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Tagebuch Endlessly
2005-05-16 15:34
Kapitel 2
Ich brauchte mindestens fünf Minuten um zu begreifen, dass ich den Vermieter dieses wundervollen kleinen Häuschens beleidigt hatte. Aber woher hätte ich auch wissen sollen, dass ihm das Haus gehörte? Oh Gott, jetzt musste ich mich wahrscheinlich bei ihm entschuldigen, wenn ich jemals wieder dieses Häuschen mieten wollte! Mir graute vor der Schlüsselübergabe am nächsten Tag. Wenn ich das vorher gewusst hätte, aber Laura hatte sich um alles gekümmert und dafür gesorgt, dass der Schlüssel bei meiner Ankunft unter der Fussmatte zu finden war. Ich hatte die leise Hoffnung, dass ich auf diese Weise auch den Schlüssel wieder abgeben konnte, allerdings glaubte ich nicht wirklich daran.
Als die Sonne drohte hinter Wolken zu verschwinden, ging ich in das Haus, um meine Koffer zu packen. Ich wollte nicht gehen. Dieses Haus war zum Teil mein Ruhepol geworden. Doch leider hate ich keine Wahl. Ich ging in das Schlafzimmer, in dem sich nur ein Bett, ein Kleiderschrank, eine Frisierkomode und ein Stuhl befanden. Ich hatte aber während meines Aufenthaltes zudem noch meine Staffelei aufgestellt und eine Vase gefunden, in der ich frisch geschnittene Rosen aufbewahrte. Seufzend blickte ich mich um, öffnete meinen Koffer und fing an.
Ich brauchte gut eine Stunde, bis ich meine Staffelei, meine Kleidung und alles andere, was mir noch gehörte, zusammengepackt hatte. Die Rosen lies ich stehen, derjenige, der dieses Haus nach meiner Abreise betreten würde, freute sich bestimmt. Zumindest, wenn derjenige weiblich war.
Ich streifte durch das Haus, durch die gemütliche kleine Küche mit einer Essecke, dem hell eingerichteten Wohnzimmer mit den weissen Sofas, dem kleinen Tisch, den grossen Fenstern und dem Kamin, und durch das mit blauen Kacheln verzierte Badezimmer, in dem sich eine altmodische Badewanne, ein Waschbecken und ein Spiegel mit Goldrand befanden. In einer Stadtwohnung wäre die gesamte Einrichtung wohl als altmodisch und eher landhausmäßig bezeichnet worden, hier war es einfach nur perfekt. Laura hatte wieder mal ihren ausgezeichneten Geschmack bewiesen- "Das weiss ich doch, was würdest du nur ohne mich tun?", war alles, was sie am Telefon auf meine Danksagung erwiderte. Sie würde mich nach meiner Ankunft in London vom Zug abholen, mir dabei gleich den neuesten Tratsch erzählen und erwähnen, dass meine Klamotten schon wieder "völlig out" wären. Manche Dinge würden sich nie ändern.
Mittlerweile zeigte sich die Sonne wieder. Ich schnappte mir meinen Zeichenblock, den ich vorsorglich noch nicht eingepackt hatte, und setzte mich, bewaffnet mit meinem Bleistift, so nah an den Rand der Klippen wie ich konnte. Mittlerweile war die Sonne allerdings langsam am Untergehen und warf ein rotes Licht auf das tiefblaue Wasser. Es hätte nicht schöner aussehen können. Ich konzentrierte mich auf die Schatten, die Spiegelungen im Wasser, die Möwen, die darüber hinwegflogen und die Wolken, die ebenfalls in ein rosarotes Licht getaucht waren. Ich hatte nicht den geringsten Zweifel dass dies der Ort war, wo ich hingehörte.
Allerdings kann niemand in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Der böse Nachbar entpuppte sich als meine Mutter, die meine Handynummer- die Telefonnummer des Hauses hatte ich ihr vorsorglicherweise nicht gegeben- wiedergefunden hatte und mich anrief. "Isst du denn auch genug?" "Ja Mutter." Ich verschwieg ihr, dass ich in der Zeit, in der ich hier war, nicht ein einziges Mal den Herd benutzt hatte und bestimmt um mindestens drei Kilo leichter geworden war. "Um Himmels Willen, Kind, warum hast du uns denn nicht gesagt dass es dir schlecht geht? Ich wäre doch gekommen!" Das Letzte was ich jetzt brauchte war eine hysterische Mutter, die mich mit Hühnersuppe fütterte. "Mir gehts es gut, Mutter, wirklich. Diese Ruhe hier tut mir unwahrscheinlich gut." "Wann kommst du denn nach Hause? Sollen wir dich vom Bahnhof abholen? Du kannst dann bei uns essen, es gibt diesmal ein deutsches Gericht... Es heisst... Warte mal!" Sie legte den Telefonhörer offensichtlich hin, denn im Hintergrund konnte ich den Fernseher hören und meinen Vater, der einen Fussballspieler zusammenschrie. "Schatz? Es heisst 'Sauerbraten mit Knödel'. Du kommst doch? Dein Bruder und deine Schwester kommen auch, sie bringt sogar Dieter mit! Und zum Nachtisch Schokoladenkuchen, den magst du doch so gern!" Ich hatte ihr bisher noch nicht gesagt, dass ich am nächsten Tag wahrscheinlich nur abends auftauchen könnte, da ich nach meiner Ankunft erst einmal auspacken und ein Bad nehmen müsste, aber das schien sie schon eingeplant zu haben. Wenn mir nicht eine gute Ausrede einfiel, müsste ich den Abend mit meinem nervigen, ewig studierenden Bruder verbringen und mit meiner Schwester, die ihren Dieter anschmachten würde- mir war sowieso nie klar, was sie an diesem Mann fand. Er war langweilig, hatte die Angewohnheit, sie herum zu kommandieren und trug braune Hosen, eine braune Weste und ein weisses Hemd. Er hätte ohne weiteres als mein Grossvater durchgehen können, wenn er graue Haare gehabt hätte. Dabei sah meine Schwester Chantalle- sie bestand auf diesem Namen, obwohl sie in Wirklichkeit Natalie hiess- wirklich gut aus und war durchaus intelligent. Sie hat, bevor sie "Didi" kennen gelernt hatte, bei einer Modelagentur als Model gearbeitet. Allerdings war "Didi" damit nicht einverstanden, und nun arbeitete sie nur als Verkäuferin in einer Parfümerie. Ich fand, dass sie etwas besseres verdient hatte, schliesslich war sie noch jung- 30 ist nicht besonders alt, und sie war nur zwei Jahre älter als ich. "Didi" hatte es in seiner Karriere zum Geschäftsleiter einer Supermarktkette gebracht. Ich hatte keinen Zweifel, dass dies genau der richtige Job für ihn war. Aufräumen, Ordnung zu schaffen, Dinge zu strukturieren war einfach seine Welt. Zu bezweifeln war, ob meine Schwester wirklich zu dieser Welt passte.
