert und dabei vergisst, dass man Kirschmarmelade eigentlich gar nicht mag, ist das nicht mehr so schön. Und um dem entgegenzuwirken, habe ich mich entschlossen, meine Geschichte aufzuschreiben.
Da dies ein Tagebuch ist, fange ich mal mit meinem gegenwärtigen Befinden an, obwohl man dazu die Vorgeschichte kennen sollte, aber zu der komme ich später.
Ich warte... den ganzen Tag tue ich nichts anderes. Ich warte. Auf was weiß ich nicht so genau. Auf eine Email, die mir sagt: "Ich vermisse Dich" oder auf einen Anruf, der mir sagt: "Es ist schön, deine Stimme mal wieder zu hören".
Nichts dergleichen. Deshalb warte ich. "Alles nimmt ein gutes Ende für den, der warten kann" sagte schon der russische Schriftsteller Leo Tolstoi. Manchmal kommt es auch vor, dass ich, mein Kirschmarmeladentoast kauend, zum Briefkasten schlurfe und enttäuscht feststelle, dass die Spinne in der hinteren linken Briefkastenecke eine Fliege zum Frühstück verzehrt. Das ist jedes Mal ein Schlag in die Magenkuhle und mein halbverdautes Toast versaut mir zum zweiten Mal an diesem Morgen die Laune. Und dann stehe ich vor dem leeren Briefkasten. Ich fange wieder an, meine Gedanken schweifen zu lassen und merke nicht, dass hinter mir die Haustür zufällt...

Sehnsucht würde ich das nicht nennen. Es ist nur so, dass etwas fehlt. Etwas, das früher da war, ist nun nicht mehr da und diese Leere versuche ich mit meinen Gedanken zu füllen. Das Etwas ist seit einer Woche in Taiwan und hat mich hier alleine zurück gelassen. Und es dauert noch ganze 10 Monate, bis es wiederkommt. Dieses Etwas ist mein Freund.
Wir kennen uns noch nicht allzu lange, aber trotzdem sind J. und ich uns ziemlich vertraut. Er war früher in meiner Parallelklasse ist aber in der 10. Klasse sitzen geblieben und ist nun eine Klasse unter mir. Er wäre mir nicht weiter aufgefallen, wenn er nicht komischerweise denselben Nachnamen gehabt hätte, wie eine zwei Jahre ältere Freundin von mir, mit der ich zusammen Handball gespielt habe. Dies ist mir zum ersten Mal aufgefallen, als er bei uns in der Halle war und seine Schwester ein Spiel hatte, bei dem ich Zeitnehmer machte. (Für die Handballuninteressierteren: Als Zeitnehmer ist man der verlängerte Arm des Schiedsrichters und sitzt am Spielfeldrand, notiert die Torfolge, achtet auf die Zeit etc.) Ich saß da also in der Halbzeitpause an meinem Tisch mit einer Freundin, als er plötzlich vor mir stand. Er war groß und seine blonden Haare fielen ihm locker über die Stirn.
Zu dem Zeitpunkt kannte ich ihn nur als den netten Tänzer (er tanzt Lateinformation) mit der kleinen süßen Freundin. In den Pausen sah ich die beiden ab und zu an mir vorbeigehen, denn ich beobachte mit meinen Freunden zu gerne die Leute an unserer Schule, die in den Pausen durch die Flure laufen. Doch seit diesem einen Handballspiel stellte ich fest, dass auch er gerne andere Leute beobachtet. Jedenfalls kreuzten unsere Blicke sich immer öfter.
