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Tagebuch Doc12
2010-10-20 06:47
Der weinende Clown - 90
„Und diese Prinzipien hast du erkannt?“, fragte Sarah staunend.
„Schon sehr, sehr lange.“ Gottfried lächelte.
„Dann hast du wohl vielen Menschen einiges voraus“, bemerkte sie und sah ihn nachdenklich an.
„Ich denke schon.“ Nach einer kleinen Pause fügte er leise nickend hinzu: „Ja, das denke ich wirklich.“ Er zwinkerte Bruno zu, der sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte. Gottfried griff nach seinem Weinglas. Die beiden anderen taten es ihm nach. „Auf die Menschen!“, sagte er und nahm einen Schluck, drehte das Glas in seiner Hand, hob es gegen das Licht und meinte: „Ein guter Jahrgang – hervorragend.“

„Ja, der läuft runter wie Öl“, meinte Bruno.
„Schmeckt richtig fruchtig“, bestätigte Sarah. Doch gleich darauf bohrte sie weiter: „Welche Prinzipien sind das?“
„Ich habe gewusst, dass du das fragen würdest, liebe Sarah.“
„Ich will nicht dumm sterben“, antwortete sie und lachte.
„Das dürfte dir heute auch kaum mehr möglich sein.“
„Nun sag schon, Gottfried – von welchen Prinzipien sprichst du?“
„Von den geistigen Prinzipien.
„Und das heißt?“
„Was ich damit sagen will, ist: Der Geist steht stets über der Materie. Sie ist ihm untergeordnet und hat ihm absolut Folge zu leisten. So ist es und so war es schon
immer. Es ist ein Gesetz.“
„Du meinst also, die Gedanken stehen über der Materie, wenn ich das richtig verstehe?“
„Gedanken sind die stärkste und mächtigste Kraft im Universum. Sie können alles bewirken – wirklich alles. Sie sind stets der Auslöser.“
„Darüber musst du mir nachher bitte mehr erzählen. Und du, junger Mann, gehst jetzt langsam Zähne putzen und ziehst deinen Schlafanzug an. Zeit fürs Bett“, unterbrach sie das Gespräch und sah dabei Karsten an, der aufmerksam zugehört hatte.
„Ooch – schade. Jetzt schon?“
„Es ist fast acht. Zeit für dich.“ Widerwillig rutschte der Junge vom Stuhl, Sarah erhob sich ebenfalls. „Ihr entschuldigt mich für einen Moment, ja? Ich bringe Karsten zu Bett und räume dann eben mal den Tisch ab. Setzt ihr beiden euch doch rüber ins Wohnzimmer. Ich komme gleich nach.“

„Gute Idee, das machen wir, komm Gottfried.“ Beide standen auf und gingen ins Wohnzimmer.
„Sag Gottfried Auf Wiedersehen, Karsten“, mahnte seine Mutter, worauf der Junge Gottfried brav die Hand gab.
„Wann besuchst du uns wieder?“
„Das kann ich jetzt nicht sagen“, antwortete Gottfried und lächelte. „Aber wir sehen uns ganz bestimmt wieder, das verspreche ich dir. Und ich bin sicher, du träumst heute Nacht etwas ganz Schönes.“
Karsten drehte sich um und lief ins Bad.
„Gute Nacht, Kumpel, schlaf schön“, rief Bruno ihm nach. Plötzlich fiel sein Blick auf den leeren Tisch. „Was möchtest du trinken?“
Das Gleiche wie vorher“, antwortete Gottfried.
„Bruno sprang auf. „Ich hole die Gläser.“
„Setz dich wieder, mein Freund. Bleib bei mir. Ist schon erledigt.“ Auf dem Tisch standen drei gefüllte Weingläser und die Flasche in der Mitte.
Bruno grinste. „Verzeihung – ich vergaß ... Aber du benimmst dich so menschlich, dass man vergisst, dass du kein Mensch bist.“
„Ich habe euch nach meinem Ebenbild erschaffen – also sollte es mir auch nicht schwer fallen, mich wie ein Mensch zu benehmen, nicht wahr?“
„Stimmt eigentlich.“

Nach einer kurzen Pause fragte Bruno: „Sag mal, was ich bei diesem Roman, den ich – oder sollte ich besser sagen, den wir schreiben, nicht verstehe: Weshalb kommt dieser Clown wieder ins Leben zurück?“
„Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens: Wäre es anders, würde der Roman zu kurz. Zweitens brauchst du unbedingt eine Beschäftigung, sonst kommst du nur auf dumme Gedanken. Und drittens ist dieser Clown noch für einige Überraschungen gut.“ Gottfried schmunzelte.
„Für welche Überraschungen?“
„Das sage ich dir nicht. Warte es doch einfach nur ab. Du bist immer so ungeduldig und neugierig wie ein altes Waschweib.“
„Ich hätte noch viele, viele Fragen an dich.“
„Ich weiß. Aber ich werde dir viele, viele nicht beantworten. Nur diejenigen, die für dein Leben auf dieser Erde wichtig sind.“
„Mich würde zum Beispiel interessieren, ob Jesus und Maria Magdalena tatsächlich ... na ja, du weißt schon ... und wie war das damals mit Marias jungfräulicher Empfängnis und dem Heiligen Geist und so ...?“
„Sind diese Fragen für dein Leben wichtig?“
„Eigentlich nicht.“
„Dann bekommst du auch keine Antwort von mir. Ich mache dir einen Vorschlag: Lebe dein Leben, schließe es sauber ab und stirb erst einmal friedlich – danach bist du um einiges schlauer. Außerdem ist nicht sicher, ob du diese Informationen, die ich dir sicherlich bereits jetzt geben könnte, für dich behalten könntest – und du würdest eventuell – vermutlich ohne es zu wollen – Unheil damit stiften. Lass den Menschen ihren Glauben und lassen wir auch der Kirche ihren Glauben. Und nicht nur ihr, sondern auch allen anderen Religionen. Es läuft ganz gut, so wie es ist. In letzter Konsequenz geht es nicht darum, jedes Detail zu wissen, es ist egal, ob jemand an Jesus oder an mich glaubt, an Allah, Sat Purush, an den ägyptischen Sonnengott Ra oder an einen erleuchteten indischen Meister – mir geht es um die Erkenntnis der Menschen, dass sie Kinder des Universums sind, alle miteinander verbunden, dass sie unsterbliche Seelen sind – nenne es meinetwegen Kinder Gottes oder Geistwesen – und dass sie sich in diesem Erdenleben bewähren müssen, einander lieben und dienen sollen und eine Aufgabe haben, die es zu erfüllen gilt. Darum geht es. Nur darum allein.“
„Das heißt also im Klartext, erst nach meinem körperlichen Tod erkenne ich die volle Wahrheit?“
„Genau, das heißt es. Die Geheimnisse dieses Lebens werden erst im nächsten gelüftet.“

Kommentare


unbekannt
16:09 20.10.2010
Gottfried gefällt mir immer besser.

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