Donnerstag Abend: um wieder einmal etwas zum Fortbestand meiner Beziehung beizutragen, überrasche ich Schatz im Schlampenoutfit. Kurzes schwarzes Kleid, wobei 'kurz heiß'', dass es den Hintern nicht mehr ganz bedeckt, hohe Stiefel, übertriebenes Make Up (das im übrigen eine 14jährige besser hinbekommen würde, was dem Meinigen dank des Outfits ziemlich schnurze ist).
Er reagiert, wie ich mir das vorgestellt habe, und ist zuerst geil, dann befriedigt und extremstens verliebt.
Ich höre, wie besonders unsere Beziehung ist, dass er mich noch mehr liebt, als am Anfang, dass ich ''die eine'' für ihn bin, dass ich ihm einen tollen Sohn geschenkt habe. Mit einem Wort, alles, was Frauen hören wollen.

Frustrierend, dass sich mein Enthusiasmus trotzdem in Grenzen hält. Was ich mir nicht anmerken lasse, was Schatz dank seiner Herzen in den Augen auch nicht sieht.
Klingt gemein, aber mehr, als zu versuchen, etwas zu ändern, kann ich nicht tun.

Mein Vater: vorgestern haben wir ihn gesehen, als wir gerade mit den Kindern spazieren waren (also die Alex und ich). Er war zu Fuß unterwegs, und ist in der Bank verschwunden. Er sieht beinahe aus wie ein Obdachloser. Er hat eine Jacke getragen, die ihn vor 10 Jahren bei den Kartrennen gewärmt hat, und die damals wirklich cool war. Jetzt verschwindet er darin, ein kleines verhutzeltes Männchen mit Zahnstocherbeinen, um die die Jeans schlackern. Er ist so ein trauriger Anblick, dass ich ein paar Tränen schlucken musste.
Die Alex bestätigt mir, dass ich's nicht leicht habe, was ich gar nicht hören mag. Also reden wir schnell über was Anderes.

Etwas später rufe ich ihn dann an. Eigentlich um mit ihm einen Versicherungsfall zu klären. Hat was mit Wasser, Wänden und Stromkosten zu tun.
Er tut mir leid, und ich starte einen neuen Versuch ihm zu helfen, was ich eine Minute später wieder bereue.
Nämlich als er mir erzählt, dass er ein mittleres Problem hat. Die Ausdrucksweise, verbunden mit der resignierten, verwaschenen Sprache kann nichts Gutes bedeuten.
Er ist mit dem Auto einem anderen hinten reingefahren. Und hat dummerweise vorher ''ein Bier'' getrunken.
Da er das gleich so sagt, ist die Frage naheliegend, ob leicht die Polizei gekommen ist. Ja, ist sie. Haben einen Alkotest gemacht, bei dem (angeblich) 0,52%o rausgekommen ist. Ob das stimmt ist die Frage, passt nämlich alles nicht zusammen. Mein Vater hat nach einem Bier sicher keine 0,52%o. Natürlich haben sie ihm den Schein gezwickt.

Ich wage jetzt einmal die Behauptung, dass das der ''Todesstoß'' ist. Jetzt steigt ihm nämlich die Versichrung aus. Zwei kaputte Autos, kein Führerschein, bei der Vorgeschickte ist fraglich, wann er ihn wiederbekommt, und ob nicht sogar eine Nachschulung angeordnet wird.
Bei einem anderen vielleicht blöd, aber bei ihm höchstwahrscheinlich zuviel.

Ich hab' dann gar nicht mehr genauer nachgefragt, hab' mich schnell verabschiedet. Man kann ihm einfach nicht mehr helfen. Es fühlt sich zwar ein bisschen so an wie eine Sonde, die einfach so lang in mir herumstochert, bis sie die Stelle findet, wo's weh tut, aber zumindest habe ich inzwischen verstanden, dass ich mir meine Hilfe wirklich sparen kann.

Gestern war ich kurz mit Luca im örtlichen Supermarkt, und da waren sie auf einmal vor uns. In der Gemüseabteilung. Er und seine meschugge Lebensgefährin, die wohl darauf hofft, dass er stirbt, bevor sie das Haus zwangsversteigern.
Der Gang beim Gemüse ich nicht breiter als mein Vorzimmer, trotzdem gehe ich mit Luca zwischen ihnen durch, ohne dass sie mich sehen.

Heute ist tolles Wetter. Plötzlich kann man wieder neben der offenen Balkontür sitzen - mit kurzärmligem T-Shirt. Auch komisch, aber wir genießen's.
Haben zu dritt gefrühstückt und auch zu Mittag gegessen. Wie eine richtige Familie.
Lca, der Musterknabe ist danach anstandslos schlafen gegangen, was mir den zweiten Tageskaffee in himmlischer Ruhe beschert.

Lucas Gerede wird immer besser. Er spricht so viel nach, dass es schwer ist, die aktuellen Babyworte aufzuschreiben.