Dann addete er mich bei icq. Das ist so ein Instant-Messaging-Programm und wir fingen an, uns per Chat zu unterhalten. Klar, rein freundschaftlich, dachte ich, denn er hat ja eine feste Freundin und das schon seit über einem Jahr. Man, ist der nett, dachte ich. Er verdreht bestimmt vielen Mädchen mit seiner Nettigkeit den Kopf…
Auf einer Party bei einer Freundin haben wir uns wieder gesehen und den ganzen Abend zusammen diskutiert. Tage später kam eine SMS. „Ich brauche jemanden zum Reden. Und ich glaub du bist die Richtige dafür. Hast du vielleicht ne Stunde Zeit für mich?“ „Klar“ habe ich geantwortet und wir haben uns am See getroffen, denn dieser liegt in der Mitte von seinem und meinem Haus. Wir saßen eine lange Zeit auf einer Bank am See und er hat mir von seiner Beziehung erzählt. Es liefe schon seit einiger Zeit nicht so gut und er wisse nicht, was er tun soll. Dann erzählte er mir, dass er in ein paar Monaten nach Taiwan fliegen wird, um dort ein Austauschjahr zu machen. Auch das bereite ihm Kopfzerbrechen, da er keine Freundin hier haben möchte, solang er weg ist. Ich hörte ihm zu und zum Schluss verabschiedete er sich mit den Worten: „Danke fürs Zuhören. Das habe ich echt gebraucht.“
Eine Woche später trafen wir uns wieder am See. Ich stellte fest, dass er eine Person ist, die gerne und viel redet. Damit hatte ich überhaupt kein Problem, denn ich halte mich generell lieber kurz. Gerade das machte unser Treffen sehr harmonisch. Nach dem zweiten Treffen unterhielten wir uns wieder im Chat und er schrieb so liebe Sachen und machte Andeutungen. Dann kam der Erste Mai, an dem bei uns Jugendlichen traditionell ein Marsch stattfindet. Es gab kein Ziel und der Alkohol floss. J. und ich sind mit vielen anderen marschiert und irgendwann sind wir mit seinen Kumpels abgebogen und ich war das erste Mal bei ihm zuhause. Wir haben mit sieben Leuten eine DVD geschaut und schließlich sind wir nach draußen gegangen, weil das Taxi da war, welches sich seine Kumpels bestellt hatten. Leider (oder vielleicht auch zum Glück) fuhr es nicht in die Richtung, in die ich gemusst hätte um nach Hause zu kommen. So fuhr das Taxi ohne mich und als es weg war, standen J. und ich an der Straße und er sagte: „Entweder ich ruf dir jetzt ein Taxi, oder ich ruf dir in einer Stunde ein Taxi. Du hast die Wahl“ Wooow, er kann ja so süß gucken! Ich konnte nicht widerstehen und sagte: „Überlasten wir das Taxiunternehmen nicht, rufen wir später eins.“ Wäre ich nüchtern gewesen und hätte ich an seine Freundin gedacht und nicht dieses süße Lächeln von ihm gesehen, hätte ich das niemals gesagt. Na ja, also ging ich mit zu ihm und wir schauten uns noch eine zweite DVD an. Diesmal meinen Lieblingsfilm. An dem Abend haben sich unsere Finger zum ersten Mal berührt und ich muss ehrlich sagen, ich habe es genossen! Ich hätte noch Stunden auf dem schwarzen Ledersofa sitzen können und seine Hand auf meiner spüren können.
