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Saturday, 20. April 2024
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Tagebuch Heinz_Welk
 1945-01-15 hh:mm
Nördlich Doblen
Uffz. Heinz H. R. Welk.
In Kurland, 15.1.1945
Vom 1. bis 15. Januar 1945
Nördlich Doblen
Neujahr, das Bekenntnis des Soldaten leitete es ein. 00.00 Uhr sprach der Führer. Wir lagen in einem kümmerlichen Bunker eines Fichtenwaldes. Noch hörte man draußen das wilde Schießen ins neue Jahr. Auch die Batterien feuerten einige Kampfsätze, nachdem es der Russe schon um 23.00 Uhr unserer Zeit, seines Neujahrs, getan hatte. Die meisten Kameraden waren betrunken und hörten die Worte des Führers erst bei der 2. oder 3. Übertragung. Das neue Jahr hatte bei uns kaum ein anderes Bild als die vergangenen Tage des alten. „Frieden“ war der Wunsch aller in einem Sieg unserer Fahnen. Ein großes Geschenk war der Wehrmachtsbericht dieses ersten Tages im neuen Jahr. All das verflossene Blut und der Kampf hier wurde gewürdigt. Unser Oberbefehlshaber Generaloberst
S c h ö r n e r erhielt die Brillanten. Hier nördl. Doblen hatte der Feind unser Hauptkampffeld durchstoßen und verschiedene Quadratkilometer Land erobert. Wir traten zum Gegenstoß an und er wurde unter blutigen Verlusten geworfen. –
Ein Kamerad band sich eine Krawatte um und proklamierte: „Das Jahr der Zivilisation ist angebrochen.“ General H i l p e r t erließ Tagesbefehle, worin wir zu noch größerem Fanatismus aufgefordert wurden. – Noch war die Stimmung hier bei uns nicht schlecht. Wir kennen unsere Stärke und wissen, dass wir uns auf unsere Waffen verlassen können. Unsere Anfangserfolge waren gut. Mit starken Nebelwerferkräften wurde der Feind schon zum größten Teil in seiner Bereitstellung getroffen. Dann setzte das konzentrierte Feuer aller Waffen ein, das Zeichen zum Angriff. Wie schon immer bei einer großen Schlacht zitterte die Erde, in der Atmosphäre war ein sich übersteigendes Brüllen der Nebelwerfer und Artillerie. Die Luft wurde dicker durch den Staub des aufgewühlten Bodens. Kampfflieger zogen über uns und sicherten den Luftraum. Plötzlich war auf allen Frequenzen der Funkgeräte Leben. Kommandos und Befehle rasten durch den Äther. Die feindliche Artillerie war mit dem Angriffsraum beschäftigt und ziemlich dünne Leitungsstörungen am Fernsprechnetz gab es nur ganz wenige. Der Gegner verstrickte uns in hinhaltende infanteristische Gefechte. Mit einer anerkennenswerten Tapferkeit kämpfte er. Verschiedentlich war sein Sturm mit aufgepflanzten Seitengewehren. Wir hatte starke Verluste an Verwundeten, die zum Teil nur in der Nacht geborgen werden konnten. In einer sechstägigen Schlacht wurde der Gegner die eingebrochenen fünf Kilometer zurückgeschlagen. Seine Verluste überstiegen die unseren um ein Mehr. – Unsere Aufgabe war erfüllt, es galt jetzt die vom Feinde neu geplanten Durchbruchstellen zu besetzen. Wie immer geschah diese Umgruppierung in aller Stille bei Nacht. Nun erwarten wir die 4. Kurlandschlacht, die an Härte alles Vergangene noch übertreffen wird. Die russische Walze steht unter Dampf und wartet auf den Marschbefehl. Wir erwarten den Angriff in ständiger Alarmbereitschaft.
Bei all diesen Märschen dürfen wir uns immer wieder der Partisanenfreiheit dieses Lande erfreuen. Am Tage liegt das Land in stummer, tot erscheinender Schönheit. Verwunderung erfasste uns alle als wir in der neuen Stellung fertige Bunker antrafen. Jetzt liegen wir am Rande eines Friedhofes, dessen Bunker sich bis in ihn hinein erstrecken. Wie Fanale an Ruhe und Frieden umgeben uns die schwarzen Kreuze in den sternenklaren Nächten. Der Tot liegt um uns und seine Gebeine verwesen im Warten auf uns. Wenn aber die Schlacht beginnt, werden auch die Toten aus ihrer Ruhe gerissen werden und sich neben ihre neuen Brüder legen.

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