Willkommen auf Tagtt!
Friday, 19. April 2024
Tagebücher » Heinz_Welk » News, Bilder, Videos - Online
Tagebuch Heinz_Welk
 1945-01-31 hh:mm
Um Leben oder Tod unseres Volkes
Uffz. Heinz H. R. Welk. Kurland, den 1. Februar 1945
Vom 15. - 31. Jan. 45
Um Leben oder Tod unseres Volkes
An schicksalhafter Schwere haben die Tage der zweiten Januarhälfte uns alle ergriffen. Die sich überstürzenden Nachrichten vom Einbruch der russ. Walze brachten unsere Herzen oft beinahe zum Stillstand. Genannte Orte und Gebiete suchten in unserem Denken ihren Standort auf der Karte. Aber unsere Handkarten reichten nicht so weit in das Reichsinnere wie die Front des Feindes vorverlegt wurde. Auf Darstellungen der Postleitgebiete versuchten wir den Stand Kurland zu verlassen, um im ostpreußischen Einbruchsfeld einzugreifen.
Hier saßen wir tatenlos und im Warmen und warteten. Es ist vielleicht die schlimmste Warterei, an Kämpfe und Schlachten gewohnte Soldaten untätig warten zu lassen. Selbst, dass die vierte Kurlandschlacht begonnen, erfuhren wir endlich nach fünf Tagen. Abwehrbereitschaft war der Name unserer Stellung. Diese Stunden fanden ihre Füllung im Unterricht einzelner Sachgruppengebiete. Aber so ist das Leben, die Koalitionen sind ungleich verteilt. Während sich in Ostpreußen der Kampf um Leben oder Tod unseres Volkes abspielt, hier die vierte, große Schlacht begonnen hat, sitzen wir in Bunkern und machen eintönigen Unterricht. Diese Tage suchen ihren Vergleich vergangener Zeiten vergebens. Früher waren wir immer am Brennpunkt. Wie uns heute geschieht, wissen wir nicht, froh sind wir über diese Ruhe aber nicht.
Die Stimmung schwankte wie im spätsommerlichen Gebirge. Da sind Kameraden, um deren Heimat noch gekämpft wird, dort welche, die sie im Kampfe verloren haben. Und die Dritten haben durch den Luftterror keine Heimat mehr. Vielleicht hatten es die Ausgebombten in einer Hinsicht leichter. Die vollzogene Tat des Verlustes erfuhren sie meistens immer plötzlich, die Männer des östlichen Reiches jedoch verzehren in Qual ihre Tage. Die Post traf mit sehr großen Verspätungen ein. Die Kälte schwankte zwischen 29 und 1 Grad minus. Der Name Heeresgruppe Nord wurde in Heeresgruppe Kurland gewandelt, der Oberbefehl wurde dem Generalobersten Renndoleck, dem Führer unserer Finnlandsoldaten übertragen. Zu gleicher Zeit stieg eine groß angelegte Spendenaktion mit dem Namen Kurlandspende. Über 50 Millionen Reichsmark wurden am 30. Januar Reichsmin. Dr. Göbbels überreicht. Alleine unsere Abteilung spendete über 70.000 RM, ein Durchschnitt pro Mann von 203 RM. Bei den meisten Soldaten musste dadurch natürlich eine Vorauszahlung des Wehrsoldes bis einschließlich März erfolgen.
Vorzeitig aus dem auf dem Wege in das Reich fahrende Bombenurlauber von Danzig rückkehrende Soldaten berichteten von den Bildern, die sich ihnen durch den Flüchtlingsstrom ihrem Auge eingeprägt und die sie nie wieder verlassen werden.
Die beiden letzten Tage des Monats brachten uns den Stellungswechsel. Südl. Frauenburg und südl. Libau sind wieder Angriffen zu erwarten. Es wird eine fünfte Kurlandschlacht geben. Nun wohl, wir sind darauf vorbereitet, uns kann nichts mehr überraschen.
Was die Verpflegung betrifft, so kann im großen Rahmen keine Klage geführt werden. Gewiss verlangt der Körper in den kalten Tagen mehr – aber er muss sich gewöhnen. Kartoffeln sind vielleicht die größte Mangelware. Wenn es wirklich welche gibt, so sind sie entweder verdorben oder durch Verlagerung auf Kraftstofffahrzeugen mit dem Geruch eines solchen Wagens getränkt. – Aber es gab mehr Schnaps als in den sonstigen Monaten, auch Süßigkeiten werden manches Mal ausgegeben. Wir erwarten vom Februar, dass er unserem Volke mehr Erfolg bringt als dieses der erste Monat im Jahre 1945 getan hat.

Kommentare

Noch keine Kommentare!
Kommentieren


Nur für registrierte User.

Heinz_Welk Offline

Mitglied seit: 08.10.2010
DE mehr...
Wirklich beenden?
Ja | Nein

1945-01-31 hh:mm