Am nächsten Tag, habe ich mich in die Lage seiner Freundin versetzt und mir ist klar geworden, dass der gestrige Abend nicht bloß rein freundschaftlich war. Also sagte ich ihm: „J., ich kann mich nicht mehr mit dir treffen. So wie du dich verhältst und das was du schreibst, klingt für mich nicht freundschaftlich. Deine Freundin findet das bestimmt auch nicht gut und ich möchte mich nicht zwischen sie und dich schieben. Ich habe ein furchtbar schlechtes Gewissen“ Daraufhin gab es eine laaange Email in der er versuchte, sich für sein Verhalten zu entschuldigen. Irgendwas geklärt hatte das aber auch nicht. Ich befand mich in einem totalen Zwiespalt. Einerseits sagte mir mein Bauch: „Mensch, so was ist dir noch nie passiert. Er ist perfekt.“ Und andererseits sagte mir mein Verstand: „Er ist nichts für dich. Er kommt aus einer ziemlich reichen Familie und außerdem hat er eine Freundin.“
Es gab einen kleinen Streit zwischen J. und mir, weil ich unser drittes Treffen am See abgesagt habe mit der oben genannten Begründung. Er schrieb mir ne kurze SMS: „Schade, ich hätte mir eine Freundschaft vorstellen können, aber wenn das zuviel verlangt ist…“ Wenn mich was auf die Palme bringt, dann ist das so etwas! Was hätten denn Andere an meiner Stelle gemacht? Was tut man, wenn man Sachen gesagt bekommt wie „Ich fühl mich bei dir wirklich wohl. Ich habe mich selten mit einer Person auf Anhieb gut verstanden. Ich genieße jede Sekunde mit dir. Ich wünschte wir hätten uns unter anderen Umständen kennen gelernt.“ Für mich war das eindeutig mehr als Freundschaft. Aber ich sagte ihm: „Okay, dann habe ich mich wohl getäuscht. Ich würde gern mit dir befreundet sein“ Und das stimmte ja auch. Zu dem Zeitpunkt war ich mir noch keinerlei Gefühle für ihn bewusst, also Gefühle die man hat, wenn man verliebt ist etc. Gut, ich war noch nie verliebt und bin generell nicht der Typ, der viel mit solchen Emotionen anfangen kann. Ich bin eher der rationale Typ, der alles eher nüchtern betrachtet. Ich kam gut mit J. zurecht, also warum nicht gut mit ihm befreundet sein? So kam es, dass wir uns wieder regelmäßig zum joggen und reden trafen, wir gingen ins Kino und zusammen Einkaufen.
Und dann kam Abi Ulk. Die Klausuren waren geschrieben und unsere Abiturienten haben, wie jedes Jahr ihren Unfug im und am Schulgebäude getrieben und eine Party auf der Wiese vor dem Sportplatz organisiert. Unter den Abiturienten war A., J.’s Schwester und meine Handballkameradin. Angetrunken (wie alle Abi’ler) kam sie auf mich zu und sagte mit ernster Miene, ein wenig lallend: „Wir müssen reden. Komm mit“ und wir stellten uns etwas abseits an einen Stehtisch. „J. mag dich wirklich sehr.“ Fing sie an. „Er würde nichts lieber, als mit dir zusammen zu sein. Ich habe mit ihm schon oft drüber gesprochen.“
Ich sah sie an. „Er hat eine Freundin!“ sagte ich und wollte grad wieder etwas sagen, als A. mir ins Wort fiel. „Die Beziehung läuft nicht mehr. Er liebt sie nicht mehr. Schon lange nicht mehr…Egal was du denkst, du bist nicht der Grund dafür, also fühl dich nicht schuldig. Es lief schon nicht mehr gut, bevor ihr euch kennen gelernt habt, nur hat sich J. nie getraut Schluss zu machen und es ging ihm deswegen auch echt schlecht. Dann kamst du und er war zum ersten Mal wieder etwas glücklicher.“ Ich konnte das alles irgendwie nicht so recht glauben und stand völlig perplex an diesem Stehtisch. Sie sagte: „Ich hol jetzt J. und ihr müsst reden.“ - „Nein!!“ rief ich. Das wollte ich jetzt um Gottes Willen nicht, doch sie stolperte zu J., zog ihm am Ärmel und ehe ich irgendetwas tun konnte, standen wir uns gegenüber. Erst herrschte Stille und dann sagte er: „M. alles was meine Schwester dir gerade gesagt hat, ist wahr. Ich mag dich wirklich, ich habe mich noch nie mit jemanden so gut verstanden und ich habe mich bei niemanden so wohl gefühlt.“ Ich sagte ihm, dass er eine Freundin hat und bin gegangen.
Abends kam eine SMS. „Ich weiß jetzt, was ich zu tun habe und ich weiß, dass wir reden müssen. M. du bist mir verdammt wichtig. J“ Das wollte ich doch alles gar nicht hören. Das ist nicht die Basis einer Freundschaft.
An dem ersten Wochenende im Juli kam er zu mir und küsste mich. Er war nicht mehr mit seiner Freundin zusammen.

