Einquartierung bei einer lettischen Mutter
Solch ein Quartier hatten wir noch niemals. Wir liegen in einer engen Stube eines sehr armen lettischen Bauers. Was die Wärme räumlicher Gemütlichkeit vermissen lässt, spendet diese Frau an Liebe für uns. Jeder Wunsch, den sie uns von den Augen ablesen kann, erfüllt sie uns. Täglich gibt sie für alle Essen in reichlichem Maße. Essen wie es die Bauersleute selbst sich nicht leisten. Diese Frau, zu welcher wir Mutter sagen, hat drei Söhne auf der Seite Deutschlands kämpfend bei der Waffen SS. Alle diese Leute sind restlos mit den Nerven herunter. Jede kleine Erschütterung macht sie erbittert weinend und jedes kleinste Lächeln stimmt diese Menschen wieder für Minuten froh. Am Abend ist ein hundertstimmiges Grillen-Konzert im Zimmer, es ist peinlich unangenehm, aber wir hören es dieser zerbrochenen Frau zuliebe mit an. Was können wir geben? Wir haben selbst nichts und trotzdem wissen wir der Frau durch unser Benehmen in ihrer Seele helfen zu können. Ja, dieser Mensch ist eine Seelengröße, von dem „Nichts“, das sie besitzt, gibt sie uns alles und steht selbst zurück. Überall in lettischen Quartieren wurden wir durch Gastfreundschaft überrascht.