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Thursday, 25. April 2024
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Tagebuch Gustav_Landwehr
 1938-05-23 hh:mm
Die Hochzeit meiner Schwester
Leider kannte ich nur einige von den Frauen aus Werther, die vorigen Donnerstag hier waren. Abends hatten wir eine herrliche Fahrt durch die blühende Frühlingslandschaft. P. Heuer erzählte mir einiges aus der Gem. Werther und auch aus Häger. Es ist doch erschrecklich, was selbst in einem Werther alles vorfällt. Wie unvergebene Schuld jahrelang auf dem Gewissen lastet, dadurch oft werden Menschen betroffen, andere dagegen in falschen Verdacht gesetzt worden. Leider hat es an Marthas Hochzeitstage fast ununterbrochen geregnet. Ungefähr 50 Personen waren auf der Hochzeit, von denen mir etwa die Hälfte unbekannt war. Die Trauung vollzog ein Hilfsprediger, mit dem ich leider nicht ganz zufrieden war. Während des Essens habe ich einige Worte gesagt. Alle hatten sich Mühe gegeben, die Feier schön zu gestalten. Ganz passte ich in diesen Kreis nicht hinein. Martha und Paul waren ein wenig ungehalten, weil ich nicht einmal getanzt habe. Da ich nun in diese Kunst nicht eingeweiht bin, gab es wohl oder übel für mich keinen andern Weg. Martin bat mich, beim Ausschenken der Getränke ein wenig zu helfen, was mir allerdings nicht ganz viel Freude bereitet hat. Trotzdem muß ich sagen, es hat mir dort gut gefallen und nur zu rasch vergingen die Stunden. Schon am nächsten Morgen mußte ich fahren, da wir am Sonntag von unserem Helferkreis und dem Elendstaler Verein eine Fahrt machen wollten. Da habe ich mich einmal richtig freuen können. Über Düsseldorf ging die Fahrt nach Mönchen Gladbach, wo wir im Gottesdienst waren. Dann weiter nach Dalheim an die holländische Grenze. In einem ev. Heim wurde zu Mittag gegessen und dann stand uns eine Wiese zum Spielen zur Verfügung. Ohne Paß sind wir auch ein Stück über die holl. Grenze gegangen. Die Rückfahrt ging über Scheydt, wo ich Ewald Grafard aus Häger besucht habe, über Benrath mit seinem schönen Schloß, ins Wuppertal zurück. Einen schöneren Sonntag kann ich mir kaum vorstellen. Nach einer Ferienwoche bin ich heute Nachmittag wieder hier angelangt. Zum erstenmal habe ich Martha im eigenen Heim besucht, und sie scheint recht glücklich zu sein. Am Mittwoch war ich in Rehma, um Heinr. Busch zu besuchen, traf ihn aber leider nicht zu Hause an. Ach, der liebe Heinrich macht mir Sorgen. Weil ich ihn nicht antraf, bin ich nach Vlotho gefahren und habe mir das Städtchen mit seiner schönen Umgebung angesehen. Dann wieder zurück nach Porta, Bergkirchen, Nettelstedt, Lübbecke, Bunde und wieder nach Hause. Bei der Gelegenheit habe ich so ganz ungewollt Lübbecke durchfahren, wobei ich ein wenig seltsame Gedanken hatte. Es lag mir auch fern, nach der Wohnung zu fragen, dennoch durchfuhr ich gern die Stadt. Während der ersten Ferientage war es recht regnerisch und kühl, aber allmählich wurde es warm, und heute habe ich auf dem Wege nach hier schon schwitzen müssen. Es ist wohl die schönste Zeit des Jahres, überall frisches Grün. Aber ach, nur wenige Tage und die erste Schönheit ist vorbei. Vor mir sehe ich die Wiese in ihrem herrlichen Grün. Einige Tage noch und alles ist verdorrt. Geht es nicht auch uns so? Heute singen und jubeln wir, und schon nach so kurzer Zeit ist alle Pracht dahin, müssen wir ins Grab sinken. Wie kommen mir nur heute so düstere Gedanken, schon den ganzen Tag komme ich nicht davon los. Als ich vorhin kaum hier war, mußte ich etwas Furchtbares erleben. Heinr. sagte mir, daß er wahrscheinlich von hier gehen würde. Schon öfters hatte er im Zorn solche Äußerungen gemacht, über die ich mich immer geärgert, weil ich sie für unverantwortlich hielt. So hielt ich es auch heute für eine Rederei und wollte ihn mit aller Entschiedenheit sagen, wie ich darüber denke. Sofort wehrte er ab und sagte, es steht ziemlich fest, daß ich gehen muß, frag mich bitte nicht weiter. Furchtbare Gedanken durcheilten mich und durchzucken mich noch immer. Aber nein, das kann, das darf ja nicht sein, solche Gedanken sind schon sündhaft. Frag mich nicht, von diesen Worten komme ich nicht los. Reden kann ich mit ihm nicht mehr darüber, soll ich bitten, daß Gott es möglich macht, daß er bleiben kann. Ach meine Gedanken. Ich weiß nicht, was ich für ihn tun soll. Wären doch all meine Gedanken sündhaft und verkehrt.

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