Nach diesem Abend war ich so verwirrt! Ich hab mir unseren Hund geschnappt und bin mit ihm raus aufs Feld und hab über J. und mich nachgedacht. “ Ich mag ihn, ich mag ihn wirklich“ ging es mir durch den Kopf. Aber er fliegt in zwei Monaten nach Taiwan. Entweder habe ich jetzt noch zwei schöne, glückliche Monate und einen vielleicht etwas schmerzlichen Abschied, oder ich blocke alles ab und hoffe, dass ich mich dadurch nicht unglücklich mache. Ich kam zu dem Ergebnis, dass ich die Sache sich einfach entwickeln lassen wollte. Ich sagte mir, ach zwei Monate, das ist noch eine lange Zeit und ging wieder nach Hause.
Es waren noch gute zwei Wochen Schule bis zu den Sommerferien. Jedoch trafen J und ich uns nur nachmittags und am Wochenende und ließen es in der Schule und vor Freunden so aussehen, als seien wir nur befreundet. Ich glaube, das wollte er so. Ach, wir haben so viel gemeinsam unternommen!
Und als die Sommerferien endlich da waren wurde gefeiert. Egal ob auf Privatpartys oder in der hiesigen Disko. Und jedes Mal sahen wir uns und redeten miteinander, küssten uns öffentlich jedoch nie. Irgendwann fragte ich, wie es mit seiner... nun ja, jetzt Ex-Freundin aussieht und er meinte, dass sie die Trennung nicht verkrafte. Klar, das war ja wohl auch verständlich. Sie waren über ein Jahr zusammen und plötzlich ist Schluss und er hat ne Neue. Schon wieder überkam mich das schlechte Gewissen. Das muss er bemerkt haben und sagte mir: „Ich habe nicht nur Schluss gemacht, weil ich dich kennen gelernt habe. Es lief vorher auch nicht mehr gut. Hör auf dir Vorwürfe oder so zu machen.“
Aber man kommt sich doch komisch vor.
Dann war Schützenfest und ich war mit meinen Mädels da. Und ohh wie wunderbar, ich entdeckte ihn an der Biertheke und freute mich, dass er an diesem Abend auch da war.
Bei „Cotten Eye Joe“ haben wir Mädels uns auf die Tanzfläche gestürzt, weil die Stimmung echt gut war an dem Abend. Und dann spielten sie „Time of my life“ und ich dachte, hey, es wäre doch richtig stark, wenn J. jetzt hier wäre. Ich schaute mich um, aber entdeckte ihn nicht. Also tanzen wir Mädels freestyle-mäßig zwischen den ganzen Pärchen rum und sangen lauthals mit. Plötzlich merkte ich Hände an meiner Hüfte, die mich drehten und dann stand ich J. gegenüber. Er nahm meine rechte Hand und legte Seine um meine Hüfte. „Ahh, Stopp, ich kann nicht tanzen!“ rief ich. „Ach was, schau, es ist ganz einfach…“ entgegnete er. Von wegen. Ich gab mir wirklich Mühe, aber irgendwie geriet sein Fuß immer unter meinen und wir stolperten über die Tanzfläche. Es muss sehr lustig ausgesehen haben. „Das müssen wir unbedingt noch üben“ flüsterte er und das Lied ging zu Ende. Ich wollte grad was entgegnen, als die Band anfing „Angels“ von Robbie Williams zu spielen. „Jetzt haben wir noch ne Chance.“ Grinste er und wir fingen wieder an zu Tanzen. Eigentlich mag ich das Lied nicht sooo gern, aber seit dem Abend kann ich mir das Lächeln nicht verkneifen, wenn ich dieses Lied höre. Mit dem Tanzen klappte es wirklich besser, als beim Lied davor. Übung macht wohl doch den Meister. Als die letzten Töne ausklangen sahen wir uns lange in die Augen und dann küssten wir uns! Ich kam mir vor, wie in einem Julia Roberts Film. Aber das Schönste war, dass er mich in der „Öffentlichkeit“ geküsst hatte. Das war für mich eine Art Bestätigung, dass er es doch ernst meint.
