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Tagebuch Jamie-Mo
2010-10-05 13:54
Freiflug unter Zwang
Seit Wochen geht es mir schon beschissen. Ich funktioniere halt. Ich kümmere mich um die Tiere und gehe 6 Stunden in der Woche zur Arbeit. Ansonsten atme ich noch und esse ab und zu etwas...

Plötzlich fand ich mich im örtlichen Krankenhaus wieder. Ich kann gar nicht mehr sagen, wie ich dahin gekommen bin. Freiwillig kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen. Ich meine, ich war aufgrund einer Medikamentenverordnung einer Ärztin etwas zu zugedröhnt. Ich konnte kaum noch geradeaus gehen und war nicht mehr fähig mein Leben auf die Reihe zu bekommen. Eine gute Bekannte hat sich Sorgen gemacht und den Krankenwagen gerufen. Am nächsten Tag bin ich sofort wieder raus...

Aber von meinem Gedankeninhalt, meinem Tagesablauf hat sich nichts geändert. Und ja, ich hatte keine Lust mehr zu leben. Hätte aber aufgrund der Tiere, um die ich mich kümmern muß, nichts getan. Der Arzthelferin hatte ich am Telefon eine Rezeptbestellung durchgegeben und dann gesagt, daß ich am liebsten die ganze Flasche von dem einen Medi austrinken würde. Dann würde ich erstmal ein paar Jahre schlafen... ich hatte immer noch die Überdosis im Schädel und lallte sie zu, daß ich artig sein werde. Tja, und plötzlich stand meine Hausärztin in der Tür. Sie sagte, daß ich wieder in die Klinik gehen werde. Zuerst dachte ich, daß ich ins Krankenhaus der Insel soll, aber sie wollte mich nach Emden ausfliegen. Es kam die Polizei mit zwei Einsatzkräften, zwei Sanitäter vom Krankenwagen und auch noch eine Dame vom Ordnungsamt. Das war alles nötig, denn ich wurde zwangseingewiesen. Ich konnte tausendmal sagen, daß ich mir nichts antun werde. Keine Chance. Ich mußte mir ein paar Klamotten packen und wurde nicht mehr aus den Augen gelassen. Hätte ja sein können, daß ich aus einem Fenster fliehe, oder mich einschließe... Pillepalle! Der Hubschrauber war schon im Landeanflug, als wir am Flughafen ankamen und los ging es...

In der Klinik stand ich mit einem Sanitäter schließlich vor der Tür zur Psychiatrie. Sie ging von außen nicht auf. Ich fragte ihn noch, ob die Tür abgeschlossen sei, aber man sagte mir, daß das nur kurzzeitig so sei, denn ein Patient rennt gerade auf dem Flur herum und der darf nicht raus.
Ich war so doof und ging rein...

Auf der Station wurde ich einem Arzt vorgestellt und schließlich gings aufs Zimmer. Dort mußte ich tatsächlich meine Tasche zusammen mit einer Krankenschwester auspacken. Sie hat alles genau unter die Lupe genommen und Handy, Aufladekabel, Rasierer, Nagelschere usw eingesackt. Ab da war ich auf mich allein gestellt, denn die anderen Patienten auf der Station waren psychisch nicht ganz so auf der Höhe. Soll heißen, daß eine z.B. auf dem Flur hin und herrannte und unverständliche Worte von sich gab. Manchmal schrie sie einfach los. Ein anderer holte sich im Fernsehraum während einer Quizshow einen runter und fragte mich, ob es mich stören würde, wenn er das tut... Der nächste ist so verwirrt, daß er im Flur einfach gegen die Wand pinkelte. Es waren an manchen Betten Fixiergurte angebracht und ich bekam doch langsam Panik.

Ich hatte noch Glück, daß ich vorerst allein im Doppelzimmer war. So zog ich mich zurück und versuchte mich mit Lesen abzulenken.

Ich wollte zum Kiosk gehen und fragte die Schwestern ob ich mal eben dorthin gehen könnte. Sie haben nur gegrinst und verneint. Aufgrund meiner Spastiken wurde ich ataktisch und konnte für einen Moment nichts sagen. Die Krankenschwester sagte nur: "Jetzt stehen Sie hier und zittern, sagen aber nichts. Also, wollen Sie auch nichts!" Damit drehte sie sich um und ging weg.

Einen Abend saß ich beim Fernsehen, als ich einen Flashback bekam. Die Spannung meines Körpers nahm schnell zu. Eine Krankenschwester war gerade im Raum und ich bat sie mir Tavor zu bringen. Sie müßte erstmal nachsehen, ob ich das verordnet bekommen hatte... Die Spannung lähmte mittlerweile meinen Körper. Die Spastik tat ihr übriges und reden konnte ich auch nicht mehr. Ich dissoziierte. Ich hörte wohl noch so etwas wie: "Sie müssen sich schon zum Schwesternzimmer begeben..." Aber wie sollte ich das machen??? Ich mußte ca. 45min so aushalten, bis ein älterer Mitpatient zwischen Stuhl und Tisch fiel. Es knallte laut und ich wurde zumindest teil aus der Spannung geholt. Aufhelfen konnte ich dem Herren nicht, aber ich stackste langsam zur Klingel.
Auf dem Flur fragte ich die Krankenschwester, warum sie mir nicht geholfen hat. Sie meinte nur, daß ich doch nur etwas vorgetäuscht habe und nicht auf ihre Worte geachtet habe... Wie denn auch

Ich erzählte ihr dann, wie es zu den Spannungen kam und warum ich nicht reagieren konnte. Berichtete von dem lauten Knall... Aber plötzlich ist der alte Herr gar nicht mehr auf den Boden gefallen. Ich habe mir also eine Geschichte ausgedacht...
Meine Fresse, hat mich das wütend gemacht. Ist man auf der geschlossenen, ist man automatisch doof, minderbemittelt, geistig nicht auf der Höhe... Ich habe ja noch den Vorteil, daß ich mich wehren kann, aber was ist mit den anderen Patienten, die sich nicht mehr richtig mitteilen können? Werden die gar nicht mehr ernst genommen und mit Respekt behandelt?

Aufgrund der Zwangseinweisung mußte ich mindestens 24 Stunden auf der Station bleiben. Ich habe mich gegen den ärztlichen Rat entlassen lassen. Da ich keine weiteren Suizidandeutungen abgegeben habe, konnten die in der Klinik keine weitere Zwangseinweisung via Ordnungsamt bewirken.

In Zukunft werde ich freiwillig in eine Klinik gehen, wenn meine Hausärztin es für nötig hält. Per Zwangseinweisung verliert man seine Rechte, seine Glaubwürdigkeit, jede Menge IQ und wenn man bis dahin nicht sein Leben beenden wollte, dann dort...

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