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Tagebuch julieb
2009-10-16 20:00
Flashback

Ich hab' heute mit meinem Papa telefoniert. Er hätte vor ein paar Tagen schon einmal angerufen; da hab' ich's aber nicht gehört, und auch nicht zurückgerufen. Aber schon der entgangene Anruf am Handydisplay hat bei mir ein ganz flaues Gefühl im Bauch verursacht.

Und heute hat er wieder angerufen. Diesmal hab' ich es gehört und war im ersten Moment ganz sicher, dass ich nicht abhebe. Ich weiß nicht, warum ich es dann trotzdem getan habe.

Er nennt mich noch immer ''Mäusel'', so wie früher, als noch alles in Ordnung war (jetztvergieße ich ein paar Tränen, aber nicht viele).
Er hat gemeint, dass wir ja einmal vorbeischauen wollten, und ich habe geantwortet, dass wir das ja auch einmal machen können.
''Einmal...'' hat er mit so einem ironischen Unterton gesagt, und deshalb habe ich versucht, ein bisschen konkreter zu werden, ohne mich wirklich festzulegen.

Sobald ich in Kontakt mit meinem Vater trete, ist alles wieder da, von dem ich mich doch so schön distanziert habe. Es ist schrecklich, ganz im Ernst. Ich habe das Gefühl, dass ich ihm nicht einfach nachempfinde, wie es ihm geht, sondern dass ich GENAU DAS fühle, was er durchmacht.
Und da hilft es auch kein bisschen, dass ich versuche, mir bewusst zu machen, dass ich nicht schuld an seiner Misére bin, er aber sehr wohl viel, viel Mist gebaut hat.

Und irgendwann hab' ich dann natürlich auch gefragt, wie es ihm geht, obwohl ich das doch auch so weiß, und obwohl ich eigentlich nicht darüber reden wollte.
Die Ordi läuft offenbar total schlecht, und er sagt, er weiß nicht, woran es liegt. Mir wären auf Anhieb 10 gute Gründe eingefallen, aber was für einen Sinn hat es jetzt, ihm das unter die Nase zu reiben. Jetzt wo es zu spät ist, wie ich glaube.

Er steht kurz vor der Insolvenz, was auch eine Zwangsversteigerung des Hauses bedeuten würde. Womit er auf einem riesigen Schuldenberg sitzen bleibt...aber ohne Haus. Weiter möchte ich gar nicht denken, weil mir bis hier schon ein dicker Kloß im Hals steckt und ich am liebsten losheulen würde.

Was mir selbst dann auch wieder ungerecht vorkommt. Weil ICH bin ja gar nicht diejenige, der es schlecht geht. Welches Recht habe ich also, herumzuheulen? Nur das, dass es mir niemand verwehren kann.
Irgendwie kann ich da von Glück reden, dass ich gar nicht mehr gut heulen kann. Auch die Tränen am Anfang des Textes haben sich auf circa vier Stück beschränkt.
Bin ich abgestumpft? Oder erwachsener? Realistischer? Verantwortungsvoller, weil Mutter? Kälter?
Ich weiß es nicht.

Das Tragische ist, dass mein Vater x Chancen gehabt hätte. Irgendwie glaube ich, dass er jedes Mal gedacht hat, es sei zu spät, und immer erst im Nachhinein verstanden hat, dass man viel durchstehen kann. Dadurch hat sich nie etwas geändert. Und irgendwann ist es wirklich zu spät.

 

Zu etwas anderem; meinem immer gleichen Leben nämlich.
Luca schnupft noch immer fürchterlich. Außerdem kommt das Pendant zum letzten Backenzahn, den er bekommen hat. Der war rechts unten, und jetzt kommt der Linke. Wen ihm nicht gerade Rotz aus der Nase rinnt, dann läuft ihm dicker Speichel aus dem Mund. Mahlzeit.
Aber es ist immerhin der zwölfte Zahn. 20 Stück sollen es ja werden, glaub' ich. Wir haben also schon mehr als die Hälfte. Nur, dass die Backenzähne (und dann angeblich vor allem die Eckzähne) viiiiieeeel schwieriger kommen, als die Schneidezähne. Na ja, haben auch mehr Fläche, die Dinger. Und das hat noch jedes Kind (und jede Mutter) geschafft.
Aber trotzdem muss ich sagen, dass Luca in den letzten Tagen ziemlich anstrengend ist. Weinerlich, empfindlich, an mir klebend.

Schatz hat ihm heute einen Bagger gekauft. Bagger sind für Luca das Allergrößte. Die kommen noch vor Autos und Traktoren. Und er ist auch schon ganz verliebt in das Ding. Als ich ihn niedergelegt habe, ist er im Dunkeln nocheinmal dort hingelaufen, wo er den Bagger erahnt hat, und hat ganz selig ''Babba'' geplappert.

Und - meine Meinung hat sich nicht geändert, Luca kriegt kein Geschwisterchen - ich habe plötzlich verstanden, wie man sich ein zweites Kind vorstellen kann. Weil man irgendwann begerift, dass man sowieso nie mehr so frei sein wird wie früher, als man noch kinderlos war.
Mir ist das so eingefallen, als Luca in meinen Armen eingeschlafen ist, und dabei schon so groß ausgesehen hat. Und da hab' ich an die Zeiten gedacht, die noch kommen: Kindergarten, Volksschule, Gymnasium (oder was auch immer), und wie er als Teenager vor dem Fernseher lümmelt.
Na und jedenfalls hab' ich mir da so gedacht, dass man zu jeder Zeit Mutter bleibt und Verantwortung empfindet. Und wenn das Kind dann größer wird, hat man wahrscheinlich wieder das Bedürfnis nach etwas Kleinem, dass in den eigenen Armen einschläft. So zumindest könnte ich mir das vorstellen

Meine Bügelwäsche wartet noch immer auf mich. Ich werde mich jezt aufraffen und ein bisschen was davon erledigen.

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julieb Offline

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2009-10-16 20:00