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Tagebuch Feuervogel
2008-02-17 20:33
Alkaloid
Wie könnte ich festhalten, was ich bereits vor zweier Tagen erlebte? Der Zeitpunkt an dem ich es notiere, ist nicht von Bedeutung. Hart im Leben drinnen, vollführe ich die abstrusesten, wie auch faszinierendsten Tänze. Bald schon habe ich das Gefühl das Erste mal wirklich mit ihm in Berührung zu kommen. So fasse ich es an den Händen, schliesse es fest in meinen Griff und tanze mit ihm weiter, weiter...

Vorgestern, Stoff besorgt. Nach Hause zu ihm.
Nein! So kann ich es nicht beschreiben, zu pragmatisch, lapidar. Ich will genau aufschreiben, wie ich mich fühlte, was ich dachte. Schliesslich war es ein viel emotionaleres Erlebnis. Punkt.

Ich war es, die jene Substanz besorgte, von der ich nun sprechen werde. Ich. In eine Welt gezogen, die mich reizte, lockte, vor der ich mir dennoch die nötige „Angst“ bewahrte. Im Glauben gelassen nicht mit der Beschaffung in Kontakt zu kommen, teilte er mir mit, dass ich nun in dieses dubiose Pub rein, mich neben den Typen setzen und ihm das Geld zu- und den Stoff einstecken solle. Mir langsam über die Bedeutung seiner Worte bewusst, hatte ich Panik. Ich wollte das nicht, es war niemals so geplant gewesen. Zuvor hatte ich Lust es auszuprobieren, jedoch nicht vor Akteur, Protagonist bei dieser all zu dreckigen Sache zu werden, mich kriminell zu betätigen. Er umarmte mich. Eine kleine Sache. „Wie kannst du mir das antun? Weißt du überhaupt was in mir drinnen los ist? Vielleicht ist das was du von mir erwartest viel zu schwer, ich kriegs nicht hin, so bin ich nicht, verstehst du?“ „Ja, ich verstehe dich, du weißt ich kann dort nicht rein, Hausverbot. Bitte geh doch rein, es wird dir nichts passieren.“ Nach einigen schmerzhaften Minuten in der Kälte, in denen sich mein ganzes Leben vor mir ausbreitete und jener Moment wie ein roter Punkt auf einem weissen Blatt erschien, warnend und als Zeichen, entschied ich.

Es war mir egal, ich ging hinein und tat genau das, genau so wie er es mir zuvor erklärt hatte. Nachdem ich rauskam, fühlte ich mich leer. Mich fragend, was das sollte und wie weit ich mich noch von mir selbst entfernen könne, lief ich so schnell ich konnte zum Auto. Er sprach ununterbrochen während der Fahrt. Wir fuhren auf der Autobahn, die Lichter zogen an mir vorbei, stellenweise hätte ich gerne geweint um nur ein winzig kleines Stück von dieser Last, vielleicht auch Unsicherheit, mehr aber Gelähmtheit, über mein vorheriges Handeln loswerden zu können. Doch ich konnte nicht. Ich riet ihm zu schweigen. Er solle nichts mehr sagen bis wir zuhause seien. An diesem Punkt erschrak ich vor mir selbst! Ich sagte: bis wir ZUHAUSE seien. Gesagt von mir, die ich in mir keinerlei Gefühle in diese Richtung hege um Grund zu haben von einem Zuhause zu sprechen. Es geschah wohl eher unterbewusst.

Nun denn; Als wir zuhause ankamen, setzte er sich an den Glastisch. Die zwei Kügelchen hatte er hervorgeholt, ich stand daneben, gequält von einer alten Version meines Ich’s. Das Pulver, es wird Stück für Stück auf das saubere Glas gegeben, wie Schnee auf eine unversehrte Landschaft, mit dem Messer eine gerade Linie gebildet. Dann nahm er eine erste Line, gab dann mir das Röhrchen. Ich wollte es, doch ich war immer noch paralysiert vom zuvor Passierten, wie erstarrt, umschlossen von einen schmerzenden Gefühl und konnte mich nicht rühren. Musste mich fangen. Er nahm mich fest in die Arme, für lange Zeit, küsste mich und schaute mich an. Es wäre ok es nicht zu tun, ich müsse nicht, doch wenn ich wollte, dann solle ich was nehmen. Es wäre auch in Ordnung nur ein Bier zu trinken, gemütlich hier zu sein bei ihm, ob ich ein Bier wolle? Er wolle mich zu nichts zwingen, auf keinen Fall.

Dann ging er und legte sich hin, denn ich wollte kurz alleine sein, verarbeiten und mir klar werden über das was passiert war und das was passieren sollte. Sass am Tisch, starrte die für mich zuvor vorbereite Line an, über eine halbe Stunde. Respekt verspürte ich gleichermassen wie Lust. Nach einer Weile zog ich die erste Line. Der Stoff gelangte in die Nase, ich war vollkommen klar. Klarer als zuvor, doch die Wirkung war nicht jene, von der ich Bilder in meinem Kopf hatte, dennoch nicht schlecht. Trotzdem nicht so gut um es zur Gewohnheit lassen zu werden!

