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Saturday, 20. April 2024
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Tagebuch Gustav_Landwehr
 1939-04-14 hh:mm
Prüfungen, Ferien und ...Heidchen hat ja gesagt
Fast ein ganzer Monat ist seit meiner letzten Eintragung vergangen. Noch nie war ein Monat so reich an Erleben, wie dieser. Ein ganzes Buch müsste ich voll schreiben, wenn ich alles Erlebte festhalten wollte. Ich will versuchen nüchtern der Reihe nach zu schreiben. Zunächst die Prüfung. Fast 5 Stunden haben wir geschwitzt. Wenn ich vorher einige Sorgen hatte, dann hat doch alles gut geklappt. Ich kann wohl sagen, daß wir nicht ein einzigesmal „aufgefallen“ sind. Selbst im Griechischen hat es gut geklappt. Neu Testament war ganz große Sache. Insp. Delius stellte in Alt Testament einige seltsame Fragen. Ich mußte etliches über das Buch Esther sagen und von dort an Verbindungslinien zum Buche Judith ziehen. Und dann hatte ich noch einiges über (das Buch) Salomo zu sagen. Diese Themen lagen mir gut, und ich kann damit zufrieden sein. Englisch war gut. Ebenfalls Deutsch und Geschichte. Großer Mathematiker bin ich nicht und werde es auch nie werden. Da fehlt mir eben das Vermögen „präzise“ zu denken. Es scheint, als ob die Lehrer mit dem Gesamtergebnis gut zufrieden gewesen wären. Es soll die beste Prüfung des gesamten Seminars gewesen sein. Abends erst hörten wir die Ergebnisse, Sorge hatte ich aber nicht mehr. Alle versetzt. So sind wir nun Seminaristen, ein neuer Teil der Ausbildung wird beginnen. Auf jeden Fall wird manches interessanter werden, und die eigentliche Büffelei hat ein Ende. Gott wolle mir weiterhin Kraft und seinen Segen geben.
Einen Tag war ich noch in Beckum und habe mich über den kleinen prachtvollen Claus gefreut. Besonders gefreut hat mich dann noch, daß das Verhältnis mit Oma ein viel besseres geworden ist. Oma gehört jetzt wenigstens wieder mit zur Familie. Mit manchen frohen Gedanken gings dann nach Häger. Fast ¼ Jahr war ich dort nicht gewesen und hatte in dieser Zeit manches erlebt und erreicht. Doch glaube ich nicht, daß ich während der zwei Ferienwochen viel mehr erleben sollte. Es ging sofort kräftig los. Im kirchlichen Anzeiger las ich, daß ich in Häger Gemeindebibelstunde zu halten habe. Ohne mein Wissen hatte Pastor Heuer das einfach bestimmt. Ich habe mich gründlich vorbereitet und das Gleichnis vom: „Großen Abendmahl“ gewählt. Es war die erste Gemeindebibelstunde, die ich zu halten hatte. Wenn ich auf die Stimmen der Zuhörer achte, kann ich wohl zufrieden sein. Was hat das aber schon zu bedeuten, mir ist wichtiger, war es (nur) Gottes Wort, oder waren es nur Menschenworte? Eine Frage, über die ich nicht zu entscheiden habe. Während der ersten Tage war das Wetter recht unangenehm, danach habe ich wenigstens im Garten tun können. Karfreitag waren wir in Löhne und haben Fritz Kuhlmann und Frl. Becker Christa verabschiedet. Recht frohe Stunden waren das, nur zum Schluß wurde die Stimmung ein wenig wehmütig. Es ist ja auch ein wenig schwer, wir waren so oft zusammen, und nun sehen wir uns lange, vielleicht nie wieder. Fast möchte ich die beiden beneiden, daß sie nun fahren dürfen. Am Tage vor Ostern ist nach kurzem Krankenlager Tante Dröge gestorben. Es war gut, daß nicht mehr lange gelegen hat, denn bei ihren Herzbeschwerden und der Atemnot hätte sie noch allerlei leiden müssen. Eigentlich sollten wir schon am Tage nach Ostern aus den Ferien zurückkommen. Ich konnte einige Tage länger bleiben, da ich aus Spradow Eier zu holen hatte. 