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Tagebuch Loewin
2006-05-17 00:54
Weltbilder
Folgendes habe ich gerade in mein lj geschrieben. Es würde mich aber auch interessieren, was ihr dazu sagt.

Ich fühle mich etwas verwirrt.
Vorhin hab ich mich mit einer Freundin, über Glauben unterhalten. Normalerweise unterhalte ich mich ganz gern über sowas, weil mich interessiert, was Menschen, besonders meine FreundInnen glauben, und ich ausgesprochen undogmatisch bin.

Nun mußte ich feststellen - und das hatte ich irgendwie verdrängt - daß es eben Leute gibt, die nicht so undogmatisch sind. Meine Freundin glaubt nämlich, daß das, was sie glaubt, wahr ist. So richtig wahr. Überindividuell wahr.

Das bedeutet, daß wir uns zwar austauschen können über Glauben, aber immer irgendwie in einer asymmetrischen Kommnikationssituation sind. Weil sie nämlich findet, daß man eigentlich Christin sein sollte, und zwar auf eine bestimmte Art. Das was ich glaube dagegen ist falsch.
Wenn ich ihr alles erzählt hätte, was ich so glaube, fände sie vermutlich nicht nur, daß das schon falsch, aber irgendwie tolerierbar ist, sondern sie würde fürchten, daß ich Satan unterstütze.

Ich habe mich immer mehr angespannt während des Gesprächs, weil es sich ganz unangenehm anfühlt, wenn jemand über Deinen Glauben auf diese Weise urteilt. Ich weiß noch nicht genau, wie ich damit jetzt umgehen soll und ob ich wirklich so gut damit klarkomme. Ich finde, meine Überzeugungen und Vermutungen haben ebenso eine Daseinsberechtigung wie ihr Glaube. Sie findet das aber nicht.

Jetzt hängen da solche Vorstellungen von strafenden Göttern und festüberzeugten Superchristen über mir, und mein Bauch zieht sich zusammen.

Komische Sache. Wißt ihr, was ich meine?

Also, komisch ist auch, daß unsere Weltvorstellung sich in vielem so ähnelt, aber in diesem Punkt so gar nicht: Meine Überzeugung ist es, daß jedeR glauben soll, was sie will, solange niemand zu Schaden kommt. Ich würde nicht missionieren, und ich würde nie nie nie behaupten, daß ich "Recht" habe, mit dem, was ich glaube.
Und diese beiden Überzeugungen (das ist nämlich viel stärker eine Glaubenssatz für mich, als alles, was mit Göttern etc. zu tun hat), also ihre feste und meine offene, stehen sich völlig unvereinbar gegenüber. Ich kenne sowas sonst nicht.
Bin ich eine Satanistin, und weiß es bloß nicht?...
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Zusatz: Ich möchte mit der Frau ehrlich gern befreundet sein, und ich habe es auch vor und will mich nicht hindern lassen (wir freunden uns gerade erst an).
Aber das ist so, als würde jemand zu mir sagen: Naja, ich mag dich schon, aber ich finde, du lebst falsch, und ich weiß einfach besser als du selbst, was gut für dich ist.
Für sie ist es normal, so zu denken, und sie hat mich gebeten, das zu verstehen. Ich verstehe es auf einer intellektuellen Ebene auch, aus der Distanz. Wirklich nachfühlen kann ich es aber ebenso wenig, wie sie nachfühlen kann, daß ich eben nicht den Christengott in jeder Naturerscheinung sehe.

Meine Glaubenssätze sind Zweifel, Offenheit, Suche nach dem, womit mensch sich persönlich wohl fühlt. Das ist das Gegenteil ihres Glaubens, oder? Und deshalb, und weil ich mich verurteilt fühle, grummelt's in meinem Bauch.
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Immerhin hab ich heute den neuen "I wish... "-Band gekauft. (Das ist ein Manwha). Der wird mich sicher trösten.

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Kommentare


unbekannt
17:37 30.05.2006
wow, was für ein toller hintergrund!

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14:34 18.05.2006
"tolerieren" ist in diesem zusammenhang, denke ich, mit das wichtigste.
anerkennendes tolerieren, keine herablassendes oder hochmütiges.
das leben ist zu kurz, um sich gegenseitig zu bevormunden oder zu ärgern.
"we R family". es gibt so viele menschen - und wer gleichgesinnte sucht und bevorzugt, findet im regelfall auch davon ganz viele.
Good luck! :)
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00:44 18.05.2006
@Gretel: Ich weiß. Ich toleriere das auch auf jeden Fall, denn ich möchte ja mit ihr befreundet sein. Ich seufze nur ein wenig beim Tolerieren. *seufz* ;)
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20:51 17.05.2006
hm dann sag ihr das aber dieses problem wird sich nicht lösen lassen. das missionieren und die ablehnung anderer glaubensrichtungen ist ja sozusagen vorraussetzung für ihren glauben. sieh das vielleicht ein bisschen erhabener, es ist ein teil von ihr den sie nicht ändern kann
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12:09 17.05.2006
@Gretel: Ja, ich verstehe schon, warum sie so denkt, und auch Deine Argumentation. Ich finde es nur schade, daß sie mich aber nicht verstehen kann und will, und das die ganze Beziehung asymmetrisch macht. Das ist mein Problem.