Langsam ging ich zu ihm, legte mich neben ihn und darauf folgten zig Gespräche. Zwar ist es Tatsache, dass unter solchen „Umständen“ das Aktiv- und Gesprächigsein normal ist, jedoch möchte ich diesen Moment der sich nun abspielte, nicht bloss diesen zwei Grundwahrheiten zuschreiben. Ich erfuhr viel über seine Vergangenheit, ein Bild, das zuvor voller Löcher und unvollendeter Stellen war, begann sich langsam zu vervollständigen, sich zu vervollkommnen. Wir sprachen über den Beginn unserer Bekanntschaft, über meine Unsicherheiten, von denen ich ständig geplagt wurde, dass er mir dazu genügend Gründe geliefert hatte. Er hat es verstanden, doch auch ich war nicht immer fair. Ich weiss. Ich konnte mich besser denn je in ihn hineinversetzen, bekam Wunden von ihm zu Gesichte, die ich nicht vermutet hatte, die mich aber gleichzeitig ruhig und sicher machten, ein Gefühl des Verstandenwerdens und des Wohlseins entstand durch das Preisgeben dieses Teils von ihm. Eines Teils, den ich nur zu gut kenne und auch einer von mir ist. Auf dieser Ebene ist was da, das uns verbindet, doch eigentlich sind wir grundverschieden, aber trotzdem passt es. Es? Es ist nicht Liebe, eine tiefe Verbundenheit, ein Öffnen, wo man sich sonst verschliesst, eine Akzeptanz gegenüber so vielem, eine Vergangenheit, die sich stellenweise deckt. Es ist nicht Liebe, ich habe ihn gern, bin ihm dankbar für die Momente, die ich durch ihn finde, ich liebe die Idee hinter diesem Konstrukt, ich liebe den Gedanken so etwas zu haben, das einem nicht verletzen kann, aber einem einen Teil von sich gibt, etwas das einem gut tut und genau das tue auch ich, obwohl es von seiner Seite wohl Liebe ist.

Ich erzählte von meiner Mutter, die trinkt. Er hat mir zugehört, konnte meine Gefühle nachvollziehen und genau beschreiben, wie ein Mensch dadurch verändert wird, was es in mir auslöst. Ich fragte ihn nach seiner letzten Beziehung. Er erzählte alles und ich hatte das Gefühl, dass er in gleicher Weise glücklich über den Umstand war, dass er „Rauslassen kann“ wie ich. Auch er wurde verletzt und konnte niemanden mehr an sich heran lassen, verschloss sich. Bis ich kam. Dann erzählte ich von meinen Zweifeln gegenüber mir, der aufgegebenen Suche nach dem Ungreifbaren, der mich auffressende Gedanken vom Nichtgenügen, vom Angsthaben, dass niemals jemand erkennen könne, wer ich bin, mich niemand mehr lieben würde. Dass ich zurückgelassen würde auf offener Strecke, blutend und verletzt. Darauf erwiderte er: „Wieso denkst du das? Unvorstellbar, das musst du nicht! Als ich dich damals im Pub sitzen sah, habe ich zwar nicht sofort gewusst, dass du die Richtige für mich bist, doch du hast einen lieben und freundlichen Eindruck gemacht, deine Art war so vollkommen anders, so absolut aussergewöhnlich, eine Ausstrahlung, die das Besondere in dir zeigte, jemand der einen nicht verletzen kann. Weißt du, wir sind verschieden, doch irgendwie stimmt es trotzdem zwischen uns, wären wir genau gleich verstünden wir uns nicht, wahrscheinlich brauchen wir diesen Kontrast, verstehst du?“ Ich verstand und wir nahmen uns in die Arme, für diesen Moment das Gleiche denkend, ein Gefühl vom wohl behütet sein. Ich sagte: „Vielleicht müssen wir uns einfach beide öffnen, damit wir unsere Wunden heilen können.“ An jener Stelle hätte ich weinen können. Es hat mir gut getan mich für diesen Augenblick zu öffnen, dieses Balsam zu bekommen, diese Worte.

Die Nacht ging so weiter, wir sprachen miteinander, nahmen noch mehr und genossen unsere Gesellschaft. Stillten körperliche wie auch seelische Bedürfnisse. Die ganze Nacht hindurch schliefen wir nicht.

Ich habe eine Welt gefunden, in der ich mich wohl fühle. Eine ganz eigene, die mir genügend Raum gibt mich zu bewegen und zu entfalten. In der ich sein kann wer ich wirklich bin. Einmal sagte er: „ Weißt du, ich will nicht dass du irgendwas das du denkst nicht sagst oder irgendwas das du machen möchtest nicht tust, bei mir kannst du sein wie du bist.“ Schön. Wir wollen das Typische nicht, wir wollen das was uns gut tut, nicht immer das Selbe und auch nicht ständig.

Bestimmt sass ich nun beinahe drei Stunden an diesem Text. Weil er wichtig ist. Auch weil ich mich an diesen Abend erinnern wollte, ihn immer wieder hervorholen will, weil ich ihn verewigen möchte, wissend, dass es ein Wichtiger für mich war. Einer der Wichtigsten in diesen Jahren.


Unser Leben ist flüchtig wie der Widerschein des Mondes im Wassertropfen, der vom Schnabel eines Reihers fällt.

(Dogen Kigen)

Nun es ist doch nur all zu flüchtig um davor zu flüchten, nicht wahr?

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2008-02-17 20:33