Selbst noch Tage danach musste ich mir anhören: „Du bist mit ihm zusammen?! Seit wann ist er nicht mehr mit seiner Freundin zusammen? Hat er wegen dir Schluss gemacht? Was sagt „Sie“ dazu? Fliegt er nicht bald?“ Und so weiter. Ich hatte es ja auch niemanden gesagt, zumal ich mir selbst nie so sicher war, ob wir nun wirklich richtig, richtig zusammen sind. Ich sagte immer noch nicht viel dazu und die anderen schienen das zu akzeptieren.
Dann, eines Abends kam ich vom Handballtraining nach Hause und war genervt, weil ich noch für meine theoretische Führerscheinprüfung lernen musste. Zufällig schaute ich auf mein Handy auf dem Schreibtisch und sah, dass J. mir geschrieben hatte. „Komme gleich vorbei und helfe dir beim lernen.“ Und just in dem Moment klingelte es an der Tür. Wir haben uns einen Topf Nudeln gekocht und er hat mir vieles erklärt, was ich vorher nie wirklich verstanden hatte.
Am nächsten Morgen sind wir in aller Frühe mit dem Fahrrad die 8 km bis zur Fahrschule mit dem Fahrrad gefahren und während ich drinnen meine Prüfung machte, wartete er. Nach 15min kam ich ziemlich erleichtert aus der Tür und er grinste und nahm mich in den Arm. „Und die Praktische schaffst du dann auch ohne mich“ flüsterte er. Achja, fiel es mir ein. Wenn ich Praktische mache, ist er nicht mehr da. Und auf einmal war meine Freude weg.

Fast vier Monate ist er schon weg und jetzt zu Weihnachten kommt so eine melancholische Stimmung auf. Wie gern hätte ich ihn jetzt bei mir, um gemütlich zu zweit unter einer Decke auf dem Sofa eine DVD zu schauen, während der Regen gegen die Fensterscheibe prasselt. Dazu eine schöne Tasse Tee und der aromatische Geruch seiner Calvin Klein Körperlotion, der mir sagt, dass er da ist.
Ich schließe die Augen und stelle mir genau diesen Geruch vor. Und ich denke an den Sommer zurück…
„Ach Scheiße“ sag ich mir, während ich die Augen wieder öffne. Das bringt doch nichts. Er ist da und ich bin hier und das Einzige, was man machen kann, ist warten. Und das tue ich auch. Und je voller der Terminplan und je mehr man mit seinen Freunden um die Häuser zieht, einen Endspurt in der Schule einlegt oder sich mit anderen Dingen beschäftigt, umso schneller geht die Zeit vorbei.
Ende September hatte ich einen Unfall. Es passierte während des Sportunterrichtes. Ich bin gelaufen und wollte einen Ball fangen, als plötzlich jemand in meinen Laufweg gesprungen ist und mich zu Boden riss. Ich stürzte, fiel aufs Knie und blieb erstmal verdutzt liegen. Irgendwie konnte ich die Schmerzen nicht definieren, es fühlte sich ganz merkwürdig an. Auf einmal war ich umringt von Schülern und unser Sportlehrer fragte, wo es wehtut und ob ich aufstehen könne. Die erste Frage bejahte ich, bei der zweiten schüttelte ich den Kopf. Es ging wirklich nicht, auch wenn die Schmerzen nicht so groß waren. Also rief er einen Krankenwagen. Oh Gott war das peinlich, als die zwei jungen Sanitäter in die Sporthalle gerannt kamen und eine