@Lucky: Absoluten und überzeugten Atheismus finde ich übrigens auch etwas seltsam. Eigentlich finde ich ihn in vielen Formen genauso verurteilend und tendenziell arrogant wie militantes Relgiös-Sein. (Nein, ich hab nicht übersehen, daß Du findest, jedeR soll ihren/seinen Weg finden ;)).
Ich habe meinen "Glauben", wenn frau das so nennen kann, nicht, weil ich es nicht ertragen könnte, wenn da kein Gott wäre. Um Himmels Wilen, wie könnte ich denn da Existenzialistin sein? (Ich glaube übrigens gar nicht an einen Gott). Es wundert mich, daß so viele es nötig zu haben scheinen, andere auf die eine oder andere Art herabzuwürdigen, wenn die was anderes glauben. Atheismus ist letztlich auch nicht mehr als ein Glaube wie andere, nicht schlechter, auch nicht besser.

Außerdem ist das zur Kenntnis nehmen eines anderen wie auch immer klugen Menschen und dessen Aussagen nicht dasselbe, wie mit ihm/ihr einer Meinung zu sein.
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10:55 17.05.2006
lucky hat recht, da habe ich nichts zu ergänzen.
was meine persönliche sicht angeht: ich lebe ohne religion,
wichtig sind mir eigentlich die ideale der aufklärung.
auch toleranz. natürlich würde ich ihre ansicht tolerieren.
sie mag das tun, womit sie sich wohlfühlt.
nicht bereit zu tolerieren wäre ich aber ihre art, zu missionieren
oder andere zu verurteilen - das würde mich sogar ziemlich
wütend machen.
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07:43 17.05.2006
ich verstehe dich, dass du so fühlst aber ich finde das denken (den glauben) von ihr ziemlich nachvollziehbar.
sie glaubt ja nicht an mehrere götter und wenn sie nun andere götter theoretisch "anerkennen" würde, würde das ihren glauben in frage stellen. glauben ist ja eigentlich ein komplett falsches wort dafür (*g* das muss ein ungläubiger dafür eingesetzt haben), denn glauben heisst ja eigentlich innere überzeugung. sie ist von ihrem gott überzeugt und ich glaube in der bibel steht ja, man soll keine anderen götter neben ihm dulden. daher auch die ganzen blödsinnigen religionskriege, religion und toleranz schliessen sich gegenseitig eigentlich aus (wenn es ein gottglaube dieser art ist). ich weiss nicht ob ich das jetzt gut erklären konnte aber vielleicht verstehst du sie, wenn du es aus dieser perspektive betrachtest, ein wenig besser
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01:59 17.05.2006
zwar bin ich überzeugter atheist, aber ich anerkenne, dass vielen menschen das leben leichter fällt, wenn sie an etwas höheres, ihr leben fremdbestimmendes glauben können und dürfen.
religionskritik ist nichts neues und für mich sind die aussagen ludwig feuerbach recht ergiebig und für mich persönlich gut nachvollziehbar.

ausgewählte auszüge aus wikipedia:
"Feuerbachs Ausgangspunkt zur Herleitung seiner Thesen ist die Natur des Menschen. Wesentlich für Feuerbach ist, dass Menschen Bedürfnisse und Wünsche besitzen und diese in bestimmter Hinsicht unerfüllt bleiben, weil der Mensch ein Mängelwesen ist. Das ist sein anthropologischer Kern, den Marx weitgehend übernehmen wird. .... Im Zentrum steht für Feuerbach dabei die menschliche Einbildungskraft. Es seien nun die unerfüllbaren und andauernd unerfüllten Bedürfnisse, die der Mensch mit Hilfe seiner Einbildungskraft in ein religiöses Reich projiziere. Die religiösen Gehalte verweisen nach Feuerbach auf die unerfüllten Bedürfnisse und damit auf die als unvollkommen erlebte Natur des Menschen."

der mensch hat sich die götter selbst geschaffen, die er braucht, um das in aller regel unbefriedigende leben besser ertragen zu können oder in dem jeweiligen religionsmodell sogar eine zufrieden machende glückseligkeit zu finden. zu letzterem benötigt man aber schon keine götter, keine gott mehr, sondern hierzu genügen auch menschliche philosophen.
im grunde ist alles zu diesem thema schon gedacht und meist auch schon gedruckt worden, aber es liegt in der natur vieler menschen, sich selbst als neuen mittelpunkt einer ganz anderen wirklichkeit zu sehen und sehr kluge gedanken anderer einfach nicht zur kenntnis zu nehmen.
das ist schade, aber wohl nicht zu ändern.
jeder muss in sich selbst seine persönliche zufriedenheit finden.
ich wünsche dir, dass es dir gelingt, mit oder ohne religion, gott oder göttern.
Good luck! :)
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2006-05-17 00:54