Mein Bruder dagegen war zwei Jahre jünger als ich, planlos und zu dieser Zeit BWL studierend. Vorher studierte er russische Kunstgeschichte, Englisch, Sportwissenschaften, Medizin, Mathematik und Theologie. Das BWL-Studium solte ihm den "ganz grossen Durchblick" bringen und ihm "echt weiterhelfen". Allerdings sagte er das bei den vorherigen Studiengängen auch. Meine Mutter versuchte ihn immer zu motivieren, wobei ihnen langsam aber sicher dass Geld ausging, da sie ihm nicht nur das Studium, sondern auch seinen Lebenstil finanzieren mussten. Darunter fielen Dinge wie das Ausgehen, die Anschaffung neuer Möbel wenn die alten bei einer Party angezündet, zerrissen oder einfach nur zerschlagen wurden. Mittlerweile hat er auf diese Weise schon drei Sofas bekommen, und mindestens zehn Stühle. Das vierte Sofa ist in Arbeit.
Meine Mutter riss mich aus meinen Gedanken. "Du kommst doch, Lisi? Natalie würde sich so freuen, die zu sehen, und Christian bestimmt auch!" Wenn meine Schwester rausfinden würde, dass Mutter sie immer noch Natalie nannte, sie wäre ihr an den Hals gesprungen. "Oh, cih weiss nicht. Ich üsste nach meiner Ankunft erst mal auspacken und dann duschen und meine Wohnung in Ordnung bringen, und ausserdem noch einige Dinge aus der Arbeit erledigen, zu denen ich vor meiner Abreise nicht gekommen bin." Dass meine Wohnung ein einziges Chaos war, dass der Staub sich auf meinen Schränken türmte und dass ich Panik hatte, Ratten hätten in meiner Wohnung eine Party gefeiert, verschwieg ich ihr besser. Sie hätte sonst noch dort aufgeräumt. Intelligent wie ich war, hatte ich ihr auch verschwiegen, dass meine Arbeit von einer Kollegin übernommen worden war, die mehr als Verständnis für meine Lage zeigte und mir sogar einen Killer besorgen worde, um "dem Arsch mal zu zeigen wo der Hammer hängt". Das letzte Angebot lehnte ich dankend ab, niemand sollte gezwungen sein sich die Finger an ihm schmutzig zu machen.
"Also kommst du nicht, Schätzchen? Ich werde dir einfach etwas von dem Sauerbraten und den Knldeln und dem Schokoladenkuchen einpacken, dein Vater kann es dir ja vorbeibringen." "Danke Mutter, das ist echt nett von dir." "Schätzchen, ich will doch dass du was vernünftiges isst, dieses Fast-Fodd ist ja nicht gut für euch Youngsters." Meine Mutter verwendete Jugendsprache, das war zu viel. "Ok, ich muss jetzt Schluss machen, es ist schon ziemlich spät. Gute Nacht!" "Nacht, Schätzchen!" Unnötig zu erwähnen, dass eine Achtundzwanzigjährige nicht um 7 Uhr ins Bett geht.
Ich trug meinen Zeichenblock ins Haus, da es draussen mittlerweile immer kühler wurde, machte mir einen warmen Kakao und zog mich mit einem Buch ins Wohnzimmer zurück, wobei mein Blick auf einige meiner Gemälde fiel. Ich hatte den Garten und das Meer und das Häuschen gemalt. Doch wohin damit? Ich beschloss, mir erst am nächsten Tag Gedanken darüber zu machen. Ich machte ein Feuer im Kamin und legte mich auf den weichen Teppich, der auf dem Boden vor dem Kamin lag. Irgendwann löschte ich dann den Kamin, stellte die Tasse in die Spüle und legte mich in das weiche Bett, wo ich nach kurzer Zeit in Träume von Elfen und Kobolde versank, wobei ein Kobold diesem Kevin ähnelte und ständig lachte, egal wie oft ich ihn mit dem Hammer traf, den ich in der Hand hielt.

Kommentare

14:15 20.05.2005
Alles Gute ;)
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13:31 20.05.2005
Gracias! 19 Jahre, ist das zu fassen? Ich werde alt!
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10:23 20.05.2005
Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag
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2005-05-16 15:34