Bahre hinter sich her zogen. Da musste ich doch glatt anfangen zu lachen. Ich wurde also auf diese Bahre gelegt und durfte im Krankenwagen ins Krankenhaus fahren. Irres Gefühl. Während ich da so lag, stellte ich mir vor, wie stressig es sein muss, wenn wirklich mal etwas Ernstes passiert und es während der Fahrt um Leben und Tod ging. Mich überkam ein schlechtes Gewissen, weil ich ja nicht wirklich schwer krank war, dass ein schneller Transport ins Krankenhaus von Nöten war. Meine Gedanken wurden von den Fragen des Sani unterbrochen. Er wollte alles ganz genau wissen. Was ist wann wo warum passiert. Ich schilderte ihm den Vorfall so gut ich konnte. Im Krankenhaus selbst erwartete mich ein unmotivierter, schlecht gelaunter Arzt, der mich die gleichen Fragen erneut fragte. Danach wurde mein Knie geröntgt, aber nichts festgestellt. Also schickte man mich wieder nach Hause mit einem Termin eine Woche später. Ich humpelte so gut es ging aus dem Krankenhaus und rief meine Mutter an, ob sie mich abholen könne. Auf dem darauf folgenden Tag schwoll das Knie an und ich war die ganze Zeit am Kühlen. Die Schmerzen waren auszuhalten, trotzdem holte ich mir die Krücken von meinem Cousin, weil mir das Gehen doch schwer fiel. Nach drei Tagen legte ich sie aber wieder zur Seite. Ich konnte zwar auftreten, aber das Knie nicht ganz durchstrecken. Ich dachte, dass kommt, weil ein Erguss im Knie ist und habe mir nicht weiter Gedanken drüber gemacht. An dem Montag nach dem Unfall sind wir wieder ins Krankenhaus gefahren und nach zweieinhalb Stunden Wartezeit, sagte man mir, ich solle zur Kernspintomographie gehen und bekam einen Termin, wieder für eine Woche später.
Also ließ ich eine Kernspintomographie über mich ergehen und war ziemlich geschockt, als der Arzt mir sagte, was mit meinem Knie los sei. Kreuzbandriss! Meniskusschaden! Zu viel Flüssigkeit drin! Ich saß da und ich saß nur noch Menschen in grünen Anzügen mit Mundschutz und weißes Licht, viele Geräte, ein piependes EKG-Gerät und und und… Ich hatte das große P in den Augen und dann hörte ich die Worte vom Arzt: „… sodass wahrscheinlich ein operativer Eingriff nötig ist.“ Ahhhhhh! Das kam wie ein Sprung ins kalte Wasser. Und dann kamen die formalen Dinge, die meine Mutter regelte. Am 18. sollte die Operation stattfinden, zwei Tage vor den Ferien. Vor den Ferien?! Moment, wir wollten für zwei Wochen nach Schweden! Naa toll.
Am Mittwoch davor, am 17., kam ich mit meiner Sporttasche ins Krankenhaus und ließ mich einweisen. Dann kamen im Laufe des Tages vier verschiedene Ärzte, die mir vier verschiedene Meinungen zu einer Operation sagten. Klar, das war so was von beruhigend! Der eine sagte, man macht am Besten eine Spiegelung vom Knie und den anschließenden Eingriff gleich nacheinander, der andere sagte, zwei Operationen mit einem Abstand von zwei Wochen seien besser. Der andere sagte wieder was anderes und beim vierten hab ich schon gar nicht mehr hingehört.
