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Tagebuch Felicithas
2012-01-10 19:12
... So. Wieder ein Tag geschaf...

... So. Wieder ein Tag geschafft. Eigentlich schade, dass ich das so sagen muss. Als wäre es 'ne Qual gewesen. Eigentlich ist es ja okay im Moment. Der Chef hat Urlaub, wem gefällt das nicht! ;) Endlich hat man mal Zeit, zwischendurch zu sitzen - und sogar einen Kaffee zu trinken. Und zwar in Ruhe und am Stück... nicht gehetzt und schlückchenweise.

Soweit, so gut.

Nur hat mich heute wieder eine Frage beschäftigt, die mir schon länger im Kopf rumgeht:
Warum werden Menschen mit einer Sucht dafür verurteilt, süchtig zu sein? Warum wird ihnen manche Hilfe versagt, warum lacht man hinterrücks über sie? Warum sagt sogar Fachpersonal "Ja gut - er hats ja nicht anders gewollt, dieser Junkie, man kann ihm halt auch nicht helfen!" ?!

Vielleicht hätte der "Junkie" es ja doch anders gewollt?

Ich bin mir sicher, dass die meisten NICHT geplant haben, ihr Leben so zu verbringen.
Immer auf der Suche nach den passenden Spritzen, nach dem guten Stoff, nach dem Alkohol, nach den Tabletten. Am unteren "Rand" der Gesellschaft, verurteilt und verachtet.


Natürlich gibt es Programme, die "von den Drogen" (um es jetzt einfach mal zu verallgemeinern) wegbringen.
Meine Kollegen sagen oft: "Ja da gibts doch diese Entzugsklinik. Soll er doch mal da hin gehen!" - aber wenn das nicht geht? Ein Platz in der Klinik ist nicht leicht zu bekommen.
Man muss (zumindest, soweit ich weiß - sorry, wenn ich mich irre) zum Beispiel einen "Beweis" bringen, dass man wirklich clean werden möchte. Ist das nicht oft ein Schreiben eines Psychologen? Hat jemand schon einmal versucht, einen Termin für eine "Sitzung" beim Psychologen zu bekommen? Im Moment liegen Berichte über Wartezeiten von mehreren Monaten vor. Wirklich schnell (also innerhalb von 2 Wochen oder so) bekommt man eine solche Sitzung nur, wenn akute Suizidgefahr besteht. Das weiß ich aus sicherer Quelle. Alle anderen dürfen 3 oder mehr Monate darauf warten. Und dann ist es oft schon zu spät.
Das ist der eine Punkt, der mir dazu einfällt.


Ein anderer ist: schlicht und einfach das liebe Geld. Mal ehrlich, ein Abhängiger bringt das benötigte Kleingeld nicht auf und die Krankenkassen... naja. Ob die das alles übernehmen, bezweifel ich stark.


Der nächste Punkt: die Hemmschwelle.
Wie "leicht" würde es mir fallen, mich einem solchen Programm anzuschließen? Vor allem die offiziellen Schritte? Bürokratischer Kram? Würde ich als Betroffene nicht einfach sagen: "Ach komm, lass es doch wies ist, das ist auf jeden Fall einfacher..."
Oder was würden Freunde sagen?

Mir tut jeder Betroffene aufrichtig Leid.
Oft frag ich mich, wenn einer vor mir steht und wieder Insulinspritzen braucht: "Was ist in deinem Leben passiert? Hätte es verhindert werden können? Durch liebende Eltern oder stabiles soziales Umfeld oder ohne diese eine Party, auf der du das Zeug das erste mal genommen hast und abhängig wurdest?"

Ich finde es sehr traurig und werde betroffen, wenn ich darüber nachdenke. Und wenn ich dann von Kollegen höre "Er hats ja nicht anders gewollt" - könnte ich anfangen zu toben und wütend zu werden oder zu weinen... der Mensch hat es sich sicherlich nicht ausgesucht. Spätestens im Erwachsenenalter macht es keinem "Junkie" mehr Spaß, ein solches Leben zu führen.
Aber er kommt auch nicht davon weg.

Ich wünschte, ich könnte etwas tun.
Das einzige, was mir einfällt ist: Diese Kunden genau so höflich und freundlich zu behandeln wie jeden anderen auch. Es ist schön, ein ehrliches und dankbares Lächeln zurückzubekommen, wenn der Betroffene merkt: "He, die is anders. Die is nett. Behandelt mich gleichwertig."
Ich hoffe so sehr, dass mir das gelingt.

(Das war jetzt ein sehr langer Text - ich hab versucht, mich kurz zu fassen. Aber es musste einfach mal raus.)

Liebe Grüße und bis bald (mit vielleicht einer fröhlicheren Geschichte?),

die Feli.

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2012-01-10 19:12