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Friday, 29. March 2024
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Tagebuch Hochzeitsreise
 1910-01-23 hh:mm
Morgens „großer“ Gang nach Clarens
Morgens „großer“ Gang nach Clarens an den sehr verwitterten „Verte Rive“ vorbei, zum ersten Mal schien die Sonne es war ein herrlicher Tag u. planten wir gleich am Nachmittag nach Caux zu fahren u. womöglich von dort zu Fuß nach Les Avants. Mit der neuen flachen Bahn fuhren wir in die Höhe u. amüsierten uns über die teilweise komischen Aufzüge der Fremden. In Glion. waren die Wagen so überfüllt, daß ein Extra-Zug abgehen mußte u. es war ein Sonntag! –
In Chaux empfing uns schon eine zahlreiche sportlustige Menge mit Schlitten, Schlittschuhe u. Sky bewaffnet. Wir betrachteten erst Caiser Palace Hotel wollten ursprünglich Tee trinken da jedoch wir noch so früh waren, besannen wir uns eines bessern u. gingen um ½ 3 Uhr nach Les Avants. Im Vorbeigehen erkundigten wir uns nach Weg u. Richtung, die Auskunft war gerade nicht ermutigend da der Weg kaum zu finden sei wegen des dieser Tage vorangegangenen Schneegestöbers außerdem seien unsere Skybretter so ungünstig als möglich gewachst zu einer solchen Tour. Erst war der Weg prachtvoll vom Bahnschlitten hergerichtet, die Sonne schien so warm, in Montreux war es Frühling, hier oben Winter. Fritzchen zog sein kurzes Sommerüberzieherchen an, ich fror so nur im Winterkleid. Nach der Schleuse Caux wanderten wir ziemlich bergauf u. gelangten an den Tummelplatz der Skifahrer. Da wir noch nicht genug im Schnee gestrampelt hatten, stiegen wir weiter u. weiter. L. lag 5 km weit hinter uns u. auf der linken Seite sahen wir Les Avants, deshalb entschieden vorwärts – keiner Menschenseele begegneten wir, wir befanden uns allein in dieser herrlichen Schneewelt u. seiner beschneiten Wäldern. Der Schnee begann tiefer zu werden, bald konnten wir kaum der Spur des Weges folgen. Wir springen über halbgefrorene Bäche an kleinen zerfallenen Chalets vorbei u. wurden irregeführt durch die Fußspuren auf einem abseitsführenden Pfad, der an einer halb zerfallenen Hütte vorbeiführte. Von Weitem sahen wir einen einsamen Wanderer, sonst lebte nichts um uns herum. Der Pfad führte in eine endlose Tiefe, so daß wir gleich Kehrt machten u. bald hatten wir den einsamen Mann eingeholt. Wir erkundigten uns nach dem rechten Weg u. erfuhren, daß wir viel zu hoch geklettert seien u. ein gutes Stück abwärts rutschen mußten um die Straße nach Avants zu erreichen. Der alte Mann machte einen recht verwitterten Eindruck, sah gutmütig aus u. bot sich an uns zu begleiten, was wir gern annahmen. Nun ging es aber durch Wiesen abwärts über Bäche u. Gräben, durch meterhohen Schnee, bei jedem Schritt sanken wir bis an u. über die Knie in den Schnee, es war recht mühsam u. genierte mich sehr mein Faltenrock, den ich ganz hoch halten mußte. So ging es beinahe ½ Std. fort, da erreichten wir einen Wald. Ganz erstaunt war ich, als der Mann seinen Überzieher niederlegte u. uns sagte, wir sollten ihm folgen! Ein kaum sichtbarer Pfad führte abwärts u. glaubte ich schon mein Testament machen zu müssen, jedoch der Mann führte mich so sicher, daß bald jede Furcht verschwand. Fritzchen kletterte eifrig nach, unterhielten uns fest, wenn wir Gelegenheit hatten, oft waren die Bäume so stark Schnee beladen, daß der Mann sie erst abschüttelte, damit wir besser durchkommen. Das war ein Abstieg! Aber schön wars doch, der Humor behielt stets die Oberhand. Auf allen Vieren erreichte ich die Straße. Passanten blieben erstaunt stehen, als sie unserer ansichtig wurden. Der Mann ging bis zur Brücke mit. Fritz belohnte ihn mit 2 ½ frs. Was dieser bescheidene Arme gar nicht annehmen wollte, u. schon das Geld retoure geben wollte. Der Dank sah dem Mann schon aus den Augen, mich fror es ganz, als er uns pin Dien rons Atni sagte, das war eine dankbare Seele u. in erster Linie unser Schutzengel.
Hätten wir den armen nicht begegnet, nimmer hätten wir Les Avants mehr erreicht, hätten: umkehren müssen u. wären erst zu später Nachstunde nach Montreux gekommen. So aber saßen wir bald im Cafe aux Avants u. tranken Tee, dachten aber auch an den Führer, der wie vom Himmel geschenkt erschien. Der Alte kennt jeden Baum u. jeden Weg der Schweiz, saß noch nie in einer Bahn, ging immer nur zu Fuß u. wollte an diesem Tag nach Triburg weiter. – Völlig durchnäßt saßen wir in der Bahn, kamen aber verspätet hierher u. erzählten dann mit Stolz unseren so geglückten Abstieg. Es war aber auch unbeschreiblich schön u. nicht besonders ermüdend. Abends war hier im Hotel Conzert angesagt, als wir jedoch einen einzigen Violin-Spieler erblickten, rissen wir aus, mit unserer Geheimrätin u. gingen nach dem Cursaal. Dort verbrachten wir den Rest des ereignisreichen Tages an dem wir beinahe den Col de Jaman erklettert hatten.

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