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Tagebuch Loewin
2005-05-20 01:03
WGT Ende: MORRIGANS Montag
Montag

In den Tagen vorher hatten alle unsere Hoffnungen sich erfüllt. Zwar hatten wir noch Pläne für den letzten Treffen-Tag, aber (wie gestern vor Autumnblaze) wir erwarteten nichts. Wir wünschten uns höchstens einen schönen Abschluß ohne schlimmes Ereignis, das alles verderben würde... und eigentlich war es sowieso unmöglich, uns zu nehmen, was wir schon hatten.

Am frühen Nachmittag besuchten wir das OMNIA-Konzert in der Agra-Halle. Am Samstag hatten Omnia ihrem Publikum das Versprechen dazu abverlangt. „Kommt alle!“ Wir hatten uns angeschaut und grinsend genickt.
Tatsächlich hatte sich das für beide Seiten gelohnt, jede Menge begeisterte ZuhörerInnen waren da, trotzdem genug Platz zum Tanzen, phantastische Stimmung, nur leider zu wenig Zeit.

Wir schrien lauthals zu Morrigan, der Göttin des Todes auf dem Schlachtfeld. „Kill, maim, fight, slay, die!“ Diesmal schrie ich mit, letztes Mal hatte ich noch gezögert. Ich liebe das Lied. Aber warum bete ich gerade zu Morrigan? Schließlich bin ich Pazifistin, ich würde weder töten noch sterben wollen für irgendetwas, erst recht für keine Göttin. Was will Morrigan in meiner Welt?
Ich schrie dennoch. Äußerte meine Bedenken nach dem Konzert gegenüber A. Er meinte, ja, ich wollte wohl keinen Krieg. „Aber das Kriegerideal, das hast du verinnerlicht.“ Richtig. Sogar mein Penname hier ist von einer Kriegerin entlehnt. Ich bin Kriegerspielerin im Rollenspiel. Wenn ich einen guten Schwertkampf sehe, muß ich weinen, weil er so schön ist. Eins der intensivsten Rollenspielabenteuer, das ich je gespielt habe, handelte von einem Krieg, meine Kriegerin mittendrin. Und ich orientiere mich an einem Ehrbegriff, den ich von Beschreibungen der Kriegerehre her kenne. Die drei Musketiere sind wichtige Leitfiguren für mich.

Trotzdem. Mit Krieg und Sterben und Töten hat das für mich real nicht wirklich viel zu tun. Morrigan ist ja nun keine sterile Idealgöttin. In dieser Gestalt ist sie Gewalt, Verderben. Ich war nicht überzeugt.

Wir strebten zur Parkbühne, diesmal ausnahmsweise mit der Straßenbahn – das gehört einfach dazu. Kamen so spät, daß wir von NEBELHEXE nur noch die letzten zwei Songs mitbekamen. Der eine war mein Lieblings – Hagalaz Runedance Song. Ich rannte ins Getümmel, in Sichtweite der Bühne. Als nächstes sang Andrea über – Morrigan. Sie verfolgte mich also, und nicht nur mich, das hier war ihr Kultfest, ihr Göttinnendienst. Hunderte Menschen beschworen sie hier, in ihrer Form als Greisin des Krieges, Tag für Tag.
Was sagte mir das?

Während der nächsten Band NFD setzte ich mich auf den Boden zwischen die Menschen, schonte meine Füße, hörte zu. Ich schloß die Augen. Wie es mir an diesem Ort schon des öfteren geschehen ist, begannen Bilder auf mich einzuströmen. Ich erinnere mich genau an die ersten Bilder, sie waren überaus eindrucksvoll.

Ich sah sie, doch sah ich mich. Mein Gesicht das Gesicht der Morrigan, Feuer und Dunkles (Blut?) in den Augen, wehendes Haar. Voller Kraft und Wut. Sie schrie. Raben flogen um sie, über mich hinweg. Jetzt, da ich es zu beschreiben suche, verschwimmt das Bild, versteckt sich hinter Szenen aus Filmen, die ich gesehen habe. Aber so war es nicht. Ich habe das alles gesehen und gespürt; es war von meinen Vorerfahrungen geprägt, das Bild, aber es war trotzdem echt. Dann saß ich da und sah alles um mich, obwohl meine Augen geschlossen waren. Die Sonne schien zu mir hinunter und erreichte mich zwischen den Menschen. Wenn ich die Augen öffnete, sah ich ihren blauen Himmel – den der Raben. Wenn ich die Augen schloß, konnte ich zwischen Dunkelheit und Feuer wechseln. Der Boden unter mir war Stein. Die Vibrationen des Basses drangen in meinen Bauch. Alle meine Sinne geschärft?