525 Eier und ungefähr 25 Pfund Fleisch haben die guten Leute gestiftet. Mit frohen Erwartungen bin ich auch bezüglich Heidchens in die Ferien gefahren. Kurz vor Ostern hatte sie mir geschrieben, daß sie sich tüchtig freue, wenn wir zwei uns wieder einmal richtig was erzählen könnten. Solche Andeutungen hatte sie schon öfters gemacht, somit hatte ich eigentlich gar keinen Zweifel mehr, dass sie mich nicht lieb habe. Nur an einem Tage der Ferien haben wir uns nicht gesehen, und das will schon was heißen. Dann, den Abend vor Ostern, ich hatte sie zu einem Spaziergang abgeholt, da konnte ich einfach nicht mehr anders, ich mußte es ihr sagen, Heidchen ich habe dich lieb, willst du deinen Lebensweg mit mir gehen? Diese Stunde soll der Vergangenheit angehören, sie war zu groß, als daß ich sie beschreiben könnte. Wir sind eins geworden, in wahrer Liebe haben wir uns gefunden. So etwas kann ich nicht in Worte fassen, das kann ich nur empfinden. Es war eine selige Stunde, als wir uns zum erstenmal umarmen durften, und sie sagte das „Ja gern“. Ich weiß, unsere Liebe ist ganz rein, frei von jedem falschen Gedanken, frei von jedem Vorurteil. Gott wolle geben, dass unser Bund, um den wir lange gebetet, nur durch den Tod gelöst werde. Ich mußte ihr dann noch sagen, daß wir in der Mission nicht auf Menschen, sondern in erster Linie auf das Werk sehen müssten und vor allen Dingen, dass ich Missionar werden wolle. Ihre Großeltern sehen unsere Verbindung gern. Tante Johanna allerdings war ein wenig erstaunt, als ich ihr das sagte, obwohl sie um die Sache wußte. Was aber werden ihre Eltern sagen, da ist vor allen Dingen ihre Mutter, an die wir sehr denken mußten. Und ich mußte Heidchen bitten, es ihren Eltern zu sagen. Ihre Großeltern werden uns sicher helfen. Heidchen machte mir dann folgenden Vorschlag, auf den ich gern eingegangen bin. Wir haben am Freitag ihren Großvater besucht und Heidchen hat ihm die ganze Sache erzählt und ihn gebeten, mit ihrer Mutter zu sprechen. In solcher Eigenschaft fühlte ich mich natürlich ziemlich unwohl, war aber von der Liebe und dem Verständnis des Großvaters dann aber doch gerührt. So war ich mehr als dankbar, als wir dort gingen. Gerade ein halbes Jahr war vergangen, seit wir uns in Lübbecke getroffen hatten. Als Heidchen mich dann zum Bahnhof brachte, waren unsere Herzen voll Freude und Dank. Da haben wir uns zum erstenmal am hellen Tage in den Arm genommen. Ein wenig schwer fiel uns beiden der Abschied, auch wenn er nur für einige Wochen gilt. Heidchen sagte zwar, ich will nicht traurig sein. In Wirklichkeit fiel uns das Scheiden beiden schwer. Endlich setzte sich der Zug in Bewegung. Lange stand sie noch auf dem Bahnhof, dann noch ein letztes Winken, und wir konnten uns nicht mehr sehen. Keinen Blick hatte ich für die schöne Frühlingslandschaft, zu voll war ich noch von verschiedensten Gedanken. Es war mir sogar ganz recht, daß ich keinen Sitzplatz fand. Nur ganz langsam konnte ich meine Gedanken wieder in geordnete Bahnen lenken. Und als dann endlich der Zug in Barmen einlief, war auch meine Fröhlichkeit wieder da. Mullenkords waren sehr erstaunt, daß ich soviel erhamstert hatte. Das schöne Wetter der letzten Tage ist wieder dahin, Regen und Wind, ein unangenehmes Lüftchen weht. Ich aber sage, laß es regnen und stürmen, ich habe Freude. Mein Herz habe ich verschenkt und dafür das liebende Schwesternherz gefunden, nach dem ich mich lange gesehnt. Nun laß auch Stürme kommen, mir ist wohl beim größten Schmerz, denn ich weiß ein treues Herz. Mit meinem Eifer will ich nun wieder ans Werk gehen, an das Gott mich gerufen hat. Er hats angefangen, er wolle es zu seinem Lobe vollenden Amen!

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