Fleisch und Knochen
Gestern habe ich ihn angerufen. Nach ein wenig mehr als zwanzig Minuten war das Gespräch beendet. Er hat mich gelangweilt. Das erste Mal war es beinah unerträglich und fad mit ihm zu sprechen. Er war wortkarg, müde und irgendwie wirkte er auf mich seiner Sache zu sicher. Ich war ebenfalls nicht gesprächig, mir erschien plötzlich alles so bröcklig, mehr Schein als Sein, als wäre er nicht mehr die Person, der ich zutraute mich weiter zu bringen, als wären wir nicht Verwandte unserer Seele, als wär die Farbe verblasst, Wünsche nur Wünsche, denen Wirklichkeit verwehrt bleiben sollte und der Reiz ganz und gar verloren..nichts das ich länger begehrte.

Also wurde mir klar; Ein Mensch ist zu Beginn nur ein Konstrukt aus Fleisch und Knochen, eine Figur in einem Theater ohne Bedeutung. Doch erst die Bedeutung, die man ihr beimisst, die Gefühle und der Wert den du ihr gibt, ist das was sie ausmacht. Vielleicht habe ich aus ihm mehr gemacht als er wirklich ist.

Aus einem Gespräch so viel lesen zu wollen, ist möglicherweise nicht richtig - Abwarten: Morgen ist auch noch ein Tag, noch dazu einer an dem ich ihn sehen werde.

Heute war ich ungemein gelöst und befreit von diesen Gedanken an ihn, der Griff hat sich gelockert, die Luft ist nun wieder zum Atmen da.