Mir war alles gleichgültig, ich brauchte nicht einmal eine „Scheiß-Egal-Tablette“. Ich lag lange im Bett und starrte einfach nur die Decke an. Irgendwann gegen ein Uhr schlief ich ein und hatte eine unruhige Nacht. Und eine kurze dazu! Um fünf Uhr (jaaa um fünf!) kam eine Krankenschwester und meine ich könne jetzt noch eben duschen. Also hievte ich mich aus dem Bett und schlurfte zur Dusche. Wie kann man jemanden nur um fünf Uhr morgens wecken? Aber die Dusche tat gut, aber trotzdem fiel ich danach total kaputt ins Bett und in eine Art Halbschlaf. Ich bekam so halb mit, wie meine zwei Bettnachbarinnen, zwei nette alte, schnarchende Damen ihr Frühstück bekamen. Einige Zeit später bewegte sich mein Bett und ich rief: „Scheiße, mein Bett ist lose, ich roll weg!“ Lachen… ich machte die Augen auf und errötete. Dass ich in meinem Bett den Gang runterrolle und nicht anhalten konnte, war nur ein Traum gewesen. In Wirklichkeit sah ich, wie ein junger Krankenpfleger mich aus dem Zimmer schob. Er sagte: „Du hast geträumt, hm? Keine Panik, ich lass dich nicht einfach wegrollen.“ Und er zwinkerte. Man, war das peinlich. Ich grinste nur doof und zog mir die Decke über den Kopf. Ich wurde in den Operationssaal geschoben, von hier nach dort gehievt, kam an den Tropf und wurde an ein EKG-Gerät geschlossen. Das war fast wie im Film. Ich hielt aus Spaß die Luft an und die EKG-Kurve veränderte sich. Das war ziemlich interessant. Dann wurde mein Arm verdammt schwer und ich dachte – alter, was ist denn jetzt los? Irgendwas stimmt hier nicht, meine Handoberfläche fängt an zu brennen. Ich wollte grad den Arzt Bescheid sagen, aber plötzlich war er weg und es war dunkel und mehr bekam ich nicht mit.
Eine Woche verbrachte ich im Krankenhaus. Dann durfte ich endlich nach Hause. Vier Wochen mit Krücken laufen und ein halbes Jahr kein Handball mehr. Gibt es was Schlimmeres? In dem Moment fiel mir nichts anderes ein. Zum Glück hatten wir noch eine Woche Ferien und ich war mit Oma allein zu Hause (meine Eltern waren im Urlaub), sodass ich jeden Tag meine Freunde einlud und wir viele gemütliche Abende veranstalteten. Die drei Wochen mit Krücken in der Schule waren auch gar nicht so schlimm. Bei vielen hatte ich den „Krüppelbonus“, den ich auch voll und ganz ausgenutzt habe.
In dieser Zeit habe ich gemerkt, wie toll meine Freunde sind. Sie sind echt die liebsten Menschen, die ich kenne und mir ist klar geworden, wie schrecklich es ohne sie wäre.
Jetzt sind fast acht Wochen rum und ich kann mein Knie immer noch nicht ganz beugen und strecken und die Schmerzen sind immer noch da. Aber so langsam bauen sich die Muskeln wieder auf und ich merke, wie es bergauf geht.
Doch in dieser ganzen Zeit hat sich J. nicht gemeldet. Nicht mal eine SMS vor der Operation und auch nach der OP keine Erkundigungsmail. Das war ziemlich enttäuschend und ich saß wieder da und dachte, warum nicht? Und Schwupps war der Zweifel wieder da.
Jetzt schreiben wir uns ab und zu Mails, ich berichte ihm, was hier so passiert und er erzählt von seinen Erlebnissen.
Komischerweise bin ich kein bisschen eifersüchtig, obwohl er viel von anderen Mädchen berichtet. Wahrscheinlich weiß ich, dass ich eh nichts ändern kann und so wie ich ihn kenne, wird er dort bestimmt nicht ein ganzes Jahr in Abstinenz leben. Aber ich kann es ja nicht beweisen und die eifersüchtige, daheim gebliebene, nervige Freundin möchte ich auch nicht sein. Also beschäftige ich mich mit anderen Dingen und warte…

Tags

Kommentare

17:44 01.09.2007
Oh gott ist die geschichte schön und kompliziert.... mir gefällt es sehr wie du schreibst und du scheinst echt n nettes mädel zu sein. schreib einfach alles was dich bewegt, es wird dir gut tun. viel erfolg.
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

13:41 29.08.2007
Herzlich Willkommen und viel Spaß und Erfolg beim schreiben. Mir hilft es immer sehr wenn ich meinen Kummer oder meine Sorgen mal abladen kann. Meistens findet sich auch ein guter Rat von den anderen Lesern, der einem weiterhelfen kann.
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

Kommentieren


Nur für registrierte User.

Marcurie Offline

Mitglied seit: 29.08.2007
DE mehr...
Wirklich beenden?
Ja | Nein

2007-12-13 21:00