Der gestrige Sonntag war nicht der schönste. Mutter fühlte sich nicht wohl, sie musste im Bette liegen, und Großmutter sah so gut es ging, nach dem Notwendigsten. Am Nachmittag kam Vaters Kamerad, der Uhrmacher. Ich ging mit ihm zur Großmutter, dann wieder nach Hause. Es war warmes Frühlingswetter, ich bin aber kaum aus dem Hause gewesen. Bald dunkelte es, doch auch am Abend blieb ich zu Hause und las in Jung-Stillings Lebensgeschichten nur etliche Seiten und ohne sonderliches Interesse. Um ½ 10 Uhr konnte ich nicht mehr die Augen offen halten, so müde war ich.

Das ist nun schon der zweite Sonntag, an dem sich mein Freund nicht hat sehen lassen, dieser Duckmäuser; dieser langweilige Philister. Natürlich hat er Husten. Zum Sommer richte ich es aber anders ein, dann braucht er meinetwegen gar nicht mehr zu kommen. Wenn ich allein bin, fühle ich mich durchaus nicht einsam, ich bin mir selbst genug. Es wäre ja sehr wünschenswert, daß ich jemanden finde, mit dem ich mich verstehen würde, doch das habe ich schon längst aufgegeben.

Mein 'ehemaliger Freund' ist ja jetzt auch bei der Jugendkompagnie. Der mit seiner Schneiderfigur kann doch mit der Uniform keinen Staat machen. Er kommt auch nicht mehr, denn wir verstehen uns nicht. Doch die Einsamkeit macht mürrisch und verbittert. Heute ist wieder entzückendes Frühlingswetter; die Sonne scheint so warm, in der blauen Luft brodeln die Flieger. Der Frühling kommt. Nun muß sich alles, alles wenden!

Ach hätte ich doch jemand, dem ich das alles sagen kann; einen lebensfrohen, vernünftigen, geistreichen Menschen. Kann die Schicksalsgöttin mir nicht so ein Weib beschaffen das wäre das höchste, herrlichste Glück. Doch es kommt mir so vor, als ob hinter den hübschen Larven desto weniger Geist stecken würde!