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Tagebuch lorus
2010-05-17 18:18
Nachlieferung - Text zu den Bildern vom 15.05.

Mein Kraftort liegt in einem kleinen Tal mit Bach und Fischweiher. Der Burghügel, der es säumt, ist mit Grotten durchzogen und mit Felsen bestückt. Dieses Tal scheint offenbar immer eine besondere Bedeutung für die Menschen der Region gehabt zu haben. So fand man bei Ausgrabungen (1910 und 1914) Überreste von menschlicher Besiedlung aus dem Mesolithikum und eine Grabanlage aus dem frühen Neolithikum. Einige Besonderheiten weisen auf eine Kultstätte in einer der Höhlen hin. Wenig Funde gibt es aus der Keltenzeit, man vermutet aber eine Kultstätte der Druiden. Die Gegend war dann längere Zeit von den Römern besiedelt. Sie haben vermutlich die Fischweiher angelegt. Dass eine der Höhlen ein Mithräum beherbergte wird angenommen, lässt sich aber wissenschaftlich nicht beweisen. Im 7. Jahrhundert kam Odilie. Sie war ihrem Vater Etticho davongelaufen, da dieser sie zu einer Heirat zwingen wollte. Doch sie hatte bereits das Keuschheitsgelübde abgelegt und wollte nur Gott dienen. Der Aufenthalt in diesem Tal gab ihr die Kraft (offensichtlich damals schon ein Kraftort) ihren Vater für ihre Pläne zu gewinnen. Auch die Gralsströmung soll hier beheimatet gewesen sein.

Und dann, im ausgehenden 18. Jahrhundert, entstand der Garten. Die Welt war damals im Wandel, neue Ideen kamen auf, u.a. auch Ideen für eine "natürliche" Gartengestaltung. Und so machte sich die Frau des Vogtes, Balbina von Andlau und ihr Cousin, der Domherr Heinrich von Ligertz daran in dem Tälchen hinter dem Andlauerhof (Balbinas Wohnsitz) einen Garten anzulegen. Er wurde am 28. Juni 1785 eröffnet und erregte bald grosses Aufsehen. Viele bekannte Persönlichkeiten der damaligen Zeit, darunter auch Goethe, lobten ihn überschwenglich. Es würde den Rahmen des tagtt. sprengen, den Garten in allen Einzelheiten zu beschreiben. Nur so viel:  Es gab eine Apollo-, eine Dionysos- und eine Proserpinagrotte, aber auch einen Karusselplatz für die Belustigung der Kinder. Und natürlich baute man eine Ermitage, in die man einen aus Holz geschnitzten Waldbruder setzte.

Aber ach, diese schöne, idealisierte  Welt war dem Untergang geweiht. Niemand merkte das politische Pulverfass auf dem alle sassen. Balbina musste die Zerstörung ihres Lebenswerkes durch die französische Revolutionsarmee und den einheimischen Pöbel nicht mehr miterleben. Sie war 1798 gestorben. Ihr Sohn, Conrad von Andlau, konnte erst 1810 mit der Wiederherstellung beginnen; diesmal aber ganz im Sinne der Romantik.

Weiteres Ungemach drohte in den 60-er-Jahren des vorigen Jahrhunderts. Da hatten sich doch ein paar - ich weiss nicht wie ich sie nennen soll, ohne ordinär zu werden - irrwitzige Baupläne mit Schnellstrasse, Schwimmbad und/oder Friedhof ausgedacht, die nur mit Mühe verhindert werden konnten.

In den 90-er-Jahren wurde die Anlage saniert, die Fischteiche ausgebaggert, der teilweise verwilderte Wald gerodet, das Gärtnerhaus renoviert, sodass der Gärtner, der die Anlage unterhält, darin wohnen kann.

Und natürlich wurde es von der Esoterikwelle mit Beschlag belegt. Aber auch Leute, die nichts von Bovis wissen oder wissen wollen, lieben es, dieses Naherholungsgebiet aufzusuchen und hier aufzutanken. Denn hier kann man nicht traurig, müde oder sonstwie angeschlagen sein.

Epilog

Als ich im Jahre 1991 eine Stelle im Justizdepartement des Kantons Basel-Stadt antrat, konnte ich nicht ahnen, dass in diesem historischen Gemäuer (das damals das JD beherbergte) die Idee zu meiner geliebten Ermitage entstanden war. Der Erbauer, der Seidenfabrikant Jakob Sarasin, zählte dazumal zu den gebildetsten Köpfen seiner Zeit. In seinem Philosophenzirkel, dem sogenannten "Montagsclub" verkehrten auch die Andlauer und der Domherr Ligertz. Sie lernten dort Caliostro und den Maler und Bühnenbilder Jacques Phillipe de Louterbourgh kennen, die wohl viele ihrer Ideen (auch freimaurerische)  in die Gestaltung eingebracht hatten. - Ich war während der 17 Jahre, in denen ich im JD arbeitete, oft in dem sogenannten Philosophenzimmer, wo die Treffen des Montagsclubs stattgefunden hatten. Und ich stellte mir vor, wie Balbina, ihr Mann Carl und der Domherr Ligertz zur Türe hereinkämen und  Platz nähmen. Worüber sie wohl philosophiert hatten? irgendwie erscheint es mir, als ob sich ein Kreis geschlossen hätte.

 

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2010-05-17 18:18