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Tagebuch Malaika
2006-07-31 13:56
Wie härte ich mich ab?
So, dass mir Worte nicht immer so weh tun.

Ich muss an S. denken. Den habe ich früher überhaupt nicht verstanden, wenn er genau davon anfing. Damals dachte ich, wie kann man nur so hypersensibel sein? Jetzt hänge ich plötzlich selbst in der gleichen Ecke. Ironie des Lebens...

Vielleicht hat es doch etwas damit zu tun, dass Worte mein Arbeitsmittel sind? Hm... Bücher haben mich schon immer mehr berührt als Filme, obwohl ich Filme wirklich liebe, aber Bücher sind wie eine langsame Entdeckungsreise und bleiben bei mir länger haften.

Mir geht das auf die Nerven, ich will nicht die übersensible Schreiberin sein. Worte treffen mich mehr als eine Ohrfeige. In der Wut zum Beispiel sagt man zwar oft Dinge, die man "nicht so meint", aber ein Kern Wahrheit ist immer enthalten, sonst käme man ja gar nicht erst auf diesen Gedanken.

Wenn ich so nachdenke, dann wird mir das häufiger vorgeworfen, nicht nur im Zusammenhang mit Worten. Letztens z.B. hat eine Frau ihr Kind auf der Straße geschlagen. Ich konnte das nicht ertragen und bin dann zu ihr hin, obwohl mein Herz wie wahnsinnig geklopft hat und habe das Kind gefragt, ob es Hilfe braucht. Die Kleine war total verängstigt und die Mutter hat auch schon angefangen zu schimpfen, das würde mich doch nichts angehen, usw. Natürlich geht mich das was an, wenn jemand auf offener Straße sein Kind schlägt. Hinterher war die Frau ruhig, aber der Blick der Kleinen hat mich nicht losgelassen. Sie tat mir so leid.
Dazu dann später Kommentare, wieso ich eigentlich überhaupt noch darüber nachdenke, so ist nun mal das Leben, leben und sterben lassen und ähnlicher Kram. Ich solle doch nicht so sensibel sein und mir alles zu Herzen nehmen.

Vielleicht werde ich ja auch einfach nur mit dem Alter sensibler.

Oder in der Bahn, da saß letztens eine Frau, die geheult hat. Das konnte ich auch nicht ertragen, ich fand es richtig schlimm, wie alle sie angestarrt haben und bin dann halt zu ihr hin, wusste ja auch nicht, was ich sagen sollte, aber wenigstens ein Taschentuch. Wie macht man das, dass einem sowas egal wird? Oder dass einem sowas nicht zu Herzen geht? Wie kann man Menschen beim Leiden zusehen, ohne davon selbst berührt zu werden?
Ich will ja gar nicht Mutter Teresa werden und sehe mich selbst nicht als kleiner Engel, der Amelie-mäßig durch die Stadt gurkt und allen Menschen hilft. Jetzt muss ich plötzlich an eine Jugendliche denken, die ich mal betreut habe. Sie ist jahrelang von ihrem Onkel missbraucht worden und hat es nicht geschafft, ihn anzuzeigen. Irgendwie hatte sie aber angefangen sich aufzurappeln und hatte so viel vor. Dann ist sie mit ihrer Freundin heimlich ausgegangen und sie hatten den letzten Bus verpasst. Aus Angst, Ärger zu kriegen, haben sie keinen Betreuer angerufen, sondern sind mit irgendwelchen Typen mitgegangen, die sie im Wald vergewaltigt haben.
Ich habe sie nur noch einmal gesehen und kaum wieder erkannt. Eine Woche später hat sie sich umgebracht. Ich bin damals wie erstarrt gewesen und konnte gar nicht normal weiter machen.
Manchmal, so wie jetzt, denke ich noch daran. Und wünschte, ich hätte irgendwas tun können.

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