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Tagebuch Loewin
2006-01-06 16:16
leipzig essay teil 1


die stadt als lebens- und dichtungsraum ist schon lange eins meiner themen gewesen; jetzt greife ich in eine kleine zweijährige tradition ein, von der ich wenig weiß und die ich nicht in ihrem gang verfolgt habe.
über die stadt, in der ich lebe, wurde in der lokalzeitung essays veröffentlicht, von verschiedensten leuten, das thema war „nachdenken über le“. nun denke ich natürlich am laufenden band über le nach, meistens jammere ich darüber, beziehungweise über den punkt sich-nicht-zuhause-fühlen und warum.

unabhängig von dieser schiene meines denkens... was ist le?
le ist eine unaufällige stadt. manche straßenzüge ziehen die aufmerksamkeit der vorbeifahrenden auf sich, besonders die bekannteste straße im süden, wo ich wohne. dort gibt es viele kneipen, bunte häuserwände, plakate, bioläden, veranstaltungsräume.
hin und wieder kann man in le solchen straßen begegnen. aber letztlich sind sie nur farbtupfer auf den ebenmäßigen hausfassaden in beige, gelb und ziegelrot (seltener), graffiti auf ganzen wänden von stuck. kaum wirklich hohe gebäude kennzeihnen unsere skyline. mdr-gebäude, dann das mit dem blaugelben logo obendrauf. neues rathaus – ein schlößchen inmitten der innenstadt eigentlich, gerichtsgebäude... völkerschlachtdenkmal natürlich, nicht zu vergessen. seltsamerweise ist dieses für mich wirklich einer der intensivsten orte dieser stadt, schwer zu sagen, wieso. vielleicht, weil es eine anhäufung von steinmassen darstellt, die mich ob ihrer ähnlichkeit zu echten felsen anzieht.



stein und beton haben ohnehin für mich eine magische komponente: sie laden sich mit den spannungen der stadt auf, und da sich der stein ununterbrochen durch den gesamten ort zieht, kann er diese gesammelte energie überall hintragen. barfuß auf den steinen einer stadt zu laufen, ist die einfachste möglichlichkeit, ihre ausstrahlung kennenzulernen und sich mit ihr zu verständigen.
das denkmal ruft mengen an touristen und einheimischen täglich zu sich, die wissen die götter was denken, wenn sie es besichtigen. wer, außer historikern, denkt wirklich an die völkerschlacht, wenn er dieses monument um sich spürt? es ist ein denkmal für sich selbst und für die stadt geworden, nicht für einen alten und längst vergangenen krieg, obwohl es duchaus möglich ist, daß wer lauscht, noch die ideen der erschaffer des mals spüren kann, aber es ist sowieso eine ganze zeit nach der schlacht errichtet worden.



auffälliger am heutigen le ist anderes. jede besucherin kann sehen, daß sie einen ort inmitten von umbrüchen vor sich hat.
höher als alle gebäude ragen die baukräne, und in den letzten jahren ist versucht worden, in die tiefsten tiefen des stadtbodens einzudringen. ein tunnel wird gebaut, parkhäuser, ein neues kaufhaus in der fassade des alten.
der marktplatz ist lange schon kein marktplatz mehr; zuerst war er nur umgeben von baustellen, dann verwandelte er sich selbst in eine, nach allen seiten abgesperrt mit holzwänden und kaum einsehbar. jetzt ist es wieder möglich, um ihn herumzuwandern, und ich sehe nach unten in einen riesigen schlund, aufgerissen, unverständlich, was genau darin vor sich geht, außer daß tiefe geschaffen wird. daneben oder darin gelbe metall- oder plastiksilos so groß wie die alten häuser außenherum. der platz selbst sieht, für den, der mit dem vergleich etwas anfangen kann, aus wie sunnydale nach der letzten schlacht: ein eingebrochener höllenschlund, eine dämonenbrache. die negative konnotation möchte ich dabei gern wegkürzen können, nicht, daß das ganze sich unangenehm anfühlen würde oder bedrohlich aussähe, aber es ist fremdartig. wir sind, glaube ich, nicht gewöhnt, ein loch in unserer mitte zu haben, das wir so wenig definieren können. sicher, der berühmt-berüchtigte city-tunnel wird da gebaut, aber was genau...?
wer ist schon ein bau-experte und kann erklären, auf welchem stand das projekt gerade ist?





noch so ein faktor: alles um uns ist im baulichen wandel. es heißt, bis zur wm soll alles fertig sein. wer die aufgerissenen straßen und plätze betrachtet, kann daran kaum glauben.
mein freund wohnt seit etwa zwei jahren neben einer baustelle, nicht dieselbe baustelle, eine ist durch die nächste ersetzt worden, auf einmal wurde die bereits fertiggestellte wieder neu angefangen, drei, vier, wie viele projekte auch immer laufen nebeneinander her.
wir haben keine universität, die universität ist ein schlund neben einem gehäuteten kasten, zwischen beiden verlaufen rote dicke rohre, deren zweck ich ebenfalls nicht erschließen kann, aber sie sehen äußerst faszinierend aus. kein weg führt dorthin, wohin er führen sollte, alles wird umgeleitet, und um egal welches ziel zu erreichen, muß ich einige ganz abseitige labyrinthe durchqueren.

-----------> teil 2 ---------->

anm.: das foto mit der krähe sowie das erste denkmalfoto (c) thomas. der rest bei mir.

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Kommentare

17:03 06.01.2006
auf dem völkerschlachtdenkmal war ich au schon =O
in echt is das riesiger, als es auf dem bild aussieht
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
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2006-01-06 16:16