Später, bei QNTAL, tanzte ich, wandte meine Bauchtanzfähigkeiten an, besser denn je, weil ich mich mit meinem Körper im Einklang fühlte. Ich hatte ein Klick-Erlebnis und schaffte auf einmal endlich eine Bewegung, die mir immer schwer gefallen war. Ich fühlte mich selbstbewußt und schön, bis ins Mark. Die Musik harmonierte mit diesem Gefühl perfekt. Jippie! Ich genoß. Wer hätte das gedacht an unserem erwartungarmen Montag.
Alle meine Erfahrungen waren ineinander geflossen und ergänzten sich – zu mir. Ich spürte, wer ich war, auch wenn ich mich gedanklich nicht fassen konnte.

THE SKELETAL FAMILY ein weiterer Kick. Eine völlig schräge Band, mit Mitgliedern aus verschiedenen Generationen, gingen sie ab als gäbe es kein morgen. Wir mußten einfach mittanzen. Wir lachten uns schepp und freuten uns einfach nur über den Spaß, den diese Leute verbreiteten. Wir hüpften unsere restlichen Spannungen heraus (ich jedenfalls).

Abends das Agra-Halle FAUN Konzert gab mir nocheinmal die Möglichkeit zum emotionalen Schlenker. Ich bekam auf einmal Panik beim Tagelied, Verlustangst. Weinte. Zum Tanzen war kein Platz, was mich wirklich enorm frustrierte, und die Stimmung gefiel mir nicht. Alle klatschten, keineR ging ab. Grr.
Wir setzten uns während TANZWUT in einen eher leeren Bereich der Halle, seitlich der Bühne, so daß frau gar nicht schlecht sah, und machten dumme Witze. Einen Moment lang spürte ich den Wahnsinn kommen, was meist Kontrollverlust und Kreativität bedeutet.

SUBWAY TO SALLY lieferten mir die letzte Überraschung des WGT.
Ich habe sie früher sehr geliebt und war auf vielen Konzerten, aber seit der neuen CD gefielen sie mir nicht mehr. Das Konzert auf dem WGT 2003 war schlecht, keine Stimmung, miese Akustik, blöde Songs.
Ich erwartete also mal wieder NICHTS. Wir blieben sitzen. Als aber ein alter Song kam, mußte ich aufspringen, lief nach vorn und tanzte. Tanzte weiter. Tanzte das Konzert durch (mit einer interessanten Frau neben mir, die wild abging). Schrie und sang mit. Da ich nicht erwartet hatte, daß dieses Konzert wie die früheren sein sollte, machte es mir nichts aus, daß vorne kaum jemand hüpfte, oder daß ich selbst weit hinten stand. Dort konnten mich auch keine besoffenen Rumtorkler stören.
Es war so toll. Jetzt kann ich wieder guten Gewissens ein alter Subway-Fan sein, auch wenn ich die neue Platte nicht mag. Denn die Leute sind nicht plötzlich scheiße geworden. Manches ist geblieben, vieles anders geworden. Wie immer.
Auf meinem allerersten WGT habe ich Subway auch gehört, damals das erste Mal, an eben diesem Ort (ich fand auch immer schon, daß die Agrahalle ein magischer Platz ist). Ich mag es, wenn Kreise sich schließen.
Und Spiralen sich weiterdrehen.

Und Morrigan –
ich habe ja das Zerstörerische in mir kennengelernt, das ich nicht verdrängen will. Habe mich als dunkel, als Kriegsgöttin geträumt.
Mag sein, es ist gerade deshalb sinnvoll, sie anzubeten, weil das, was sie verkörpert, weitgehend aus meinem Leben verschwunden ist. Ich brauche sie, um ganz zu sein, meine Welt braucht sie. Zumindest sollte ich sie kennenlernen. Hören, was sie schreit.

Rabenmutter, hör meinen Ruf. Ich will deinen hören.
Komm flieg über meine Straßen

Du bist der Kreis in dem ich mich drehe
Feuer des Kriegs das aus mir in mich fließt –

du bist der Trommelschlag nachts ohne Ruh
weil ich wie du bin
atme ich ihm nach

Morrigan
Alptraumgesicht
Lösende Wut
Komm.

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